Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Der Verwaltungsakt
Raumverweis: Lehrer als "Behörde" (§ 35 S. 1 VwVfG)
Raumverweis: Lehrer als "Behörde" (§ 35 S. 1 VwVfG)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Öffentliche Schule in Niedersachsen. Schülerin S schwatzt mit ihrer Nachbarin. Die verbeamtete Lehrerin L schickt sie deshalb vor die Tür und gibt ihr auf, sich ruhig zu verhalten.
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Einordnung des Falls
Raumverweis: Lehrer als "Behörde" (§ 35 S. 1 VwVfG)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Raumverweis ist eine "hoheitliche Maßnahme" (§ 35 S. 1 VwVfG).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Raumverweis ist die Maßnahme "einer Behörde" (§ 35 S. 1 VwVfG).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Hfmeister
24.11.2020, 12:39:42
Wie sähe der Fall aus, wenn jetzt beispielsweise eine im schulischen Angestelltenverhältnis stehende Lehrerin einen solchen Raumverweis ausstellen würde? Wäre diese dann „Beliehene“ und könnte auf diesem Wege
hoheitliche Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung auf dem Gebiet der schulischen Bildung vornehmen?
Eigentum verpflichtet 🏔️
24.11.2020, 17:19:42
Hallo Hfmeister, danke für die Frage. Eine Beleihung liegt nur vor, wenn private (natürliche oder juristische) Personen mit der Ausführung
hoheitlicher Aufgaben im eigenen Namen durch oder aufgrund eines Gesetzes betraut werden. Dies ist beispielsweise bei TÜV, DEKRA usw. der Fall die HU und AU bei PKW durchführen. Im Ergebnis gibt es keinen Unterschied, ob die Lehrerin hier verbeamtet oder angestellt ist, die Maßnahme bleibt eine Maßnahme der Schule (als
BehördeiSd. § 35 VwVfG). vgl. dazu Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, 9. A, § 35 Rn. 55. LG ;)
Hfmeister
24.11.2020, 20:34:47
Verstehe! Vielen Dank für die aufschlussreiche und umfassend begründete Antwort! LG :)
ri
14.7.2021, 20:04:27
Müssen alle Vss. des 35 I VwVfG wirklich kumulativ vorliegen oder muss nicht eher eine gewisse Schwelle überschritten werden, welche die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens rechtfertigt.
Wendelin Neubert
14.7.2021, 23:43:00
Hallo ri, danke für deine Frage. Für die Annahme eines Verwaltungsakts müssen alle Voraussetzungen des
35 S. 1 VwVfGkumulativ vorliegen. Denn nur wenn eine eindeutige Zuordnung erfolgt, ob ein Verwaltungsakt vorliegt oder nicht, können die Anforderungen und Rechtsfolgen greifen, die das Gesetz an das Vorliegen eines Verwaltungsakts knüpft (z.B. Bekanntgabe, Bestandskraft, statthafte Rechtsschutzart, Klagefrist, etc.). Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
Eichhörnchen I
19.5.2022, 15:05:31
Danach kommen also Privatschulen als Beliehene in Betracht?
Nora Mommsen
2.6.2022, 14:12:41
Hallo Eichhörnchen I, genauso ist es. Bei Privatschulen kann es sich grundsätzlich um Beliehene handeln, allerdings ist hier genau zu differenzieren. Unter anderem muss unterschieden werden, ob an der Schule ein Schulabschluss verliehen werden kann (als öffentlicher Akt) oder die Abschlussprüfungen dann an einer anderen Schule absolviert werden müssen. Demnach lässt sich eine pauschale Antwort dazu - wie so oft - nicht treffen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team.
Pilea
31.3.2023, 10:02:09
Ein Verwaltungsakt scheiterte aber an der Außenwirkung, richtig?
cann1311
31.3.2023, 15:24:33
Würde meinen Nein, die Äußerung bleibt zwar innerhalb der "
Behörde" (wenn man mal davon ausgeht, dass die Schule eine ist) trifft aber SuS, die zwar in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis mit der Schule stehen, aber eigentlich nicht zur
Behördegehören. Sonst wären sämtliche Maßnahmen der Schule wie ein Ausschluss von der Klassenfahrt nicht anfechtbar, gibt aber genug Gerichtsentscheidungen für sowas
Pilea
31.3.2023, 16:32:50
Soweit ich weiß, ist beides möglich, je nachdem ob die Kinder und Jugendlichenin ihrem Status als Schüler*in (dann Außenwirkung (-)) oder als natürliche Person (dann Außenwirkung (+)) betroffen sind. Daher die Nachfrage.
