Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Weitere Sekundäransprüche
Unzumutbarkeit ohne Abmahnung (§ 282 BGB)
Unzumutbarkeit ohne Abmahnung (§ 282 BGB)
3. Juli 2025
7 Kommentare
4,8 ★ (10.914 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A beauftragt M, in ihrer Wohnung Parkett zu verlegen. Noch bevor M anfängt zu arbeiten, belästigt und beleidigt M den Ehemann (E) der A mit einer Reihe anzüglicher Kommentare. A geht dazwischen und wirft M raus. Sie beauftragt Parkettlegerin P, die €500 mehr verlangt.
Diesen Fall lösen 95,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Unzumutbarkeit ohne Abmahnung (§ 282 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem M den E belästigt und beleidigt hat, hat M ihre Schutzpflicht verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
Ja!
2. M hat die Schutzpflichtverletzung zu vertreten gehabt.
Genau, so ist das!
3. Da A die M nicht abgemahnt hat, war es ihr zumutbar, M weiterhin zu beschäftigen.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
nae3
20.8.2022, 08:49:36
Liebe den Sachverhalt

Nora Mommsen
21.8.2022, 17:38:56
Danke für das Lob nae3! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
22.2.2024, 22:56:55
Mir kam zunächst der
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritterin den Sinn. Das war wohl die völlig falsche Fährte. Dieser würde allenfalls dann relevant werden, wenn E (wohl aussichtslos)
Schadenersatz wegen der erlittenen seelischen Schänden fordern würde. Richtig?

geraumezeit
5.5.2025, 12:34:12
Woraus ergibt sich grundsätzlich die Voraussetzung der Abmahnung iRd Zumutbarkeit?
Dini2010
7.6.2025, 16:27:31
Letztlich ist es mE eine Wertungsfrage. Es wird ja abgewogen: Interessen des Gläubigers gegen die des
Schuldners. Nach den Umständen des Einzelfalls, wobei insbesondere auf Aspekte wie Ver
schuldensgrad, Schwere der Pflichtverletzung, Gefahr einer Wiederholung abzustellen ist. Ist nun die Pflichtverletzung so erheblich, dass bereits durch diese einmalige Verletzung eine "nachhaltige und unwiederbringliche Zerrüttung des Vertragsverhältnisses" eingetreten ist, bedarf es einer Abmahnung ausnahmsweise nicht. Kann man vielleicht ein bisschen mit der Abmahnung im Arbeitsrecht vergleichen, auch da bedarf es im Normalfall einer Abmahnung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Ist die Pflichtverletzung indes so erheblich und gravierend, dass keine weitere Zusammenarbeit mehr möglich ist, kann auch da in Ausnahmefällen eine
Abmahnung entbehrlichsein. Klare Kriterien, nach denen man sagen könnte "wenn dies, dann Abmahnung ja, wenn jenes, dann Abmahnung nein", gibt es mE nicht. Je schwerer die PV und je höher Ver
schuldensgrad und ggf. Wiederholungsgefahr, umso eher kommt man in den Bereich, dass auf eine Abmahnung verzichtet werden kann. Umgekehrt, je leichter PV und geringer der Ver
schuldensgrad, umso eher braucht es die Abmahnung.
Dini2010
7.6.2025, 16:51:00
Und falls ich Deine Frage falsch verstanden habe und sie darauf abzielte, wieso es überhaupt einer Abmahnung bedarf: meines Wissens dient es einer Art "zweiten Chance" für den
Schuldner, und um den eigentlich engen Anwendungsbereich des § 282 nicht "ausufern" und dem Gläubiger nicht bei weniger gravierenden PV bereits einen SEA zu gewähren. Weil es mich interessiert, grad nochmal recherchiert: Schön beschrieben wird es in Beck-online.Großkommentar § 282 Rn. 60-63: "Eine besondere Rolle spielt im Rahmen der Zumutbarkeit die Abmahnung des
Schuldners durch den Gläubiger. Diese ist zwar in § 282 - anders als in § 281 III - nicht explizit erwähnt, dürfte hier aber ihre wesentliche praktische Bedeutung haben. In vielen Fällen wird aus einer einmaligen (einfachen) Nebenpflichtverletzung noch keine Unzumutbarkeit der weiteren Entgegennahme der Leistung durch den Gläubiger folgen. Setzt der
Schuldner die Nebenpflichtverletzung jedoch trotz einer Abmahnung fort, so kann er gerade dadurch offenbaren, dass er generell nicht bereit ist, die Rechtsgüter, Rechte und Interessen des Gläubigers hinreichend zu schützen. Erst dann erhält das Verhalten des
Schuldners in der Gesamtschau ein hinreichendes Gewicht, um die weitere Entgegennahme der Leistung als unzumutbar erscheinen zu lassen. Im Ergebnis setzt daher das Erfordernis einer Abmahnung den gleichen Gedanken der „zweiten Chance“ des
Schuldners um wie das
Fristsetzungserfordernis in § 281 I. Der Abmahnung kommt insoweit eine Warnfunktion zu, d.h. dem
Schuldner sollen die Konsequenzen eines erneuten Pflichtverstoßes vor Augen geführt werden, um ihn in Zukunft zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten. Freilich ist eine Abmahnung weder stets erforderlich, um die Unzumutbarkeit zu begründen, noch reicht sie hierfür in jedem Fall aus. Zum einen sind besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen denkbar, die die weitere Entgegennahme der Leistung für den Gläubiger auch ohne eine Abmahnung unzumutbar machen. Zu denken ist hier insbesondere an gravierende Verletzungen der Leistungstreuepflicht wie die unberechtigte Vertragsaufsage oder das Stellen eines Eigeninsolvenzantrages. Hier ist die Warnfunktion der Abmahnung nicht nötig, weil der
Schuldner auch ohne einen solchen expliziten Hinweis wissen muss, dass sein Verhalten gravierende Konsequenzen für die Abwicklung des Vertrages haben wird. Gleiches gilt für Fälle, in denen der Vertrauensverlust beim Gläubiger bereits unumkehrbar eingetreten ist, ein zukünftiges Wohlverhalten des
Schuldners das Vertrauen also nicht wiederherstellen könnte; hier ist die Appellfunktion der Abmahnung wirkungslos. Keinesfalls muss der Gläubiger in einem solchen Fall dem
Schuldner in Gestalt der Abmahnung eine zweite Chance zum erneuten pflichtwidrigen Verhalten geben. Das dürfte vor allem bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen gelten. Zum anderen sind auch Pflichtverletzungen denkbar, die auch dann noch nicht zur Unzumutbarkeit der weiteren Vertragsdurchführung führen, wenn sie trotz einer Abmahnung fortgesetzt werden. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses nennt insoweit den Beispielsfall eines Malers, der entgegen einer Bitte des Auftraggebers in dessen Räumen Zigaretten raucht und das Rauchen trotz einer Abmahnung fortsetzt. Freilich kann auch dieses Beispiel nicht verallgemeinert werden, weil die im pflichtwidrigen Rauchen dokumentierte Missachtung der Interessen des Auftraggebers auch auf andere Bereiche übergreifen und darüber hinaus beleidigenden Charakter annehmen kann. Das ist aber eine Frage der umfassenden Abwägung im Einzelfall." Vielleicht hilft das?

Rahel
3.6.2025, 10:01:54
Hi ihr Lieben, ich fand den Fall super, aber die Zeichnung ist ein unrealistisches Stereotyp.