Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Rechtfertigungsgründe
Gegenwärtigkeit der Gefahr: Umstritten ist jedoch, ob dabei auf die Sicht eines objektiven Betrachters oder aber auf tatsächliche Umstände abzustellen ist.
Gegenwärtigkeit der Gefahr: Umstritten ist jedoch, ob dabei auf die Sicht eines objektiven Betrachters oder aber auf tatsächliche Umstände abzustellen ist.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die B ext auf der Wiesn fünf Biermaß. Nun öffnet B das Auto und steckt den Schlüssel in die Zündung. B's Cousine C beobachtet sie den ganzen Abend. Damit B nicht mit dem Auto fährt, zieht C den Schlüssel und steckt ihn ein. Dabei wollte B nur ihren Rausch im warmen Auto ausschlafen.
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Einordnung des Falls
Gegenwärtigkeit der Gefahr: Umstritten ist jedoch, ob dabei auf die Sicht eines objektiven Betrachters oder aber auf tatsächliche Umstände abzustellen ist.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) entfällt das Unrecht der Tat und der Täter bleibt straffrei.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) befasst sich ausschließlich mit dem Schutz von Allgemeingütern.
Nein!
3. Die Beurteilung einer Gefahr richtet sich unstreitig nach den tatsächlichen Umständen im Zeitpunkt der Notstandshandlung.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Für die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr kommt es nach der h.M. auf die ex-ante-Beurteilung eines sachkundigen objektiven Beobachters an.
Ja, in der Tat!
5. B's Ehemann ist durch einen alkoholisierten Autofahrer verunglückt. Daher fährt B nie betrunken. Dies ist C bekannt. Das Sonderwissen der C ist nach h.M. unbeachtlich.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
20.12.2020, 16:53:27
Das finde ich wenig überzeugend. Denn eine Auswirkung von Alkohol ist schließlich, dass der Betrunkene nicht mehr vollständig rational denkt und daran sein Handeln ausrichtet. Andernfalls würde es ja an der Grundlage für die Annahme der verminderten Schuldfähigkeit nach Alkoholkonsum fehlen.
Lukas_Mengestu
17.5.2021, 16:58:30
Hallo Isabell, dein Störgefühl lässt sich nach mE nach sehr gut hören. Allerdings kann ich mir ebenso gut vorstellen, dass bei einer derart einschneidenden Erfahrung, wie dem Verlust des eigenen Ehepartners durch einen Unfall, eingeübte Handlungsmuster - wie das Stehenlassen des eigenen Wagens bei Trunkenheit - auch im Zustand der Volltrunkenheit unbewusst noch aufrechterhalten werden. Hier fehlt mir indes die notwendige psychologische Expertise, um das abschließend beurteilen zu können. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Isabell
17.5.2021, 17:04:52
Und plötzlich macht die "Entscheidung im
Einzelfall" so viel Sinn. Auch wenn man es im Studium meist total unbefriedigend empfunden hat, wenn es darauf hinaus lief 😁
JLW
17.5.2021, 09:40:36
Zählt zu diesem Sonderwissen dann auch die Tatsache, dass B nur im warmen Auto schlafen wollte ?
Lukas_Mengestu
17.5.2021, 16:51:06
Hallo JLW, zu dem Sonderwissen zählen nur Umstände, von denen der Täter tatsächlich Kenntnis hat. Den Grund, warum B sich ins Auto begibt, kennt C aber gerade nicht. Sie weiß lediglich, dass B das Auto aufgrund ihrer traumatischen Erfahrung auf keinen Fall bewegen wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ri
27.7.2021, 21:59:22
Kann mir jemand nochmal den Unterschied zwischen Unrecht und Unwert erklären?
