Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Fahrlässigkeit

Verantwortungsbereich des Opfers, freiverantwortliche Selbstschädigung des Opfers 2

Verantwortungsbereich des Opfers, freiverantwortliche Selbstschädigung des Opfers 2

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Polizistin P lässt ihre geladene Dienstpistole entgegen der Dienstvorschriften in ihrer Wohnung herumliegen. Ihr unter einer krankhaften seelischen Störung leidender Mitbewohner M nimmt die Pistole und tötet sich damit selbst.

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Einordnung des Falls

Verantwortungsbereich des Opfers, freiverantwortliche Selbstschädigung des Opfers 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P hat den Tod des M kausal verursacht.

Ja, in der Tat!

Nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel) ist eine Handlung kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.Hätte P ihre Pistole nicht in ihrer Wohnung herumliegen lassen, hätte M sie nicht nehmen und sich selbst töten können.
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2. P hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten.

Ja!

Der einschlägige Sorgfaltsmaßstab ergibt sich jedenfalls aus den einschlägigen Dienstvorschriften. Danach ist die Dienstwaffe so aufzubewahren, dass sie nicht von einem Dritten an sich genommen und benutzt werden kann. Entgegen der Dienstvorschriften ließ P ihre Dienstpistole indes in ihrer Wohnung herumliegen, sodass M sie an sich nehmen konnte.

3. Der Tod des M war auch objektiv vorhersehbar.

Genau, so ist das!

Die objektive Vorhersehbarkeit setzt voraus, dass der Erfolgseintritt sowie Kausalverlauf für einen Durchschnittsmenschen des jeweiligen Verkehrskreises absehbar gewesen ist. Für einen durchschnittlichen Polizisten ist es nicht unvorhersehbar, dass eine frei herumliegende Dienstwaffe von Dritten genommen wird und es damit zu mitunter tödlichen Unfällen kommen kann.

4. Allerdings ist der Tod des M der P nicht objektiv zurechenbar, da sich M freiverantwortlich selbst geschädigt hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Zurechnungszusammenhang ist ausgeschlossen, wenn sich der gegenständliche Erfolg als Realisierung eines freiverantwortlichen Entschlusses des Opfers zur Selbstgefährdung darstellt. Indes bleibt es bei der Zurechnung, wenn Willensmängel beim Opfer vorliegen. Insbesondere ist eine Selbsttötung dann nicht mehr "frei", wenn sie, ginge es um ihre Strafbarkeit, gem. §§ 19, 20, 35 StGB oder § 3 JGG entschuldigt wäre. M litt unter einer krankhaften seelischen Störung, als er sich selbst tötete. Gem. § 20 StGB wäre er, wenn seine Selbsttötung strafbar wäre, damit entschuldigt. Seine Selbstschädigung war damit nicht mehr freiverantwortlich, mithin der P zurechenbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lennart20

lennart20

20.6.2023, 15:09:44

Stichwort: Exkulpationslösung bzw Einwilligungslehre

JJO

JJO

22.8.2024, 16:23:13

Ich finde es sehr schwach, dass die Exkulpationslösung (Schuldlösung) und

Einwilligungslösung

im gesamten StrafR AT bei Jurafuchs nicht erwähnt werden. Wäre toll, wenn ihr das ergänzen könntet. Gehört m.E. zu den absoluten Basics. @[Lukas_Mengestu](136780)

FAL

FalkTG

25.4.2024, 13:42:14

Wann was?

TI

Timurso

27.4.2024, 10:09:08

Soweit ich weiß, sind beide Begriffe synonym.


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