Tatbestandsausschließendes Einverständnis / Rechtfertigende Einwilligung


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Der vierjährige E ist schwer krank. Um sein Leben zu retten, ist eine sofortige Operation erforderlich. Seine Eltern lehnen die Operation aus finanziellen Gründen ab. Dennoch nimmt Arzt A die lebensrettende Operation vor, als E nach einem Atemstillstand in das Krankenhaus eingeliefert wird. Die Operation gelingt.

Einordnung des Falls

Tatbestandsausschließendes Einverständnis / Rechtfertigende Einwilligung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Arzt A hat nach der herrschenden Meinung (h.M.) den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt (§ 223 Abs. 1 StGB).

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Ja, in der Tat!

Ob ein ärztlicher Heileingriff den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt ist umstritten. Nach der früher herrschenden Literaturmeinung stellt jede zu Heilzwecken vorgenommene Behandlung, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist und deren Ausführung den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht, schon Tatbestandlich keine Körperverletzung dar. Die Rechtsprechung dagegen stellt auf den einzelnen ärztlichen Eingriff ab, ohne Rücksicht darauf ob die betreffende Maßnahme zu Heilzwecken angezeigt war und ob sie sachgerecht ausgeführt wurde.

2. A handelte gerechtfertigt durch eine tatsächliche Einwilligung.

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Nein!

Nach Ansicht des BGH muss der Einwilligende eine zutreffende Vorstellung vom voraussichtlichen Verlauf und deren Folgen des zu erwartenden Eingriffs haben. Da der vierjährige E nicht über die erforderlich Einsichtsfähigkeit verfügt, ist auf die Eltern als gesetzliche Vertreter (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB) abzustellen. Diese haben jedoch ihre Zustimmung ausdrücklich verweigert.

3. A handelt gerechtfertigt durch eine mutmaßliche Einwilligung.

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Genau, so ist das!

Grundsätzlich besteht Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung. Allerdings liegt hier eine gefährdende Ausübung der elterlichen Sorge vor (§ 1666 BGB), sodass die Versagung der Einwilligung der Eltern unbeachtlich ist. E wäre nämlich an seiner Erkrankung gestorben. Im Rahmen der mutmaßlichen Einwilligung findet entweder ein Handeln im Interesse des Betroffenen statt oder es liegt ein mangelndes Interesse des Rechtsgutsträgers vor. Arzt A handelt hier im Interesse des E, da E ansonsten gestorben wäre.

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