Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Computerbetrug (§ 263a StGB)

Missbräuchlicher Einsatz von Tankkarte mit monatlicher Abrechnung

Missbräuchlicher Einsatz von Tankkarte mit monatlicher Abrechnung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

L ist Inhaber einer Tankkarte, mit der er an den Selbstbedienungs (SB)-Zapfsäulen des T nach Eingabe der PIN tanken kann. A stiehlt Ls Tankkarte und PIN. A nutzt die Tankkarte und betankt für € 300 sein eigenes Auto. L erhält am Monatsende eine Rechnung i.H. der € 300.

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Einordnung des Falls

Missbräuchlicher Einsatz von Tankkarte mit monatlicher Abrechnung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat A Daten nach der betrugsspezifischen Auslegung unbefugt verwendet (§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB)?

Genau, so ist das!

Die Rechtsprechung legt den Begriff unbefugt betrugsspezifisch aus. Demnach ist die Verwendung von Daten nur dann unbefugt, wenn das Verhalten gegenüber einem Menschen anstelle des Computers Täuschungscharakter hätte. Dabei prüft der fiktive Mensch lediglich das, was der Computer ebenfalls prüft.Ein fiktiver Tankwart anstelle des Automaten würde prüfen, ob die Karte und die PIN korrekt sind, was der Fall war. Darüber hinaus liegt bei einer normativen Auslegung in der Verwendung der Tankkarte auch die konkludente Erklärung, die Karte mit dem Willen des Berechtigten erlangt zu haben. Hier hat A die Karte hingegen gestohlen und damit ohne Ls Willen erlangt.
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2. A hat auch das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst.

Ja, in der Tat!

Eine Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorgangs liegt vor, wenn die Tathandlung mitursächlich für das Ergebnis ist. Dies ist der Fall, wenn der Datenverarbeitungsvorgang ohne die Tathandlung einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Zudem muss das beeinflusste Ergebnis Vermögensrelevanz haben, d.h. eine unmittelbare Vermögensminderung eintreten.Hätte A die Karte und die PIN nicht eingesetzt, hätte der Tankautomat As Zapfsäule nicht freigegeben und A hätte nicht tanken können. Die Freigabe des Kraftstoffs durch den Tankautomaten führt auch zu einer unmittelbaren Vermögensminderung bei T.

3. L ist als Inhaber der Karte dadurch unmittelbar ein Vermögensschaden i.H.v. € 300 entstanden.

Nein!

Wie beim Betrugstatbestand (§ 263 StGB) muss auch beim Computerbetrug (§ 263a StGB) die Vermögensminderung unmittelbar zu einem Vermögensschaden beim Opfer führen.Der Einsatz der Tankkarte führt unmittelbar nur dazu, dass T As Zapfsäule freischaltet und ihm so die Möglichkeit zur Entnahme von Treibstoff gibt. Bei L kommt es hingegen durch den bloßen Einsatz der Tankkarte noch nicht zu einer Vermögensverfügung. Diese erfolgt frühestensmit der Rechnungstellung durch T und erfordert daher weiterer Zwischenschritte.Denk bei Betrugskonstellationen immer daran, dass Verfügender und Geschädigter auseinanderfallen können!

4. Hat T einen Anspruch i.H.v. € 300 aus einem Kaufvertrag (§ 433 Abs. 2 BGB) über den Treibstoff gegen L?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vertrag zwischen zwei Parteien setzt zwei korrespondierende Willenserklärungen voraus. Eine Partei muss ihre Willenserklärung dabei nicht selbst abgeben, sondern sie kann sich durch einen Dritten vertreten lassen (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).Hier könnte A den L wirksam vertreten haben. Dies setzt indes voraus, dass L Vertretungsmacht hatte. Eine solche könnte lediglich in Form der Anscheinsvollmacht vorliegen. Dies setzt voraus, dass L von dem Verhalten des A Kenntnis hätte haben können und nicht dagegen eingeschritten ist. Jedenfalls bei der erstmaligen Verwendung der Karte dürfte dies zu verneinen sein.

5. T ist daher ein Vermögensschaden entstanden.

Ja, in der Tat!

Ein Vermögensschaden liegt immer dann vor, wenn der Vermögensminderung des Opfers kein mindestens gleichwertiger Gegenanspruch gegenübersteht. Schadensersatzansprüche des Opfers gegen den Täter sind dabei nicht zu berücksichtigen. Nach der h.M. reicht auch eine konkrete Vermögensgefährdung aus, um einen Vermögensschaden anzunehmen.Hier steht T gerade kein Anspruch gegen L auf Bezahlung der € 300 zu. Ihm stand daher gerade kein gleichwertiger Ausgleichsanspruch gegen L zu. Der Anspruch von T gegen A aus § 179 BGB ist als Ersatzanspruch nicht zu berücksichtigen. Jedenfalls ist dessen Durchsetzung zum Zeitpunkt des Tankvorgangs gefährdet.

6. A handelte mit der Absicht stoffgleicher Bereicherung.

Ja!

Wie § 263 StGB ist § 263a StGB kein reines Fremdschädigungsdelikt. Vielmehr setzt auch § 263a Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen handelt. Dabei reicht nicht jeder Vermögensvorteil, sondern lediglich ein stoffgleicher Vermögensvorteil, d.h. die beabsichtigte Bereicherung muss auf derselben Vermögensverfügung beruhen wie der Vermögensschaden.Die Bereicherung des A durch das Tanken beruht gerade auf der Freigabe der Zapfsäule durch T. Es liegt damit Stoffgleichheit zwischen Vermögensschaden und dem von A angestrebten Vermögensvorteil. Im Übrigen handelte A vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Er hat sich somit des Computerbetruges gegenüber und zulasten des T nach § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ahimes

ahimes

25.7.2023, 14:55:28

Hallo, ich bin bezüglich des obj. TB und der Bejahung von var.3 des 263a StGB etwas verwirrt. Hier wurde angenommen, dass A nach der betrugsäquivalenten Auslegung unbefugt Daten verwendet hat. Aber die Erklärung dazu passt absolut nicht m.M. pin und Karte waren offensichtlich korrekt, und wenn wir uns statt sen SB-automaten einen Menschen vorstellen, liegt nach alle dem, was ich auch zuvor gelesen habe, keine 'Täuschung' i.s.v 263a Abs.1 Alt. 3. Wenn überhaupt nach der subj. Auslegung, die ja aber eher abzulehnen ist. Hab ich da jetzt was falsch verstanden?

LELEE

Leo Lee

5.8.2023, 11:29:17

Hallo ahimes, in der Tat könnte man auf den ersten Blick davon ausgehen, dass ein gedachter Mensch nur die "Korrektheit" der PIN prüft. Beachte jedoch, dass nach der sog. betrugsspezifischen Auslegung (h.M.) der Täter dann unbefugt handelt, wenn er dem hypothetischen Menschen zumindest konkludent die Befugnis zur Verwendung der Daten vorspiegelt. Hier müsste der A - da er nicht der rechtmäßige Inhaber ist sondern die Karte durch verbotenen Eigenmacht (§ 858 I BGB) erlangt - also dem gedachten Menschen seine Befugnis (Erlaubnis der Kartennutzung) vorspiegeln, weshalb er nach der h.M. "unbefugt" handelt. Hierzu kann ich die Lektüre von Rengier Strafrecht-BT, 24. Auflage, § 14 Rn. 19 und 27 ff. und Lackner/Kühl/Heger Strafrecht, 30. Auflage, § 263 Rn. 13a empfehlen :) Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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