Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Weitere Sekundäransprüche

Einführungsfall: Geburtstagsfeier (frustrierte Aufwendungen, § 284 BGB)

Einführungsfall: Geburtstagsfeier (frustrierte Aufwendungen, § 284 BGB)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

L mietet zu seinem 30. Geburtstag Vs größten Saal für €500. L verschickt für €700 Einladungen an seine 300 Gäste. Statt Geschenken bittet er um gute Laune. V überbucht den Saal versehentlich und sagt L deshalb kurzfristig ab. Mangels Ersatzort fällt der Geburtstag aus.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall: Geburtstagsfeier (frustrierte Aufwendungen, § 284 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L könnte einen Anspruch auf Ersatz der Einladungskosten nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB haben.

Ja!

Der Anspruch setzt voraus, dass (1) ein Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner - trotz Möglichkeit - nicht ordnungsgemäß leistet und (3) eine vom Gläubiger gesetzte, angemessene Nachfrist erfolglos abgelaufen ist. Ferner muss (4) der Schuldner seine Pflichtverletzung zu vertreten haben und schließlich (5) dem Gläubiger hierdurch ein Schaden entstanden sein.
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2. V hat seine Leistung wie geschuldet erbracht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nicht wie geschuldet ist die Leistung erbracht, wenn ihr Inhalt oder die Art ihrer Erbringung in irgendeiner Weise von dem abweicht, was Gesetz oder Parteivereinbarung festgelegt haben. V und L haben einen Mietvertrag (§ 535 BGB) abgeschlossen, wonach V verpflichtet war, den Saal am vereinbarten Tag zu überlassen. Da V die Räumlichkeiten zum vereinbarten Termin nicht zur Verfügung stellte, hat er seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt.Der Umstand allein, dass der Raum überbucht war, führt noch nicht zur Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB). Denn es steht V letztlich frei, welcher der Parteien er die Räume überlässt.

3. L musste V zunächst eine Nachfrist setzen, bevor er Schadensersatz verlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die nach § 281 Abs. 1 BGB zu setzende Frist ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Aufforderung zur Leistung umstimmen ließe. Die Weigerung muss das letzte Wort des Schuldners sein. V hat durch seine Absage deutlich gemacht, dass er nicht erfüllen werde. Aus dem Umstand, dass V nur einen Saal in der Größe besitzt und diesen überbucht hatte, durfte L schließen, die Ablehnung sei endgültig.

4. V hat die Pflichtverletzung zu vertreten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).

Ja!

Im Falle der Nichtleistung liegen zwei Anknüpfungspunkte für das Vertretenmüssen nach § 276 BGB vor. Zum einen die Nichtleistung bei Fälligkeit. Zum anderen die Nichterbringung der (ordnungsgemäßen) Leistung bis Fristablauf. Dabei genügt es, wenn der Schuldner eine der beiden Pflichtverletzungen zu vertreten hat. Auch insoweit wird das Vertretenmüssen vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Durch die Überbuchung hat V jedenfalls nicht die im Verkehr übliche Sorgfalt an den Tag gelegt und das Leistungshindernis damit fahrlässig geschaffen.

5. Die Kosten der Einladungen stellen einen Vermögensschaden dar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vermögensschaden stellt jede unfreiwillig eintretende Beeinträchtigung des Vermögen dar. Der zu ersetzende Schaden bestimmt sich aus der Differenz zwischen der hypothetischen Vermögenslage, wie sie ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, und der tatsächlichen Vermögenslage (sog. Differenzhypothese, § 249 BGB).Die durch die Kosten der Einladung erlittene Vermögenseinbuße beruht auf einer freiwilligen Entscheidung des L. Diese wäre auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung eingetreten. Es handelt sich um keinen ersatzfähigen Vermögensschaden, sondern freiwillige Aufwendungen. Der Schaden hinsichtlich des Ausfalls der Feier ist rein immateriell und auch nicht nach § 253 BGB ersetzbar.

6. Es ist ausgeschlossen, dass V die Einladungskosten ersetzen muss, weil es sich hierbei nicht um einen Vermögensschaden handelt.

Nein, das trifft nicht zu!

