Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Objektive Zurechnung
Einverständliche Selbstgefährdung („Kokainfall“)
Einverständliche Selbstgefährdung („Kokainfall“)
12. April 2025
17 Kommentare
4,7 ★ (21.012 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Drogendealer T liefert O versehentlich reines Heroin statt des von O ursprünglich bestellten Kokains. O nimmt das Rauschgift selbst ein und stirbt.
Diesen Fall lösen 79,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kokainfall (BGHSt 53, 288 – einverständliche Fremdgefährdung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T ist der Tod des O objektiv zuzurechnen.
Genau, so ist das!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
s.t.
8.8.2021, 16:02:12

Dave K. 🦊
24.9.2021, 19:24:57
Meiner Meinung nach ist der Fall viel zu „dünn“ um einen
Vorsatzanzunehmen. Kein „für möglich halten“ einer Verwechslung. Somit 212 (-), aber 222 (+) Wer schon illegal mit Drogen handelt, hat sicher zu gehen, dass es zu keiner Verwechslung kommt.
QuiGonTim
27.1.2022, 10:10:36
Es wäre hier wohl ein grober Fehler den
error in objectoanzunehmen. Beim
error in objectoidentifiziert der Täter das Tatobjekt, also die aus Sicht des Täters zu schädigende Sache oder Person, fehlerhaft. Klassischer Fall: Jäger J schießt auf ein vermeintliches Wildschwein, das in Wahrheit Spaziergänger S ist. Im vorliegenden Fall identifiziert T das Tatobjekt, nämlich den O, richtig. Der Irrtum bezieht sich lediglich auf das Heroin, also das “Tatmittel”. (Mangels
Vorsatzes wäre das Heroin hier hinsichtlich des Tötungsdelikts nicht als Tatmittel zu bezeichnen, 74 I StGB.)
bibu knows best
19.6.2022, 10:51:34
Joul
15.3.2022, 15:56:09
Ich bin mir bei diesem Fall etwas unsicher. Die alleinige Tatherrschaft der zum Tode führenden Handlung liegt mit der eigenständigen Einnahme doch ganz klar nur bei O oder? Zusätzlich durch die Verwechslung des Stoffes liegt doch sogar ebenfalls kein überlegenes Wissen des T vor. Ich habe es noch nicht ganz verstanden und wäre so eigentlich zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Rüsselrecht 🐘
15.3.2022, 23:05:46
Ich glaube, so müsste man überlegen: Bei der Unterscheidung zwischen der strafbaren Fremdschädigung durch T und der freiverantwortlichen Selbstgefährdung seitens O kann zuungunsten des T die Selbstverantwortlichkeit des O entfallen, wenn O einem Irrtum unterliegt. O ging hier davon aus, dass er Kokain erhält. Das Risiko, dass ihm stattdessen Heroin gegeben wurde hat O gar nicht erkannt. Er war insoweit gar nicht „einwilligungsfähig“. Fazit: Eine
eigenverantwortliche Selbstgefährdungliegt dann nicht vor, wenn beim Rechtsgutsinhaber ein erheblicher Irrtum über das tatsächlich eingegangene Risiko besteht und es nur dem Täter/Mitwirkenden möglich wäre, das konkrete Risiko vollständig zu erfassen. Wenn der Täter in diesem Fall fahrlässig seine besseren Erkenntnismöglichkeiten nicht ausschöpft, so ist der Erfolg sein Werk.
Joul
16.3.2022, 16:20:23
Danke, der Punkt mit „Einwilligungsunfähigkeit“ durch einen Irrtum leuchtet mir ein!
Mandy
4.1.2025, 11:50:43
die Lösung sagt folgendes: O überschaut das mit dem Heroin verbundene Risiko irrtumsbedingt nicht und wäre auch nicht nach §§ 19, 20,
35 StGBund § 3JGG schuldlos. soweit würde ich mit gehen. dann kommt der Satz: Er handelte daher nicht eigenverantwortlich. und hier meine Frage: die
Exkulpationslösungsagt doch, dass man so lange eigenverantwortlich handelt, bis die Grenze zur Schuldlosigkeit erreicht ist. Handele ich also schuldhaft (nicht schuldlos) bin ich eigenverantwortlich. Nach dieser Ansicht läge doch eine Eigenverantwortlichkeit vor, oder?
Deno
21.1.2025, 17:06:32
Ja, das hatte mich auch verwirrt. Da kein Schuldausschließungsgrund vorliegt, würde O - zumindest nach der Entschuldigungslösung - eigenverantwortlich handeln und es könnte dem T nicht zugerechnet werden?
Paul Hendewerk
8.3.2025, 16:55:32
Nach der
Exkulpationslösungentfällt die Eigenverantwortlichkeit dann, wenn der sich selbst Schädigende (Opfer), ginge es um seine Strafbarkeit, schuldlos handelte. Hier bestehen keine Zweifel an der Schulldfähigkeit des O und Entschuldigungsgründe, die zu Gunsten des O eingreifen könnten, sind nicht ersichtlich. Insofern stimme ich Dir zu!
QuiGonTim
7.3.2025, 08:13:37
Die beiden Theorien kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. O wusste nicht, dass er statt Kokain Heroin konsumiert. Dies stellt einen Willensmangel dar, der nach der
Einwilligungslösungzum Ausschluss der Eigenverantwortlichkeit führt. Allerdings liegen keine Hinweise darauf vor, dass O sich in einem Zustand befand, der, wäre er selbst Täter, eine
Schuldunfähigkeitbegründen würde. Nach der
Exkulpationslösunghandelte O also eigenverantwortlich. Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, wäre der Streit in der Klausur zu entscheiden. Würdet ihr, liebes Jurafuchs-Team, das noch ergänzen? Interessant ist insbesondere, welche Argumente für bzw. gegen die Ansichten sprechen.
Moritz
10.3.2025, 12:07:56
@[QuiGonTim](133054) Stimme dir absolut zu. Insbesondere der letzte Satz ("O überschaut das mit dem Heroin verbundene Risiko irrtumsbedingt nicht und wäre auch nicht nach §§ 19, 20,
35 StGBoder § 3 JGG schuldlos") zeigt doch gerade auf, dass die beiden Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Der Satz ist daher irreführend. Argumente: Pro-Schuldlösung: Für die Schuldlösung spricht, dass sie insgesamt - mit den Maßstäben der §§ 19, 20,
35 StGB, § 3 JGG - "klarerer" Kriterien zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche bietet, was sie vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 2 GG (Bestimmtheitsgebot) vorzugswürdig erscheinen lässt. Pro -
Einwilligungslösung: Für die
Einwilligungslösungspricht, dass es widersprüchlich wäre die "Eigenverantwortlichkeit" bei der Selbstgefährdung nach anderen Maßstäben zu bemessen als bei der "einverständlichen
Fremdgefährdung", zumal die Grenze zwischen "eigenverantwortlicher Selbstgefährdung" und "einverständlicher
Fremdgefährdung" fließend ist. Insofern wahrt diese Ansicht mit der Orientierung an den "Einwilligungsmaßstäben" den systematischen Einklang zur "einverständlichen
Fremdgefährdung".