Einstiegsfall: Fälschung technischer Aufzeichnungen

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die elektronische Aufzeichnungspflicht der Lenk- und Ruhezeiten von Berufskraftfahrern schmälert die Einnahmen von Truckerin T enorm. Daher manipuliert sie den digitalen Fahrtenschreiber, mit dem ihr LKW ausgestattet ist. Dieser zeichnet dadurch unrichtige Lenkzeiten auf.

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Einordnung des Falls

Einstiegsfall: Fälschung technischer Aufzeichnungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Strafbarkeit der T wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass das Aufzeichnungsergebnis des Fahrtenschreibers eine technische Aufzeichnung ist.

Ja, in der Tat!

Der Tatbestand des § 268 StGB setzt als Tatobjekt eine technische Aufzeichnung voraus. Der Begriff der technischen Aufzeichnung ist in § 268 Abs. 2 StGB legaldefiniert. Um eine Darstellung im Sinne des § 268 Abs. 2 StGB handelt es sich nach h.M. dann, wenn die Informationen von gewisser Dauerhaftigkeit verkörpert sind (Perpetuierungsfunktion). Umfasst wird jegliche Fixierung von Daten, unabhängig davon, in welcher Art und Weise sie erfolgt.Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit technischen Aufzeichnungen, insbesondere der Schutz des Vertrauens, dass die technische Aufzeichnung ohne Manipulation zustande gekommen ist.
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2. Ist das Aufzeichnungsergebnis des digitalen Fahrtenschreibers eine technische Aufzeichnung (§ 268 Abs. 2 StGB)?

Ja!

Eine technische Aufzeichnung ist eine Darstellung von Daten, Mess- oder Rechenwerten, Zuständen oder Geschehensabläufen, die durch ein technisches Gerät ganz oder zum Teil selbsttätig bewirkt wird, den Gegenstand der Aufzeichnung allgemein oder für Eingeweihte erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmt ist, gleichviel ob ihr die Bestimmung schon bei der Herstellung oder erst später gegeben wird (§ 268 Abs. 2 StGB). Der digitale Fahrtenschreiber zeichnet selbstständig die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrzeugführers auf und speichert diese für eine gewisser Dauer ab. Damit werden speicherbare Informationen fixiert, die zum Bewies einer rechtlich erheblichen Tatsache (elektronische Aufzeichnungspflicht) bestimmt sind.

3. Taugliche Tathandlung der Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 1 StGB) kann nur das Herstellen einer unechten technischen Aufzeichnung sein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Deliktsbezeichnung „Fälschung technischer Aufzeichnungen“ (§ 268 Abs. 1 StGB) umfasst drei Tatbestände mit unterschiedlichen Tathandlungen: (1) Herstellen einer unechten technischen Aufzeichnung, (2) Verfälschen einer echten technischen Aufzeichnung, (3) Gebrauchen einer unechten oder verfälschten technischen Aufzeichnung, Bezüglich der Differenzierungskriterien kannst Du auf Dein Wissen zur Urkundenfälschung zurückgreifen: das Herstellen einer unechten technischen Aufzeichnung unterscheidet sich vom Verfälschen nur dadurch, dass beim Verfälschen gerade durch die Veränderung einer bereits vorhandenen echten Aufzeichnung eine unechte Aufzeichnung hervorgebracht wird.Die Beeinflussung des Ergebnisses durch störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang (§ 268 Abs. 3 StGB) ist lediglich ein Unterfall des Herstellens einer unechten technischen Aufzeichnung. Die Gleichstellungsklausel in Abs. 3 hat damit letzten Endes nur klarstellende Bedeutung.

4. Indem T den Fahrtenschreiber manipulierte, hat sie eine technische Aufzeichnung verfälscht (§ 268 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine technische Aufzeichnung wird verfälscht, wenn sie durch nachträgliche Veränderung einen anderen Erklärungswert erhält. Hierdurch wird der Eindruck erweckt, als habe die technische Aufzeichnung in der veränderten Gestalt nach ordnungsgemäßem Herstellungsvorgang das Gerät verlassen. T hat hier nicht erst im Nachhinein das Ergebnis des Fahrtenschreibers manipuliert, sondern durch ihre Manipulation dafür gesorgt, dass schon gar keine unbeeinflusste Aufzeichnung stattfindet.

