Strafrecht
BT 5: Verkehrsdelikte
Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c StGB
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB: Einwilligung
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB: Einwilligung
24. Mai 2025
10 Kommentare
4,8 ★ (33.761 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B fährt im Pkw des alkoholisierten T (BAK 1,3‰) mit, obwohl beide die Fahruntüchtigkeit erkennen. Es kommt zu einem Unfall, bei dem sich T und B verletzen.
Diesen Fall lösen 72,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB: Einwilligung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit geführt (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es bestand eine „konkrete Gefahr“ (§ 315c Abs. 1 StGB) für B als taugliches Gefährdungsopfer.
Genau, so ist das!
3. Der Zurechnungszusammenhang wurde nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit durchbrochen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 StGB verwirklicht.
Nein!
5. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB verwirklicht.
Genau, so ist das!
6. Nach Ansicht des BGH ist T gerechtfertigt, weil B in den Gefahrerfolg eingewilligt hat.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jael
13.2.2023, 09:22:59
Die neue Funktion, Probleme gezielt zu wiederholen ist der Hammer!!! 😍 Danke! Ihr verbessert die App echt konsequent und stetig. 👌

Lukas_Mengestu
13.2.2023, 09:43:07
Vielen Dank, Jael! Das freut uns sehr, dass Dir das neue Feature gefällt :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Trierer Weinversteigerer
25.5.2023, 15:45:33
Gegen die Meinung der Literatur ließe sich hier anführen, dass der
§ 316in Fällen, in denen der Täter nicht aufgrund von Alkohol/Rauschmitteln fahruntüchtig ist (z.B. Übermüdung), tatbestandlich nicht zur Anwendung kommen kann und folglich Strafbarkeitslücken entstehen würden, wenn man eine rechtfertigende Einwilligung hier bejahen würde.
Dogu
1.11.2023, 11:15:36
Gegen diese generelle Argumentation ließe sich wiederum anführen, dass es in einem Rechtsstaat keine Strafbarkeitslücken gibt. Die Straftat ist die Ausnahme zur allgemeinen Handlungsfreiheit.
agi
14.10.2024, 16:26:11
Ich tu mich schwer in solchen Fällen nicht einen bedingten
Vorsatzanzunehmen. Sollte nicht jedem Autofahrer bewusst sein, dass die Trunkenheitsfahrt zu Unfällen und Gefährdung von Leib und Leben, oder
fremden Sachen führen kann?
Wysiati
4.11.2024, 13:00:22
@[agi](212798) Für mich fühlte sich das auch erst einmal komisch an. Woran man aber auch denken muss ist, dass
Vorsatzdie Kenntnis der
Tatumständeist. Und nach der klar herrschenden Meinung auch der auf diese Kenntnis gerichtete Willen, das Sich-Abfinden oder Billigen. Dieser subjektive Tatbestand bezieht sich auf den objektiven Tatbestand. Entscheidend ist dann der Inhalt des objektiven Tatbestandes. Und das ist unter anderem auch die konkrete Gefährdung, der Beinahe-Unfall. Selbstverständlich kann man dessen konkrete Umstände nicht schon im Vorhinein kennen. Man kann aber Umstände kennen und sich mit ihnen abfinden, die den Unfall wahrscheinlich erscheinen lassen. Man denke nur an den Betrunkenen Fahrer auf dem Land der mitten in der Nacht zu seinem abgelegenen Haus fährt und vergleiche das mit dem Großstadt Einwohner der Nachts betrunken an Bürgersteigen voller feiernder Menschen vorbei fährt. Das sind vollkommen unterschiedliche Umstände, auf die sich die subjektive Sicht des Täters bezieht. Jeder sollte wissen, welche Gefahren mit einer Trunkenheitsfahrt einhergehen. Und sogar wenn man davon ausgeht, dass der Täter das nicht nur wissen *sollte*, sondern diese Wirklichkeit auch kennt. Dass man grundsätzlich irgendeine diffuse Gefahr kennt, hat noch nichts mit der konkreten Gefährdung zu tun. Man kann ja auch den Fahrer auf dem menschenleeren Land nicht mit dem Großstädter gleichstellen. Notwendig ist ein konkreter Anknüpfungspunkt, mit dem man den
Vorsatz(also die Kenntnis der
Tatumständeund einen darauf gerichteten Willen) begründen kann. Dazu kommt noch, dass das Strafrecht das schärfste Schwert des Staates ist und eine gewisse Zurückhaltung bei seiner Anwendung angebracht ist. Gibt es keinerlei anderen Anknüpfungspunkt für den
Vorsatzabgesehen vom „gesunden Menschenverstand“, dass man eben wissen muss was alles bei einer Trunkenheitsfahrt passieren kann, ist
Vorsatzanzunehmen nicht tragfähig.
Vincent
15.1.2025, 15:32:15
Das Problem ist ein Anderes: der Täter handelt mit
Eventualvorsatz, dieser reicht aber nicht um eine Strafbarkeit nach §315c Abs. 1 Nr. 1 zu begründen. Dies wird jedoch über Abs. 3 aufgefangen, da der Täter dann zumindest fahrlässig handelt
Findet Nemo Tenetur
25.3.2025, 13:32:23
Wenn ich es richtig verstanden habe kann sich eine etwaige Einwilligung nur auf die
konkrete Gefahrbeziehen. Würde die Literatur also auch im Fall von – wie hier – § 315c I, III Nr. 1 eine Einwilligungsmöglichkeit sehen? Denn das wäre dann doch eine Einwilligung in eine Fahrlässigkeitstat? Das kommt mir komisch vor.
Leo Lee
27.3.2025, 22:11:36
Hallo Findet
Nemo Tenetur, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorba: Du liegst völlig richtig mit dem Eindruck, dass die Gegenansicht - also die Literatur - die Einwilligung in die Fahrlässigkeit zulässt; wobei zu betonen ist, dass die Einwilligung nicht in die Fahrlässigkeit selbst sondern vielmehr in den Akt der Gefährdung (die in den fahrlässigen Erfolg mündet) vorliegt. Diese kontraintuitiv scheinende Lösung ist der Tatsache geschudlet, dass i.R.d. RWK in
Vorsatzdelikten eingewilligt werden kann (solange die Grenzen des 2
28 StGBbeachtet werden). Wenn allerdings ein
Vorsatzdelikt durch Einwilligung straflos werden kann, so ist erst Recht eine Einwilligung in die Fahrlässigkeit möglich (also liegt hier ein erst-Recht-Schluss vor). Somit kann man nach der Literatur auch in die Gefährdung einwilligen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB 6. Auflage, Paeffgen/Böse/Eidam § 229 Rn. 17 und MüKo-StGB 4. Auflage, Pegel § 315c Rn. 114 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
RealOmnimodo 🇺🇦
13.5.2025, 19:56:10
Das bedeutet, dass eine vermeintliche „Einwilligung“ des Opfers in den Gefahrenerfolg einer Trunkenheitstat zunächst i) beim gefahrspezifischen
Zurechnungszusammenhanganzusprechen ist. Dort unter den Gesichtspunkten der Regeln über die obj. Zurechnung. Und zudem ii) bei der
Rechtswidrigkeitunter „rechtfertigender Einwilligung“, die der BGH für unbeachtlich erachtet?