Ärztlicher Heileingriff - hypothetische Einwilligung

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

B begibt sich für eine Nasenkorrektur bei Arzt A in Behandlung. Die erforderliche Einwilligungserklärung für die Nasenkorrektur hat B unterschrieben. Während der Operation entdeckt A Nasenpolypen bei B, die seine Atmung beeinträchtigen. A entfernt diese in der Annahme, B würde dies begrüßen und eine weitere Operation vermeiden wollen, was zutrifft. Die Polypenentfernung war ungefährlich, wenn auch nicht zwingend notwendig, da keine Lebensgefahr bestand.

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Einordnung des Falls

Ärztlicher Heileingriff - hypothetische Einwilligung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A den B an der Nase operierte, hat er den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt.

Genau, so ist das!

Nach der Rspr. ist auch ein ärztlicher Heileingriff eine tatbestandsmäßige Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB), selbst wenn sie indiziert und fehlerfrei durchgeführt wird. Schönheitsoperationen sind keine Heileingriffe und somit in jedem Fall tatbestandsmäßig. Die Nasenkorrektur ist eine Schönheitsoperation. Möglich ist jedoch trotzdem eine rechtfertigende Einwilligung (§ 228 StGB).
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2. Die von A durchgeführte Nasenkorrektur erfolgte aufgrund der Einwilligungserklärung gerechtfertigt.

Ja, in der Tat!

Indem B die Einwilligungserklärung unterschrieb, hat er in die Operation und damit die Körperverletzung eingewilligt (§ 228 StGB). Willensmängel sind nicht ersichtlich, sodass die Einwilligung wirksam ist.

3. Die Einwilligungserklärung des B rechtfertigt auch die Entfernung der Nasenpolypen.

Nein!

B hat lediglich in eine Nasenkorrektur eingewilligt. Die weitergehende Polypenentfernung war davon nicht umfasst. Eine mutmaßliche Einwilligung liegt nicht vor, da die Polypen nicht lebensbedrohlich sind und somit die Möglichkeit bestand eine Einwilligung des B einzuholen. In Betracht kommt jedoch eine hypothetische Einwilligung, wenn davon auszugehen ist, dass der Patient bei pflichtgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte. B hätte einer Entfernung der Polypen bei pflichtgemäßer Aufklärung zugestimmt, da sie seine Atmung beeinträchtigten und er eine weitere Operation vermeiden wollte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Felix_99

Felix_99

19.10.2023, 23:19:28

Aussage stimmt doch, wenn ein hypothetischer Wille vorlag.

LELEE

Leo Lee

21.10.2023, 17:12:50

Hallo Levi_Ackermann, i.E. könnte die Tat gerechtfertigt sein durch den hyp. Willen. Beachte allerdings, dass die Aufgabe danach fragt, ob die Tat gerechtfertigt ist durch die EINWILLUNGSERKLÄRUNG (also durch die RF-Einwilligung)! Und da dies nicht der Fall ist, ist die Aussage als „falsch“ einzustufen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

DAN

Daniel

15.2.2024, 15:07:18

... dies würde ich noch ergänzen :)

EV

eviiimaria

12.10.2024, 11:13:27

Das ist aber strittig, vor allem weil es in dem Paragraphen um zivilrechtliche Beweisladtfragen geht

BLU

blu

28.5.2024, 17:30:27

also ich habe bei meinem Prof gelernt, dass der ärztliche eingriff eben nicht den Tb einer körperverletzung erfülle nach h.L. Das steht auch so in seinem Skript

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.5.2024, 20:03:13

Hi blu, unsere Fälle folgen - sofern nicht anders gekennzeichnet - im Grundsatz der Rechtsprechung des BGH. Nach der st. Rspr. des BGH erfüllt auch der ärztliche Heileingriff den Tatbestand der Körperverletzung, auch wenn er natürlich gerechtfertigt ist. Du - und Dein Professor - haben aber trotzdem Recht, dass ein bedeutender Teil der Literatur sich dafür ausspricht, bereits den Tatbestand zu verneinen. Letztlich handelt es sich primär um eine dogmatische Streitigkeit, die auf das Ergebnis keinen Einfluss hat. Um klarzustellen, dass das nicht ganz unumstritten ist, stellen wir nun explizit auf die Rechtsprechung ab. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BLU

blu

5.6.2024, 22:27:21

Vielen Dank 😊

in persona

in persona

9.8.2024, 23:01:37

Hallo zusammen:) ich dachte immer die hypothetische Einwilligung findet nach h.M nur bei schweren Körperverletzungen/Lebensgefahr Anwendung,wenn es also nicht zumutbar ist den Betreffenden zu fragen.Ansonsten könnten relativ einfach Aufklärungspflichten des Arztes umgangen werden.Verwechsle ich da irgendetwas?

TI

Timurso

10.8.2024, 17:26:41

Ja, das verwechselst du wohl mit der mutmaßlichen Einwilligung. Diese ist sehr regelmäßig nicht einschlägig, wenn keine Lebensgefahr vorliegt, da dann abgewartet werden kann, um den Patienten entscheiden zu lassen. Die hypothetische Einwilligung funktioniert jedoch nach anderen Maßstäben.


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