Tigerwitsch
27.7.2021, 23:42:53
Das „Unrecht“ meint die tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung selbst. Der Begriff fasst die drei Verbrechenskategorien (Handlung – Tatbestandsmäßigkeit – Rechtswidrigkeit) zusammen. Schuldhaftes Verhalten ist nicht erforderlich. Der Unwert wird in sog. Handlungs- und Erfolgsunwert aufgeteilt. Handlungsunwert = Unwert der verbotenen Handlung. Das Verhalten kann entweder vorsätzlich oder fahrlässig erfolgen. Vorsätzliches Verhalten lässt sich nochmals in Absicht, direkten
Vorsatzund bedingten
Vorsatzunterteilen. Ferner kann ein Verhalten leicht oder grob fahrlässig sein. Erfolgsunwert = die Handlung des Täters hat Folgen, die diesem zurechenbar sind. Darunter fallen sowohl eine konkrete Gefahr als auch ein Verletzungserfolg. Beispiel 1: Autofahrer A fährt zu schnell an einer unübersichtlichen Stelle; ihm kommt ein anderes Auto entgegen und kracht auf A. Beide werden verletzt. -> Handlungsunwert (+), da vorsätzliche Handlung des A. -> Erfolgsunwert (+), da konkrete Gefahr und sogar Verletzungserfolg. Beispiel 2: A schießt im Wald auf einem frequentierten Weg herum. Verletzt wird niemand. A ist allein. -> Handlungsunwert (+), da zumindest (grob) fahrlässiges Handeln des A. -> Erfolgsunwert (-), da A allein ist und keine Gefahr/Verletzungserfolg bestand.
QuiGonTim
22.3.2022, 13:49:22
@[Tigerwitsch](2840) Danke, für die tolle Zusammenfassung. :)
F. Rosenberg 🦅
14.10.2024, 11:21:33
Ich will keine Verwirrung stiften, allerdings ist in meinen Rep-Unterlagen die Rede von Erfolgsunrecht bzw. Handlungsunrecht. Manche Literaten sprechen anscheinend von Erfolgsunwert/Handlungsunwert, andere wiederum von Erfolgsunrecht/Handlungsunrecht. Gemeint ist das gleiche.
Constanze.Jauch
21.2.2023, 11:46:20
Hallo liebes Jura-Fuchs-Team, da das Sonderwissen nach h.M. beachtlich ist führt es dazu, dass auch wenn C dieses Wissen hat (B fährt immer betrunken Auto) und sie nicht einschreitet und B dann einen Unfall baut, ich auch die Strafbarkeit der C dann prüfen muss? Z.B. nach § 222 StGB? Liebe Grüsse
Nora Mommsen
21.2.2023, 15:50:32
Hallo Constanze.Jauch, danke für deine Frage. In dem Fall ist eine Schwierigkeit das Unterlassen von der Fahrlässigkeit abzugrenzen. In dem von dir beschriebenen Fall würde ich den Schwerpunkt der
Vorwerfbarkeitim Unterlassen sehen, sodass lediglich eine Unterlassensstrafbarkeit in Betracht kommt. Diese setzt aber neben dem Unterlassen und der Möglichkeit der Vornahme der Handlung auch eine
Garantenstellungvoraus. Allein die Ehegattenstellung macht noch keinen Überwachergaranten aus. Ehegatten können zwar untereinander ähnliche Schutz- und Fürsorgepflichten wie gegenüber Kindern, allerdings nicht zum Schutz Dritter wenn der Ehepartner voll schuldfähig ist. Daher scheidet eine Strafbarkeit meines Erachtens für die Ehefrau aus. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Skywalker
6.2.2024, 18:13:34
Laut Rengier Strafrecht AT 14. Auflage soll nach der h.M. der Betrachter neben dem Sonderwissen des potenziellen Täters außerdem Kenntnis über die objektiven Umstände haben. Dies würde zwar mE nach im vorliegen Fall nichts ändern, weil die Absichten der Betrunkenen keine objektiven Umstände darstellen, allerdings ist insofern eure Definition nicht vollständig und leider auch irreführend. Die hM (laut Rengier) objektiviert nämlich gerade die Prüfung der Gefahrenlage während der Fall hier im Gesamtbild (konkret auch in der Argumentation für die Beurteilung) für eine weniger objektive Betrachtung spricht. Wenn ich die von Rengier benannte h.M. richtig verstehe und es auch die h.M. ist, würden sich lediglich unterschiede zur ex-post Betrachtung im Rahmen einer Prüfung bzgl. einer Notwehrlage ergeben, wenn wie hier subjektive Umstände die Gefahrenlage ausschließen. Würde beispielsweise die Polizei weniger Meter weiter bereitstehen (objektiver Umstand), um die Betrunkene aufzuhalten wäre eine Gefahrenlage von vorn herein zu verneinen.