HiV-Infektion – eigenverantwortliche Selbstschädigung


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 17-jährige O weiß von der HIV-Infektion ihres Freundes T und von der Ansteckungsmöglichkeit bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Dennoch besteht sie auf ungeschütztem Verkehr. Nach kurzer Zeit wird auch bei O der Aids-Erreger festgestellt.

Einordnung des Falls

HiV-Infektion – eigenverantwortliche Selbstschädigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Infizierung mit HIV ist eine Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB).

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Ja!

Richtig! Im Strafgesetzbuch steht: "Wer einen anderen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft" (§ 223 Abs. 1 StGB). Unter Gesundheitsschädigung versteht man das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen, das heißt eines nachteilig von den normalen körperlichen Funktionen abweichenden Zustandes körperlicher oder seelischer Art. Durch die Infizierung mit HIV wird – selbst wenn Aids noch nicht ausgebrochen ist – eine negative Abweichung vom körperlichen Normalzustand bewirkt.

2. T hat sich strafbar gemacht wegen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB), indem er O beim Geschlechtsverkehr mit HIV infiziert hat.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Ein strafrechtlicher "Erfolg" (hier: Körperverletzung in Form der HIV-Infektion) ist dem Täter nur zurechenbar, wenn er (1) eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die (2) sich im Erfolg realisiert hat. Das Kriterium der objektiven Zurechnung soll eine Strafbarkeit verhindern, wo der Täter nicht entscheidend verantwortlich war für den Erfolg. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in der vorliegenden Konstellation wie folgt geurteilt: Im Körperverletzungserfolg habe sich allein das von der O bewusst eingegangene Risiko verwirklicht (eigenverantwortliche Selbstgefährdung). T habe die Selbstgefährdung lediglich ermöglicht. T ist straffrei. Für die Praxis gilt: Wird in der Partnerschaft einvernehmlich auf Kondome verzichtet, bietet es sich ggf. an, die Vereinbarung vor Zeugen zu treffen oder zu dokumentieren.

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