Tequilafall (Fremdgefährdung)

12. April 2025

19 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Der 16-jährige A wettet mit dem trinkfesten Gastwirt B, wer mehr hochprozentigen Alkohol verträgt. Beiden soll bis zum Erbrechen Tequila in einzelnen Gläsern serviert werden. B lässt sich heimlich von H zunächst stets Wasser einfüllen. A fällt nach 45 Gläsern Tequila ins Koma und stirbt.

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Einordnung des Falls

Tequilafall (Fremdgefährdung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B ist der Tod des A objektiv zuzurechnen.

Ja, in der Tat!

Eine die Zurechnung ausschließende eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers ist von der einverständlichen Fremdgefährdung abzugrenzen. Das Opfer gefährdet sich eigenverantwortlich selbst, wenn die alleinige Tatherrschaft bei ihm selbst liegt.A hat als 16-Jähriger entsprechend weniger Erfahrung im Umgang mit Alkohol als B. Dieser hat dem A kraft überlegenen Wissens die Möglichkeit genommen, sein Verhalten an dem des Gegners angemessen zu orientieren und seine Risikobewertung entsprechend zu korrigieren. B besaß ab dem Moment Tatherrschaft, in dem A aufgrund der Alkoholisierung nicht mehr fähig war, das Risiko des weiteren Trinkens einzuschätzen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TR

Tr(u)mpeltier

4.2.2020, 01:24:54

Auch das leider kein fiktiver Fall: https://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2009/pressemitteilung.425939.php

Peter E.

Peter E.

20.6.2020, 15:28:05

Fälle und die Entwicklung des Rechts entstehen meist aus der Realität. ;)

TR

Tr(u)mpeltier

20.6.2020, 16:36:42

In der Tat. Aber da bei den übrigen Fällen das entsprechende Urteil mit angegeben ist, wollte ich die entsprechende Info hier für alle Interessierten noch beisteuern :)

Peter E.

Peter E.

20.6.2020, 20:10:10

Sehr erfreulich! ;)

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

25.6.2020, 10:23:37

Hi Tr(u)mpeltier, Vielen Dank für die Info, wir haben den Link zur Pressemitteilung in die Fundstellen aufgenommen. Besten Gruß

kaan00

kaan00

6.2.2024, 09:57:17

Der Link zur Pressemitteilung ist nicht mehr aktuell :)

Kathi

Kathi

3.4.2024, 12:57:10

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=c507b38434642969fff71df06baf7341&nr=51442&linked=pm&Blank=1 die Pressemitteilung des BGH dazu

Kathi

Kathi

3.4.2024, 13:00:29

https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2010/2010066.html?nn=11917398 hoffentlich funktioniert der Link: die Pressemitteilung des BGH :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.4.2024, 15:05:37

Danke Kathi, wir haben den Link nun auch in der Aufgabe aktualisiert :-)

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

9.7.2020, 13:37:32

Verstehe ja dass die

Fremdgefährdung

durch Täuschung nahe liegt, aber iwie wenn man so blöd ist so viel zu trinken aufgrund von Wettbewerb ist das kein

atypischer Kausalverlauf

a la das Gelage ist außer Kontrolle geraten ?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

9.7.2020, 17:58:10

Hallo S3TR, danke für deine Frage. In die Gesamtbeurteilung der objektiven Zurechenbarkeit sind das geringe Alter (16) des Opfers und damit seine geringere Erfahrenheit, das überlegene Wissen des Täters über die Gefährlichkeit von Alkoholkonsum und v.a. die Täuschung bzgl. der eigenen Getränke einzubeziehen, da das Opfer dann seinen Trinkkonsum nicht anpassen konnte. Ein

atypischer Kausalverlauf

liegt vor diesem Hintergrund nicht vor. Vielmehr entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, das 45 Gläser Vodka potentiell tödlich wirken. Durch sein Verhalten hat der Täter das Opfer zu der Aufnahme dieser Menge veranlasst.

QUIG

QuiGonTim

22.4.2024, 21:33:46

Ihr begründet die

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

damit, dass B als 28-jähriger mehr Erfahrung im Umgang mit Alkohol habe als der 16-jährige A. Leider lässt sich das nicht dem Sachverhalt entnehmen. Das bloße Alter kann nicht mit einem Alkoholerfahrungsstand gleichgesetzt werden. Müsste die

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

nicht viel eher mit den im Sachverhalt geschilderten Täuschungshandlungen des B, dem andauernden Ersetzen des eigenen Tequilas durch Wasser, begründet werden?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.4.2024, 15:10:20

Hi QuiGonTim, wir haben das im Sachverhalt nun noch etwas präzisiert. Der Umstand, dass B sich hat Wasser einfüllen lassen, ist ebenfalls von Bedeutung. Hätte A mehr Erfahrung im Umgang mit Alkohol wäre ihm allerdings auch ohne den Vergleich zu seinem Kontrahenten klar gewesen, dass der Konsum von 45 Gläsern Tequila auch für Trinkfeste Personen keineswegs normal und leider sogar lebensbedrohlich ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FTE

Findet Nemo Tenetur

30.10.2024, 15:23:18

Trotz Präzisierung verstehe ich nicht ganz, weswegen es für die Antwort irrelevant ist, dass B geschummelt hat. Ergibt sich nicht daraus das hier entscheidende überlegene Wissen? Hätte er nicht geschummelt sondern selbst trinken müssen, wäre es ja vermutlich gar nicht zu 45 Gläsern gekommen, weil auch Trinkfeste Leute das nicht packen würden (so wie in Antwort von @[Lukas_Mengestu](136780) angedeutet).

Artimes

Artimes

23.10.2024, 19:03:47

Wäre das ein Fall von § 25 I Alt. 2 StGB?

LELEE

Leo Lee

27.10.2024, 06:02:15

Hallo Artimes, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat ist dein Ansatz kein schlechter, als hier aufgrund "Naivität" des Opfers eine

mittelbare Täterschaft

in Betracht kommt. Allerdings lautet die Reihenfolge immer, dass man zunächst die un

mittelbare Täterschaft

prüft und erst dann die mittelbare. Wenn wir hier also den 212 prüfen, kämen wir auch durch, da hier sämtliche Voraussetzungen - auch die obj. Zurechnung - gegeben wären. