Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch und Fehlschlag

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch und Fehlschlag

19. Februar 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte die O töten, schießt auf sie und trifft sie in den Oberkörper. O taumelt und stürzt. Zur Überraschung der T steht O jedoch direkt wieder auf und läuft weg. Obwohl T geplant hatte, so oft wie möglich zu schießen, lässt sie O laufen und denkt, dass O wohl doch nicht lebensbedrohlich verletzt sei.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch und Fehlschlag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch ist nach h.M. fehlgeschlagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. T kann mit der Waffe nochmals auf O schießen und so innerhalb des gleichen Kausalverlaufs den Erfolg herbeiführen.
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2. Der Versuch ist nach der Einzelaktstheorie fehlgeschlagen.

Ja!

Nach der Einzelaktstheorie liegt ein fehlgeschlagener Versuch dann vor, wenn der Täter eine Maßnahme vorgenommen hat, die nach seiner Vorstellung ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen und dieser Einzelakt dann nicht in einen Erfolg mündet. Danach ist jede Handlung, die theoretisch zum Erfolg führen kann, eine eigene Tat. Dabei kommt es auch auf den ursprünglichen Tatplan nicht an. T hätte die O bereits durch den ersten Schuss töten können. Der erste Schuss stellt demnach bereits einen fehlgeschlagenen Versuch dar.

3. Der Versuch ist nach der Tatplantheorie fehlgeschlagen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der früheren Rechtsprechung soll ein fehlgeschlagener Versuch dann vorliegen, wenn der Täter zur Erfolgsherbeiführung eine Tathandlung vornehmen muss, die er ursprünglich nicht in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Es kommt dabei auf den Tatplan an. T hat geplant, mehrfach auf O zu schießen, wenn dies notwendig ist. Sie hat jedoch nur einmal geschossen und daher von ihrem Tatplan Abstand genommen.

4. Es liegt ein beendeter Versuch vor, als T die O trifft.

Ja, in der Tat!

Ein Versuch gilt dann als beendet, wenn der Täter glaubt, dass er alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Dabei reicht es aus, dass der Täter es für möglich hält, dass er alles Erforderliche getan hat, aber auch, wenn er sich keine Gedanken macht, aber die Möglichkeit sieht. Dabei ist auf die Vorstellung zum Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung abzustellen. Zum Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung nimmt T billigend in Kauf, dass O bereits tot war, da sie stürzte. T war auch verwundert, als O wieder aufstand.

5. Der Rücktrittshorizont der T hat sich korrigiert.

Ja!

Eine Korrektur des Rücktrittshorizontes ist dann möglich, wenn der Täter in nahem zeitlichen Zusammenhang erkennt, dass der Erfolg doch nicht ohne weitere Handlungen eintreten wird. In engstem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang ist auch eine umgekehrte Korrektur zum Nachteil des Täters möglich. Der Rücktrittshorizont hat sich korrigiert. Kurz nach Ts Vorstellung von der Tötung der O steht diese wieder auf. T ist der Ansicht, dass O nicht lebensbedrohlich verletzt sei. Daher liegt im Ergebnis ein unbeendeter Versuch vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LEKE

Leyla Keles

24.3.2022, 19:07:31

Hallo liebes Jurafuchs Team! Könntet Ihr vielleicht kurz den Unterschied zum vorherigen Fall bezüglich der

Korrektur des Rücktrittshorizonts

erläutern? Ich verstehe nicht, warum im vorherigen Fall keine Korrektur vorliegt. Danke!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.3.2022, 17:24:56

Hallo leybeykel, im vorherigen Fall lag eine zeitliche

Zäsur

zwischen dem Abschluss der Handlung und dem Erkennen, dass das Opfer doch nicht stirbt. Aus diesem Grund kommt hier eine Korrektur des

Rücktrittshorizont

es nicht in Betracht. Anders hier - hier hat T in engem zeitlichen Zusammenhang gemerkt, dass der Versuch doch noch nicht beendet ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FalkTG

FalkTG

27.9.2024, 20:12:35

Hallo, ich bin zunehmend verwirrt. Meines Wissens wird bei - Fehlschlag

Einzelakt

und Gesamtbetrachtung und bei - Beendet/Unbeendet auf Tatplan und Rücktritsshorizont abgestellt ( https://www.juraindividuell.de/artikel/der-ruecktritt-gem-24-stgb/ ) Hier nun Tatplan bei Fehlschlag...

Kai

Kai

29.11.2024, 20:24:25

@[FalkTG](241044) Ich war auch verwirrt. Ich glaube aber, es gibt sowohl beim Fehlschlag als auch bei Beendigung des Versuchs eine Theorie, die auf den Tatplan abstellt. Hins. des Fehlschlags findet man diese in älterer BGH-Rspr., etwa BGH NJW 1957, 595, 596. Hins. der Beendigung des Versuchs wird im Rahmen der

Tatplantheorie

darauf abgestellt, was der Täter sich zu Beginn der Tat als notwendig vorstellte, um zum Erfolg zu gelangen (vgl. BGH NJW 1960, 637 f.). Ich habe bei der kurzen Recherche aber auch sehr viel begriffliche Unklarheit gefunden. Diese Unklarheit ist auch unvermeidbar, denn auf beiden Ebenen stellt man im Endeffekt auf das Gleiche ab, nur eben mit anderen Rechtsfolgen bei Abweichen vom Tatplan. Das zeigt aber mE auch, dass das Kriterium für beide TBM nicht zielgerichtet genug ist, da der Täter ja immer im Hinterkopf haben könnte, dass der ursprüngliche Plan nicht funktioniert und dann je nach Weite der Gedanken, die er sich gemacht hat, eine Priviligierung stattfindet. Da ist die aktuelle hM deutlich näher an der tatsächlichen Realität im Kopf des Täters.


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