Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Objektive Zurechnung
Einverständliche Selbstgefährdung („Kokainfall“)
Einverständliche Selbstgefährdung („Kokainfall“)
31. Mai 2025
17 Kommentare
4,7 ★ (21.791 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Drogendealer T liefert O versehentlich reines Heroin statt des von O ursprünglich bestellten Kokains. O nimmt das Rauschgift selbst ein und stirbt.
Diesen Fall lösen 80,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kokainfall (BGHSt 53, 288 – einverständliche Fremdgefährdung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T ist der Tod des O objektiv zuzurechnen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
s.t.
8.8.2021, 16:02:12

Dave K. 🦊
24.9.2021, 19:24:57
Meiner Meinung nach ist der Fall viel zu „dünn“ um einen Vorsatz anzunehmen. Kein „für möglich halten“ einer Verwechslung. Somit 212 (-), aber 222 (+) Wer schon illegal mit Drogen handelt, hat sicher zu gehen, dass es zu keiner Verwechslung kommt.
QuiGonTim
27.1.2022, 10:10:36
Es wäre hier wohl ein grober Fehler den
error in objectoanzunehmen. Beim
error in objectoidentifiziert der Täter das Tatobjekt, also die aus Sicht des Täters zu schädigende Sache oder Person, fehlerhaft. Klassischer Fall: Jäger J schießt auf ein vermeintliches Wildschwein, das in Wahrheit Spaziergänger S ist. Im vorliegenden Fall identifiziert T das Tatobjekt, nämlich den O, richtig. Der
Irrtumbezieht sich lediglich auf das Heroin, also das “Tatmittel”. (Mangels Vorsatzes wäre das Heroin hier hinsichtlich des Tötungsdelikts nicht als Tatmittel zu bezeichnen, 74 I StGB.)
bibu knows best
19.6.2022, 10:51:34
Ich finde auch, dass der Dealer keinen Vorsatz hatte.
Joul
15.3.2022, 15:56:09
Ich bin mir bei diesem Fall etwas unsicher. Die alleinige Tatherrschaft der zum Tode führenden Handlung liegt mit der eigenständigen Einnahme doch ganz klar nur bei O oder? Zusätzlich durch die Verwechslung des Stoffes liegt doch sogar ebenfalls kein überlegenes Wissen des T vor. Ich habe es noch nicht ganz verstanden und wäre so eigentlich zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Rüsselrecht 🐘
15.3.2022, 23:05:46
Ich glaube, so müsste man überlegen: Bei der Unterscheidung zwischen der strafbaren
Fremdschädigung durch T und der freiverantwortlichen Selbstgefährdung seitens O kann zuungunsten des T die Selbstverantwortlichkeit des O entfallen, wenn O einem
Irrtumunterliegt. O ging hier davon aus, dass er Kokain erhält. Das Risiko, dass ihm stattdessen Heroin gegeben wurde hat O gar nicht erkannt. Er war insoweit gar nicht „einwilligungsfähig“. Fazit: Eine
eigenverantwortliche Selbstgefährdungliegt dann nicht vor, wenn beim Rechtsgutsinhaber ein erheblicher
Irrtumüber das tatsächlich eingegangene Risiko besteht und es nur dem Täter/Mitwirkenden möglich wäre, das konkrete Risiko vollständig zu erfassen. Wenn der Täter in diesem Fall fahrlässig seine besseren Erkenntnismöglichkeiten nicht ausschöpft, so ist der Erfolg sein Werk.
Joul
16.3.2022, 16:20:23
Mandy
4.1.2025, 11:50:43
die Lösung sagt folgendes: O überschaut das mit dem Heroin verbundene Risiko
irrtumsbedingt nicht und wäre auch nicht nach §§ 19, 20, 35 StGB und § 3JGG
schuldlos. soweit würde ich mit gehen. dann kommt der Satz: Er handelte daher nicht eigenverantwortlich. und hier meine Frage: die
Exkulpationslösungsagt doch, dass man so lange eigenverantwortlich handelt, bis die Grenze zur
Schuldlosigkeit erreicht ist. Handele ich also
schuldhaft (nicht
schuldlos) bin ich eigenverantwortlich. Nach dieser Ansicht läge doch eine Eigenverantwortlichkeit vor, oder?
Paul Hendewerk
8.3.2025, 16:55:32
Nach der
Exkulpationslösungentfällt die Eigenverantwortlichkeit dann, wenn der sich selbst Schädigende (Opfer), ginge es um seine Strafbarkeit,
schuldlos handelte. Hier bestehen keine Zweifel an der Schulldfähigkeit des O und Ent
schuldigungsgründe, die zu Gunsten des O eingreifen könnten, sind nicht ersichtlich. Insofern stimme ich Dir zu!
QuiGonTim
7.3.2025, 08:13:37
Die beiden Theorien kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. O wusste nicht, dass er statt Kokain Heroin konsumiert. Dies stellt einen Willensmangel dar, der nach der
Einwilligungslösungzum Ausschluss der Eigenverantwortlichkeit führt. Allerdings liegen keine Hinweise darauf vor, dass O sich in einem Zustand befand, der, wäre er selbst Täter, eine
Schuldunfähigkeit begründen würde. Nach der
Exkulpationslösunghandelte O also eigenverantwortlich. Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, wäre der Streit in der Klausur zu entscheiden. Würdet ihr, liebes Jurafuchs-Team, das noch ergänzen? Interessant ist insbesondere, welche Argumente für bzw. gegen die Ansichten sprechen.
Moritz
10.3.2025, 12:07:56
@[QuiGonTim](133054) Stimme dir absolut zu. Insbesondere der letzte Satz ("O überschaut das mit dem Heroin verbundene Risiko
irrtumsbedingt nicht und wäre auch nicht nach §§ 19, 20, 35 StGB oder § 3 JGG
schuldlos") zeigt doch gerade auf, dass die beiden Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Der Satz ist daher irreführend. Argumente: Pro-
Schuldlösung: Für die
Schuldlösung spricht, dass sie insgesamt - mit den Maßstäben der §§ 19, 20, 35 StGB, § 3 JGG - "klarerer" Kriterien zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche bietet, was sie vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 2 GG (Bestimmtheitsgebot) vorzugswürdig erscheinen lässt. Pro -
Einwilligungslösung: Für die
Einwilligungslösungspricht, dass es widersprüchlich wäre die "Eigenverantwortlichkeit" bei der Selbstgefährdung nach anderen Maßstäben zu bemessen als bei der "einverständlichen
Fremdgefährdung", zumal die Grenze zwischen "eigenverantwortlicher Selbstgefährdung" und "einverständlicher
Fremdgefährdung" fließend ist. Insofern wahrt diese Ansicht mit der Orientierung an den "Einwilligungsmaßstäben" den systematischen Einklang zur "einverständlichen
Fremdgefährdung".