5. Indem T den Fahrtenschreiber manipulierte, hat sie die Aufzeichnung durch störende Einwirkung beeinflusst und eine unechte technische Aufzeichnung hergestellt (§ 268 Abs. 1 Var. 1, Abs. 3 StGB).

Ja!

Eine technische Aufzeichnung ist unecht, wenn sie den falschen Eindruck erweckt, das Ergebnis eines selbsttätigen und unbeeinflussten Herstellungsvorgangs zu sein. Unter dem Herstellen einer unechten technischen Aufzeichnung ist das Anfertigen einer Aufzeichnung zu verstehen, die nicht oder nur teilweise von einem derartigen Aufzeichnungsvorgang herrührt. Gemäß § 268 Abs. 3 StGB wird eine störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang der Herstellung einer unechten technischen Aufzeichnung gleichgestellt. Eine störende Einwirkung liegt dann vor, wenn derart in den Funktionsablauf des Geräts eingegriffen wird, dass das Aufzeichnungsergebnis objektiv unrichtig wird.T hat durch die Manipulation dafür gesorgt, dass der Fahrtenschreiber unrichtige Aufzeichnungsergebnisse erzeugt. Damit liegt eine störende Einwirkung auf den Funktionsablauf des Fahrtenschreibers vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW

FW

19.9.2024, 15:31:04

Hi, Ich hab leider nicht ganz den Unterschied zwischen dem Verfälschen einer technischen Aufzeichnung und dem Einwirken verstanden. Herstellen bedeutet also, dass ich von Anfang an auf den Vorgang einwirke und dadurch direkt eine unechte technische Aufzeichnung erstelle. Was ist aber nun der Unterschied zwischen einem verfälschen und einem Einwirken, wodurch das Ergebnis beeinflusst wird?

FW

FW

19.9.2024, 15:32:56

Oder ist das Einwirken eine Art Zwischenstadium, d.h. der ordnungsgemäße Aufzeichnungsvorgang hat begonnen, wird jetzt aber durch ein Einwirken des Täters verfälscht während bei einem Verfälschen einer echten technischen Aufzeichnung der Vorgang bereits abgeschlossen war, jedoch nachträglich die Aufzeichnung manipuliert wird?

LELEE

Leo Lee

21.9.2024, 16:35:38

Hallo FW, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Zunächst mal hilft es bei 268 ungemein, wenn du immer parallel die Konstellationen des 267 im Kopf hast, aber den "Mensch" mit einem technischen Gerät austauschst. Das bedeutet etwa: Wenn ein Versicherungsnehmer einen unechten EKG-Bericht herstellt, indem er diesen selbst etwa zeichnet, um in die Versicherung reinzukommen, stellt er von vornherein eine technische Aufzeichnung her (normalerweise durch EKG-Gerät), die von der Geburt an falsch ist (wie wenn jemand eine unechte Urkunde herstellt und diese von vornherein mit dem falschen Charakter bemakelt ist). Verfälschen läge hingegen etwa vor, wenn der EKG-Bericht an sich "richtig" gedruckt, allerdings der Versicherungsnehmer "nachtouchieren" würde, um das Ergebnis zu verschönern. Das Einwirken ist ein Unterfall des Herstellens und liegt dann vor, wenn das Gerät an sich eine Aufzeichnung herstellt, jedoch der Mensch etwa danebensteht und auf das Gerät einwirkt. In unserem Beispiel könnte ein Einwirken vorliegen, wenn ein EKG-Gerät benutzt wird, der Versicherungsnehmer allerdings danebensteht und "zum Takt" auf das Gerät schlägt, um bestimmte Pulse zu kreieren, um letztlich so einen "guten" Bericht herzustellen. Deshalb kann man in der Tat sagen, dass das Einwirken ein "Zwischenstadium" ist, während das Verfälschen erst NACH dem Vorgang zur Anwendung gelangt. Also hast du völlig Recht mit deinem Vergleich! hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Erb § 268 Rn. 32 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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