Abgrenzung Erfüllbarkeit und Fälligkeit II

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Pechvogel P braucht dringend Geld für ihre Ausbildung. Auf Ps drängende Bitte gewährt die schwäbische Hausfrau H ihr ein Darlehen (§ 488 Abs. 1 BGB) über €8.000. Sie vereinbaren, dass P hierfür 2% Zinsen zahlen und das Darlehen ein Jahr später zurückzahlen soll.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung Erfüllbarkeit und Fälligkeit II

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P ist verpflichtet, das Geld zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 S.2 BGB).

Genau, so ist das!

Bei einem Darlehensvertrag ist der Darlehensgeber verpflichtet, den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen (§ 488 Abs. 1 S.1 BGB). Der Darlehensnehmer ist verpflichtet das Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen und - sofern vereinbart - Zinsen zu zahlen (§ 488 Abs. 1 S.2 BGB). Zwischen P und H besteht ein Darlehensvertrag. Somit ist P verpflichtet das Darlehen bei Fälligkeit zurückzahlen.
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2. H kann von P sofort die Rückzahlung des Darlehens verlangen (§ 271 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Pflicht das Geld zurückzuzahlen, besteht erst bei Fälligkeit des Darlehens. Fällig ist eine Forderung, wenn der Gläubiger die geschuldete Leistung verlangen kann. Die Fälligkeit ergibt sich aus der Parteivereinbarung oder den Umständen. Kann danach eine Leistungszeit nicht bestimmt werden und finden auch keine gesetzlichen Fälligkeitsregelungen (zB § 475 Abs. 1 BGB; 556b Abs. 1 BGB; § 614 BGB) Anwendung, so ist die Leistung sofort fällig (§ 271 Abs. 1 Alt. 1 BGB). H und P haben vereinbart, dass erst P das Geld erst nach einem Jahr zurückzahlen muss. Somit kann H erst zu diesem Zeitpunkt die Rückzahlung verlangen.

3. Die Fälligkeit einer Forderung ist zu unterscheiden von der Erfüllbarkeit der Forderung.

Ja!

Zwar beschreiben beide Begriffe die Zeit für eine Leistungshandlung, allerdings aus verschiedenen Perspektiven. Fälligkeit beschreibt aus Sicht des Gläubigers, wann er die Leistung vom Schuldner fordern darf (spätester Leistungszeitpunkt). Dagegen beschreibt der Begriff der „Erfüllbarkeit“ aus Sicht des Schuldners, ab wann er berechtigt ist, die Leistung zu erbringen (frühester Leistungszeitpunkt). Die Zeitpunkte können identisch sind, müssen es aber nicht.

4. P kann das Darlehen sofort zurückzahlen (§ 271 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Erfüllbarkeit richtet sich nach der Parteivereinbarung oder den Umständen. Kann danach eine Leistungszeit nicht bestimmt werden, so kann der Schuldner die Leistung sofort bewirken (§ 271 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Auch bei vereinbarter Leistungszeit gilt im Zweifel, dass der Schuldner die Leistung sofort bewirken kann (§ 271 Abs. 2 BGB). H und P haben hinsichtlich der Erfüllbarkeit keine ausdrückliche Regelung getroffen. Durch die vorzeitige Rückzahlung würde H aber einen Teil der Zinsen verlieren. Die Vereinbarung ist insofern dahingehend auszulegen, dass P das Darlehen erst nach Ablauf des Jahres zurückzahlen darf.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vladimir Miller

Vladimir Miller

17.1.2022, 15:25:27

Könnte P die Summe plus die über das Jahr angefallenen Zinsen nicht vorzeitig zahlen und damit erfüllen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.1.2022, 16:59:54

Hallo Vladimir, dies dürfte regelmäßig möglich sein, sofern neben den Zinsen ersichtlich kein weitergehendes Interesse der H daran besteht, ihr Darlehen+Zinsen nicht vorzeitig zu erhalten (zB, wenn sie dann zuviel

Geld

auf dem Girokonto hätte und Strafzinsen zahlen müsste). Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

Juraganter

Juraganter

28.8.2024, 23:18:05

Also da finde ich die Fragestellung etwas irritierend, ich hing nämlich davon aus, dass mit „vorzeitiger Rückzahlung“ das Darlehen + Zinsen gemeint sei. Und nicht lediglich das Darlehen ohne vereinbarte Zinsen …

Johannes Nebe

Johannes Nebe

6.9.2024, 08:31:15

Ich finde es auch noch nicht ausgemacht, dass P nicht zurückzahlen darf. Man könnte genauso gut sagen, sie darf, und anschließend die Frage der Vorfälligkeitsentschädigung ansprechen. -- Und noch ein Kommentar zur Sprachhygiene: Es heißt dringende, nicht drängende Bitte. Klar gibt es sprachliche Freiheiten, man kann ja mal was Neues erfinden. Es gibt aber auch Sprachunsicherheit, und in diese Kategorie fällt "drängend" eher.

Kai

Kai

2.1.2024, 14:39:32

Zinsen stellen ja immer einen Ausgleich für das Zhlungsusfallrisiko dar, dass der Darlehensgeber zu tragen hat. Daher wäre es mE wohl auch gut vertretbar, sofortige Erfüllbarkeit auch bei geringerer Zinszahlung anzunehmen. Die H hat ihr

Geld

zurück und kein Ausfallrisiko mehr. Diesen Umstand kann man der im Ganzen geringeren Zahlung dirch weniger Zinsen durchaus entgegenhalten.

Dogu

Dogu

17.1.2024, 17:38:02

Das stimmt so nicht. Zinsen enthalten natürlich auch regelmäßig ein Gewinnelement. Banken geht es ja nicht darum, nur einen Verlust zu vermeiden. Die Darlehensgeberin würde hier auch ihren Gewinn verlieren.

BABA

babakd

17.8.2024, 12:40:10

Wenn die Parteien vereinbart haben, dass die Darlehensnehmerin auf die 8.000 Euro 2 Prozent Zinsen zahlen soll, so muss sie sowohl bei sofortiger Rückzahlung als auch bei der Rückzahlung nach einem Jahr 160 Euro Zinsen zahlen. Oder habe ich etwas übersehen?


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