Erhält der Gläubiger die geschuldete Leistung endgültig nicht und erweisen sich seine Aufwendungen, die er im Hinblick auf den Erhalt der Leistung getätigt hat, als nutzlos (frustrierte Aufwendung), so kann er diese nach § 284 BGB ersetzt verlangen. Der Anspruch setzt voraus: (1) Bestehen eines Anspruches auf Schadensersatz statt der Leistung dem Grunde nach, (2) „billige“ Aufwendungen im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung, (3) Verfehlung des Zwecks der Aufwendungen aufgrund der Pflichtverletzung des Schuldners.Sofern die Voraussetzungen des § 284 BGB vorliegen, kann L die Einladungskosten als frustrierte Aufwendungen ersetzt verlangen. Bei anfänglicher Unmöglichkeit ergibt sich der Anspruch aus § 311a Abs. 2 BGB.

7. L steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu.

Ja!

Mit Ausnahme des Vermögensschaden liegen alle Voraussetzungen des Schadens statt der Leistung nach § 280 Abs. 1, 3, 281 BGB vor. In einer Klausur kann man an dieser Stelle natürlich auf die vorangegangene Prüfung verweisen und muss hier nicht nochmal alle Voraussetzungen prüfen.

8. Bei den Kosten für die Einladungen handelt es sich um Aufwendungen.

Genau, so ist das!

Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der (vertragsgemäßen) Leistung erbracht hat. Maßgeblich ist eine wertende Betrachtung. Beruht die freiwillige Einbuße auf dem schädigenden Ereignis, so liegt ein Schaden vor (z.B. Aufwendungen zur Schadensabwehr, -feststellung, -minderung und -beseitigung). Handelt es sich dagegen um eine Einbuße, die ausschließlich auf dem autonomen und unabhängigen Entschluss des Geschädigten beruht, so handelt es sich um eine Aufwendung.L hat die Einladungen aus autonomen Gründen und unabhängig von Vs Pflichtverletzung versandt.

9. L durfte die Aufwendungen für die Einladungen „billigerweise“ tätigen.

Ja, in der Tat!

Durch die Beschränkung auf die „billigen“ Aufwendungen ist sichergestellt, dass der Gläubiger keine voreiligen oder im krassen Missverhältnis zur Leistung stehenden Aufwendungen tätigt. Hier kommt der allgemeine Rechtsgedanke des § 254 BGB zum Tragen, dass den Gläubiger die Obliegenheit trifft, die Belastung des Schuldners zu begrenzen.Zwar übersteigen die Einladungskosten die Saalmiete. Angesichts der Anzahl der Gäste kann im Hinblick auf die Kosten der Einladung aber nicht von einem krassen Missverhältnis der Kosten gesprochen werden.

10. Die Einladungskosten haben ihren Zweck aufgrund von Vs Pflichtverletzung verfehlt.

Ja!

Der Ersatz frustrierter Aufwendungen ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger diese trotz der Pflichtverletzung nutzt (Zweck nicht verfehlt) oder der Zweck auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden wäre (keine Kausalität).Hätte V den Saal bereitgestellt, wären Ls Gäste aufgrund der Einladung gekommen, um mit ihm zu feiern. Vs Pflichtverletzung war verantwortlich dafür, dass L die Einladungen umsonst verschickt hat.

11. L kann die Einladungskosten von V nach § 284 BGB ersetzt verlangen.

Genau, so ist das!

Der Anspruch auf Aufwendungsersatz setzt voraus: (1) Bestehen eines Anspruches auf Schadensersatz statt der Leistung dem Grunde nach, (2) "billige" Aufwendungen im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung, (3) Verfehlung des Zwecks der Aufwendungen aufgrund der Pflichtverletzung des Schuldners.L stand dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, 3, 281 BGB zu. Bei den versendeten Einladungen handelt es sich um billige Aufwendungen. Da aufgrund Vs Pflichtverletzung die Feier abgesagt werden musste, haben sie ihren Zweck verfehlt. Statt als eigene Anspruchsgrundlage werten Teile der Literatur § 284 BGB als Vorschrift, die nur auf Rechtsfolgenseite des Schadensersatz statt der Leistung zu berücksichtigen ist (Überblick bei Dornis, in: BeckOGK-BGB). Für die Normenkette bedeutet das: Entweder Du zitierst nur § 284 BGB und prüfst dann inzident § 280 Abs. 1, 3, 281 BGB, oder Du zitierst § 280 Abs. 1, 3, 281, 284 BGB. In der Klausur kann man sich hier frei entscheiden. Einer Begründung des Aufbaus bedarf es nicht.
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