Teilleistung

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Verkäuferin V und Heimwerkerkönigin K vereinbaren die Lieferung von 100 Holzbalken für Ks Gartenhäuschen. Da Heimwerken aber seit dem Start der Corona-Pandemie sehr in Mode gekommen ist, kann V nur 60 Balken auftreiben. Eine Teillieferung ist für Ks Bauprojekt nutzlos, weswegen sie diese ablehnt.

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Einordnung des Falls

Teilleistung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat K einen Anspruch darauf, dass V ihr die 100 Holzbalken übergibt und übereignet?

Genau, so ist das!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). K und V haben einen Kaufvertrag über 100 Holzbalken abgeschlossen. V ist somit verpflichtet, K 100 Balken zu übergeben und zu übereignen.
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2. Darf V an K zunächst nur 60 Balken liefern?

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich ist der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt (§ 266 BGB), sofern die Parteien dies nicht vereinbart haben (zB Ratenzahlung, Sukzessivlieferung) oder dies durch Gesetz gestattet ist (zB § 497 Abs. 3 S. 2 BGB, § 757 Abs. 1 ZPO).Da K und V nichts abweichendes vereinbart haben, war V nicht berechtigt, lediglich 60 Balken zu liefern. Umgekehrt ist K auch nicht verpflichtet die Leistung anzunehmen.

3. Ist Ks Anspruch auf Übergabe und Übereignung im Hinblick auf die gelieferten 60 Balken erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB)?

Nein!

Der Anspruch des Gläubigers erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§ 362 Abs. 1 BGB).V hat die geschuldete Leistung (Lieferung von 100 Balken) nicht erbracht. Da K nicht verpflichtet war, die Teilleistung anzunehmen, ist ihr vertraglicher Anspruch nicht einmal teilweise erloschen und sie kann weiterhin die Lieferung von 100 Balken verlangen. Die Teilleistung ist auch für den Annahmeverzug (§ 293 ff. BGB) relevant. Ist die Teilleistung unzulässig, so gerät der Gläubiger durch seine Ablehnung nicht in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FEL

felixspitz

8.6.2023, 18:13:53

In der Fallfrage von gelieferten Balken zu sprechen macht vor dem Hintergrund der Sachverhaltsschilderung (es wurden überhaupt keine Balken geliefert) doch irgendwie keinen Sinn oder übersehe ich etwas?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.6.2023, 18:38:39

Hi Felix, hier musst Du mir vielleicht etwas auf die Sprünge helfen. Bei Jurafuchs bilden Sachverhalt und Illustration eine Einheit. Jedenfalls in dieser Gesamtschau dürfte deutlich werden, dass V hier durchaus geliefert hat, allerdings nur 60 Balken. Da K damit nichts anfangen kann, darf sie diese Teillieferung ablehnen und behält dabei weiterhin ihren Anspruch auf volle Lieferung :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MEEN

meentangled

11.9.2023, 12:34:58

Hallo, eine Frage hierzu: wenn V die Balken nicht auftreiben kann, erlischt dann der Anspruch auf die übrigen 40 Balken nicht wegen Unmöglichkeit? Klar, hier kann K mit den 60 Balken nichts anfangen, und ich glaube dass die Leistung dann nicht teilbar ist, sodass im Ergebnis vollständige Unmöglichkeit angenommen wird, aber müsste man das mit dem möglicherweise teilweise erloschenen Anspruch nicht hier trotzdem prüfen? Oder kommt das an anderer Stelle? Dankeschön!

QUIG

QuiGonTim

5.11.2023, 21:26:25

Der Anspruch erlischt grundsätzlich nicht teilweise. K hat einen Anspruch auf Lieferung und

Übereignung

von 100 Balken. Das ist die zu bewirkende Leistung. Wenn es V unmöglich ist, 100 Balken zu liefern, ist die Leistung im Sinne von § 275 BGB unmöglich. Ob V trotzdem 60, 90 oder 99 Balken liefern und übereignen kann, spielt dann (grundsätzlich) keine Rolle.

MEEN

meentangled

7.11.2023, 18:02:52

Nach § 275 I ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, "soweit diese unmöglich ist". Der Anspruch besteht zunächt auf L + Ü der 100 Balken, und weil K mit den 60 nichts anfangen kann, ist die Leistung nicht teilbar, sodass die Teilunmöglichkeit in diesem konktreten Fall zur Vollunmöglichkeit führt. Aber ich fände es wichtig, dass in einer Klausur zumindest kurz zu prüfen, weil ein Anspruch sehr wohl teilweise erlöschen kann.

BADRE

Bad Reputation

25.2.2024, 01:23:00

Kann die Lieferung einer zu geringen Stückzahl nicht auch einen Sachmangel nach § 434 II 1 Nr. 1 darstellen? Zur

Beschaffenheit

gehört demnach unter anderem die richtige Menge. Kann jemand erklären, wo da jetzt die Grenze zur Nichtleistung bzw Nichterfüllung liegt?

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 13:19:09

Hallo Bad Reputation, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat kann auch in der Zuwenig-Lieferung ein Sachmangel zu sehen sein. Dies bestimmt sich danach, ob derjenige, der liefert, aus Sicht des Empfängers „verdeckt“ zuwenig liefert und dabei meint, „voll“ zu erfüllen (dann

Mankolieferung

--> 434 II Nr. 1) oder von vornherein offen zu wenig liefert und nur einen Teil anbietet, liegt eine Teilleistung (grds. unzulässig) vor. Somit liegt die Grenze darin, ob der Schuldner offen zu wenig bietet oder verdeckt (heimlich) zu wenig liefert + meint, seine Verpflichtung erfüllt zu haben. Hierzu kann ich die folgende sehr gute Aufgabe (https://applink.jurafuchs.de/ysotYfWevHb) und die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Westermann § 434 Rn. 47 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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