Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Weitere Sekundäransprüche

Geringfügige Schutzpflichtverletzung ohne Abmahnung (§ 282 BGB)

Geringfügige Schutzpflichtverletzung ohne Abmahnung (§ 282 BGB)

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A beauftragt M in ihrer Wohnung Parkett zu verlegen. In der Wohnung herrscht striktes Rauchverbot, was für Gewohnheitsraucherin M eine Qual ist. Obwohl M die Arbeiten sorgfältig ausführt, kündigt A ihr, als sie M nach einer vorherigen Abmahnung noch einmal beim Rauchen erwischt. A beauftragt Parkettleger P, der € 500 mehr verlangt .

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Einordnung des Falls

Geringfügige Schutzpflichtverletzung ohne Abmahnung (§ 282 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem M im Wohnzimmer geraucht hat, hat M ihre Schutzpflicht verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).

Ja!

Eine Pflichtverletzung ist jede objektive Abweichung des Verhaltens einer Partei des Schuldverhältnisses vom geschuldeten Pflichtenprogramm(vgl. § 241 BGB). Jede Partei ist über die geschuldeten vertraglichen Pflichten hinaus dazu verpflichtet, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei bei der Leistungserbringung zu berücksichtigen (§ 241 Abs. 2 BGB). Indem M entgegen des Rauchverbotes in dem Wohnzimmer geraucht hat, hat sie gegen ihre vertraglichen Rücksichtsnahmepflichten verstoßen.
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2. M hat die Schutzpflichtverletzung zu vertreten gehabt.

Genau, so ist das!

Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, sofern keine strengere oder mildere Haftung (vertraglich oder gesetzlich) bestimmt ist oder sich aus den Umständen ergibt (§ 276 Abs. 1 BGB). Dabei gilt zugunsten des Gläubigers die (widerlegbare) Vermutung, dass der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hatte. (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). M hat vorsätzlich geraucht. Insoweit hat sie die Schutzpflichtverletzung zu vertreten gehabt und kann die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht widerlegen.

3. Da M trotz vorheriger Abmahnung geraucht hat, war es A unzumutbar, Ms Leistung weiter entgegenzunehmen.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei der Frage der Zumutbarkeit sind die Interessen des Gläubigers und des Schuldners gegeneinander abzuwägen. Wesentliche Gesichtspunkte sind: (1) die Schwere der Pflichtverletzung, (2) der Grad des Verschuldens und (3) die Wiederholungsgefahr. Eine Abmahnung ist nicht zwingend erforderlich. Gerade bei geringen Pflichtverletzungen ist ein sofortiges Verlangen von Schadensersatz in der Regel aber nicht gerechtfertigt.Im Hinblick auf Ms Abhängigkeit und der sonstigen guten Arbeit, führt hier selbst der Verstoß gegen die erste Abmahnung (noch) nicht zur Unzumutbarkeit.A.A. sehr gut vertretbar. Das Beispiel entstammt der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2001 (BT-Drs. 14/7052). Da seitdem der Nichtraucherschutz deutlich verstärkt wurde und M zum Rauchen auch rausgehen könnte, kann man auch die Unzumutbarkeit bejahen. Maßgeblich ist letztlich die Argumentation, nicht das Ergebnis.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TO

Toralf

3.2.2022, 12:00:42

Wenn hier die Argumentation und nicht das Ergebnis zählt, wäre es schön, wenn beide Antworten als richtig erkannt würden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.2.2022, 12:44:42

Hallo Toralf, vielen Dank für Deinen Hinweis. Generell gilt bei allen Fällen, dass Jura nicht schwarz/weiß ist. Vielmehr ist entscheidend für eine überzeugende Klausur/die Praxis, dass das jeweilige Ergebnis argumentativ sauber begründet wird. Der Vertiefungshinweis soll insoweit nur als Anregung dienen, dass es hier auch alternative Lösungswege gibt. Nichtsdestotrotz sprechen hier gute Gründe dafür, den einmaligen Verstoß einer abhängigen Person noch nicht als ausreichend für einen Schadensersatzanspruch anzusehen. Durch kurzes Lüften und eine weitere, letzte Abmahnung könnte man dem Verstoß ebenso begegnen. So sah es (jedenfalls damals) auch der Gesetzgeber, weswegen wir diese Auffassung der Fallbearbeitung zugrunde gelegt haben. Beste Grüße, Lukas -für das Jurafuchs-Team

Paulah

Paulah

26.8.2023, 09:46:08

Hallo Lukas, ich stimme Toralf trotzdem zu. Meine Kette der richtigen Antworten ist nämlich abgebrochen, weil ich anderer, aber gleichwohl möglicher Meinung bin. Das finde ich sehr ärgerlich! Viele Grüße von Paula

B.H.

B.H.

8.11.2024, 18:31:40

Ich stimme an dieser Stelle @[Toralf](132475) und @[Paulah](135148) zu. Bei einem Fall, in welchem es derart auf die Argumente ankommt, sollten im Ergebnis auch beide Antworten möglich sein. Anders gesagt: Nicht die oder die andere Argumentation falsch sein.


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