Täuschung im Rechtsverkehr 2

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Youtuberin Y hat eine neue Idee, ihren extravaganten Lebensstil zu inszenieren. Sie mietet sich einen nagelneuen Ferrari und ersetzt die Kennzeichen des Ferraris mit denen ihres Volkswagens, um ihre Follower glauben zu lassen, dass der Ferrari ihr Eigentum sei. Sie fährt mit dem Wagen umher, wobei ihr bewusst ist, dass sie damit auch andere Verkehrsteilnehmer täuscht.

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Einordnung des Falls

Täuschung im Rechtsverkehr 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Y hat den objektiven Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt, indem sie die Kennzeichen austauscht.

Genau, so ist das!

Die Deliktsbezeichnung „Urkundenfälschung“ (§ 267 Abs. 1 StGB) umfasst drei Tatbestände: (1) Herstellen einer unechten Urkunde, (2) Verfälschen einer echten Urkunde und (3) Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde.Y hat hier sowohl eine echte (zusammengesetzte) Urkunde verfälscht, als auch eine verfälschte Urkunde gebraucht, indem sie das Kennzeichen des Ferraris austauschte.
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2. Y fehlte der Vorsatz, weil sie nicht wusste, dass sie durch ihre Handlung eine zusammengesetzte Urkunde verfälscht.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands der Urkundenfälschung setzt mindestens dolus eventualis hinsichtlich der Tathandlung, der die Urkundeneigenschaft begründenden Merkmale und der Unechtheit der Urkunde voraus. Dabei genügt die Kenntnis der Tatumstände in Verbindung mit einer Parallelwertung in der Laiensphäre.Y hat zumindest laienhaft erkannt, dass mit dem Auswechseln eines Nummernschildes der Beweisgehalt verändert wird und das Nummernschild im Rechtsverkehr nicht mehr ordnungsgemäß zugeordnet werden kann.

3. Das Merkmal der “Täuschung im Rechtsverkehr” erfordert Absicht (dolus directus 1. Grades).

Nein!

Neben dem Vorsatz muss der Täter zur Täuschung im Rechtsverkehr gehandelt haben. Zur Täuschung im Rechtsverkehr handelt derjenige, der erreichen will, dass ein anderer die Urkunde für echt hält und durch die irrige Annahme zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt wird.Es muss dem Täter nicht gerade darauf ankommen, mit der Urkunde eine Täuschung im Rechtsverkehr zu erzielen: nach h.M. genügt für die Täuschungsabsicht wissentliches Handeln (dolus directus 2. Grades). Diese Einordnung ist aus kriminalpolitischer Sicht sinnvoll: dem professionellen Fälscher wird es in aller Regel völlig gleichgültig sein, ob mit der Urkunde getäuscht wird. Sein Ziel ist es, Geld zu verdienen.

4. Y hat zur Täuschung im Rechtsverkehr gehandelt, indem sie das Nummernschild des Ferraris austauschte.

Genau, so ist das!

Zur Täuschung im Rechtsverkehr handelt derjenige, der erreichen will, dass ein anderer die Urkunde für echt hält und durch die irrige Annahme zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt wird. Ob Y das Nummernschild des Ferraris nur oder weitgehend aus dem Grund ausgetauscht hat, um ihre Follower zu beeindrucken, ist unerheblich. Ausreichend ist, dass ihr die sichere Folge der Täuschung der übrigen Verkehrsteilnehmer und der kontrollierenden Polizei bekannt ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HME

Hilfloser Melancholiker

29.4.2024, 11:49:10

Kurze Verständnisfrage: Wenn die Influencerin im Beispiel aber nur zum Beeindrucken ihrer Follower täuschen wollte, wieso hatte sie dann die Absicht, "einen anderen zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu bestimmen"? Ich verstehe schon, dass es durch ihren Post in einem anderen Kontext zu einem rechtserheblichen Irrtum kommen kann (zB wenn ihre Versicherung den Post liest). Aber es geht ja hier um das subjektive Element, und das hatte die Influencerin bezüglich eines solchen Irrtums ja nicht...

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.4.2024, 17:49:34

Hallo Hilfloser Melancholiker, wir haben den Sachverhalt an dieser Stelle noch präzisiert und klargestellt, dass Y Kenntnis hinsichtlich anderen Verkehrsteilnehmern hatte. Dass die zentrale Motivation (Imponiergehabe) eine andere ist, ist letztlich für die Strafbarkeit insofern irrelevant. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

HME

Hilfloser Melancholiker

29.4.2024, 18:00:15

Klasse, danke für die schnelle Antwort (:


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