Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Fahrlässigkeit
Verantwortungsbereich Dritter, Schulterluxations-Fall
Verantwortungsbereich Dritter, Schulterluxations-Fall
10. April 2025
6 Kommentare
4,7 ★ (21.985 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die B fährt O unter Missachtung von dessen Vorrang am Zebrastreifen an. Zur Behandlung der so erlittenen Schulterluxation spritzt die Ärztin A dem O ein Muskelerschlaffungsmittel, ohne ihn jedoch an ein Beatmungsgerät anzuschließen. O erstickt aufgrund der Lähmung seiner Atemmuskulatur.
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Einordnung des Falls
Verantwortungsbereich Dritter, Schulterluxations-Fall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Relevante Tathandlung der A ist das Unterlassen, den O an das Beatmungsgerät anzuschließen (§ 13 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar gemacht, indem sie O das Muskelrelaktionsmittel spritzte (§ 222 StGB).
Ja, in der Tat!
3. Auch B hat den Tod des O kausal herbeigeführt (§ 222 StGB).
Ja!
4. B hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten.
Genau, so ist das!
5. Die hM. sieht den Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Sorgfaltspflichtverletzung und dem Tod des O allerdings als unterbrochen an.
Ja, in der Tat!
6. Nach aA. ist indes maßgeblich, ob der Arzt eine neue Gefahrenquelle eröffnet oder lediglich die Ausgangsgefahr nicht abwendet.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blotgrim
27.5.2022, 10:16:50
Warum wird hier das verabreichen des Mittels als relevante Handlung in der ersten Frage angesehen ? Hätte man das Opfer an ein Beatmungsgerät angeschlossen wäre ja nichts passiert. Oder ließe sich beides vertreten, man kommt am Ende ja zum selben Ergebnis ?

Nora Mommsen
21.6.2022, 11:49:56
Hallo Blotgrim, die Abgrenzung zwischen Strafbarkeit durch
Tun oder Unterlassenerfolgt nach dem
Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit. Danach ist an dieser Stelle die erste Handlung relevant, da dadurch die Gefahr des Erstickungstodes durch Lähmung der Atemmuskulatur geschaffen wird. Ohne die Spritze hätte es ja gar nicht erst des Beatmungsgerätes bedurft. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team.
Fuchsfrauchen
29.8.2023, 23:07:01
Ich finde diese Fälle irgendwie frustrierend. Die Spritze zu setzen war nach ärztlicher Kunst genau richtig - nur das nicht anschließen des Beatmungsgeräts war doch das Problem und mE liegt hier der
Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit.
Rechtsanwalt B. Trüger
6.1.2025, 15:31:51
Ich sehe es wie @[Fuchsfrauchen](89264)! Ich verstehe den Sachverhalt auch so, dass die Spritze medizinisch angebracht/nötig war. mMn liegt der
Schwerpunkt der Vorwerfbarkeitnicht im Spritzen ohne Anschluss an das Beatmungsgerät (
aktives Tun), sondern im bloßen Unterlassen des Anschließen. Andernfalls könnte man gefühlt jeden Sachverhalt/jede Vorwerfbarkeit dahingehend ausweiten, dass man die unterlassene Handlung mit in das aktive Tun hineinzieht, und der
Schwerpunkt der Vorwerfbarkeitin solchen Fällen nie im Unterlassen liegen würde. Dies könnte in jedem Fall zu folgender Rechnung führen: Spritzen/
aktives Tun+ kein Anschluss ans Gerät/Unterlassen = i.E.
aktives TunmMn muss man den Fall hier aufspalten und auf das Unterlassen abstellen. Gerne könnt Ihr mich mit entsprechender Erklärung vom Gegenteil hier überzeugen:)