Falsus Prokuristor
31.3.2023, 19:34:44
Die Abgrenzung erfolgt genau wie Pilea sagt. Früher sprach man bei diesem besonders engen Verhältnis zwischen Bürger und Staat (zB auch Häftlinge) von einem „besonderen Gewaltverhältnis“. Inhaltlich ändert sich dazu aber nicht allzu viel, einfache Disziplinarmaßnahmen oder Einzelnoten treffen SuS nicht über diese Status hinaus. Bei einer Nichtversetzung wäre das zB anders, um nochmal auf den Kommentar von Cann einzugehen.
Lukas_Mengestu
4.4.2023, 11:27:47
Hallo ihr Lieben, in der Tat ist in schulischen Kontexten bzw. auch bei sonstigen Maßnahmen innerhalb einer
Behörde(zB Weisung an Sachbearbeiter) stets die Frage der Außenwirkung zu bedenken und zu prüfen. Hier handelt es sich bei dem Verweis um eine reine Erziehungsmaßnahme von geringer Eingriffsintensität, die primär die interne Ordnung der Schule betrifft, quasi das "Betriebsverhältnis" zwischen Schüler und Schule. Deswegen fehlt es hier in der Tat an der Außenwirkung, womit im Ergebnis ein VA abzulehnen wäre (zu Erziehungsmaßnahmen auch OVG Hamburg Beschl. v. 21.2.2019 – 1 Bs 10/19, BeckRS 2019, 2709). Beste Grüße, Lukas
JCF
24.1.2024, 15:24:16
@[Lukas_Mengestu](136780) könnt ihr das (also einfach die Erklärung, die du hier gegeben hast) vielleicht noch als Vertiefungshinweis in die Aufgabe aufnehmen?
Wendelin Neubert
10.11.2024, 08:11:58
Danke für Deine Anregung @[JCF](53331), aber das würde die didaktisch-inhaltliche Konzeption dieser Lerneinheit etwas sprengen, in der es erst einmal isoliert um den
Behördenbegriffgeht. Wir haben aber einen Vertiefungshinweis aufgenommen, der dafür sensibilisiert, dass an dieser Stelle nicht ohne Weiteres davon auszugehen ist, dass auch die übrigen Voraussetzungen des
§ 35 S. 1 VwVfGerfüllt sind, und haben auf die nachfolgenden Lerneinheiten verwiesen. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
Sniter
8.7.2023, 18:10:36
Handelt die Lehrerin hier für die Schule (als Anstalt dÖR) oder für das Schulamt (als
Behördeim organisatorischen Sinne)?
Law_yal_life
22.9.2023, 21:54:46
Was wäre, wenn die Lehrerin nicht verbeamtet wäre? Was wäre, wenn es keine öffentliche Schule wäre? Wie wäre das dann?
MaxRaspody
7.11.2023, 16:17:48
Bei einer Lehrerin an einer öffentlichen Schule, die nicht verbeamtet ist, ist mE dennoch eine
hoheitliche Maßnahmegegeben, denn für das Kind und auch sonst macht es keinen Unterschied, ob eine Verbeamtung vorliegt. Die Rechtsfolgen sind die gleichen. Bei einer Privatschule, die einen offiziell anerkannten Ersatz für eine öffentliche Schule darstellt, würde ich gleich argumentieren.
MaxRaspody
7.11.2023, 17:06:17
Ich glaube der BKanzler ist auch kein Beamter und dennoch kann er
hoheitliche Maßnahmen ergreifen. Also Verbeamtung ist keine notwendige Bedingung für eine
hoheitliche Maßnahme.
andrebaureis
19.2.2024, 21:12:55
Der BKanzler ist ein sogenannter Wahlbeamter wie die abgeordneten auch. Er hat ua auch keinen Arbeitsvertrag sondern wird wie jeder Beamter vereidigt. Eine angestellte Lehrerin wäre trotzdem „
hoheitlich“ da diese die
Behörde„Schule“ repräsentiert. Das wäre dann wie ein Angestellter im Ordnungsamt etc.
Nora Mommsen
27.5.2024, 18:32:52
Hallo in die Runde, sofern die Schulen von der zuständigen Aufsichts
behördeanerkannt wurde gilt in der Regel öffentliches Recht und Ordnungsmaßnahmen der Schule sind als VA zu qualifizieren. Sofern die Schule nicht anerkannt sondern lediglich genehmigt wurde (NRW bildet einen Sonderfall und erkennt alle privaten Schulen an) findet jedoch Privatrecht Anwendung und Maßnahmen sind im Wege vertraglicher Auseinandersetzung vor den Zivilgerichten zu klären. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team