Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Objektive Zurechnung

Einverständliche Selbstgefährdung („Kokainfall“)

Einverständliche Selbstgefährdung („Kokainfall“)

12. Dezember 2024

4,7(18.725 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Drogendealer T liefert O versehentlich reines Heroin statt des von O ursprünglich bestellten Kokains. O nimmt das Rauschgift selbst ein und stirbt.

Diesen Fall lösen 79,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Kokainfall (BGHSt 53, 288 – einverständliche Fremdgefährdung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T ist der Tod des O objektiv zuzurechnen.

Genau, so ist das!

Eine die Zurechnung ausschließende eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers ist von der einverständlichen Fremdgefährdung abzugrenzen. Das Opfer gefährdet sich eigenverantwortlich selbst, wenn die alleinige Tatherrschaft bei ihm selbst liegt.Zwar ist der Betäubungsmittelhandel verboten, T trifft als Lieferanten, der das Risiko besser überblicken kann, dennoch eine Prüfungspflicht. Die Aushändigung des richtigen Rauschmittels fällt in seinen Verantwortungsbereich und er hat die Herrschaft über die dem Schadenseintritt vorausgehende Risikosituation inne. Bloße Fahrlässigkeit bezüglich der Verwechslung des Rauschgiftes unterbricht den Zurechnungszusammenhang nicht. O überschaut das mit dem Heroin verbundene Risiko nicht und handelt daher nicht eigenverantwortlich.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

S.

s.t.

8.8.2021, 16:02:12

Müsste ich hier dann beim

Vorsatz

rausfallen oder ist dad ein error in objecto?

Dave K. 🦊

Dave K. 🦊

24.9.2021, 19:24:57

Meiner Meinung nach ist der Fall viel zu „dünn“ um einen

Vorsatz

anzunehmen. Kein „für möglich halten“ einer Verwechslung. Somit 212 (-), aber 222 (+) Wer schon illegal mit Drogen handelt, hat sicher zu gehen, dass es zu keiner Verwechslung kommt.

QUIG

QuiGonTim

27.1.2022, 10:10:36

Es wäre hier wohl ein grober Fehler den error in objecto anzunehmen. Beim error in objecto identifiziert der Täter das

Tatobjekt

, also die aus Sicht des Täters zu schädigende Sache oder Person, fehlerhaft. Klassischer Fall: Jäger J schießt auf ein vermeintliches Wildschwein, das in Wahrheit Spaziergänger S ist. Im vorliegenden Fall identifiziert T das

Tatobjekt

, nämlich den O, richtig. Der Irrtum bezieht sich lediglich auf das Heroin, also das “Tatmittel”. (Mangels

Vorsatz

es wäre das Heroin hier hinsichtlich des Tötungsdelikts nicht als Tatmittel zu bezeichnen, 74 I StGB.)

BBE

bibu knows best

19.6.2022, 10:51:34

Ich finde auch, dass der Dealer keinen

Vorsatz

hatte.

JOU

Joul

15.3.2022, 15:56:09

Ich bin mir bei diesem Fall etwas unsicher. Die alleinige Tatherrschaft der zum Tode führenden Handlung liegt mit der eigenständigen Einnahme doch ganz klar nur bei O oder? Zusätzlich durch die Verwechslung des Stoffes liegt doch sogar ebenfalls kein überlegenes Wissen des T vor. Ich habe es noch nicht ganz verstanden und wäre so eigentlich zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

15.3.2022, 23:05:46

Ich glaube, so müsste man überlegen: Bei der Unterscheidung zwischen der strafbaren Fremdschädigung durch T und der freiverantwortlichen Selbstgefährdung seitens O kann zuungunsten des T die Selbstverantwortlichkeit des O entfallen, wenn O einem Irrtum unterliegt. O ging hier davon aus, dass er Kokain erhält. Das Risiko, dass ihm stattdessen Heroin gegeben wurde hat O gar nicht erkannt. Er war insoweit gar nicht „einwilligungsfähig“. Fazit: Eine

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

liegt dann nicht vor, wenn beim Rechtsgutsinhaber ein erheblicher Irrtum über das tatsächlich eingegangene Risiko besteht und es nur dem Täter/Mitwirkenden möglich wäre, das konkrete Risiko vollständig zu erfassen. Wenn der Täter in diesem Fall fahrlässig seine besseren Erkenntnismöglichkeiten nicht ausschöpft, so ist der Erfolg sein Werk.

JOU

Joul

16.3.2022, 16:20:23

Danke, der Punkt mit „Einwilligungsunfähigkeit“ durch einen Irrtum leuchtet mir ein!

lennart20

lennart20

27.2.2023, 12:59:10

Hier müsste man mE auf den Streit der

Exkulpationslösung

und der Einwilligungslehre eingehen

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

20.7.2023, 11:47:16

Im Kapitel "

objektive Zurechnung

"? ;-)

SEBA

Sebastiano82

22.10.2023, 22:00:36

Sehe ich genauso. Der Streit/die Abgrenzung wird relevant, wenn es um die Frage 5

SEBA

Sebastiano82

22.10.2023, 22:02:01

geht, ob die Selbstgefährdung eigenverantwortlich war oder nicht.


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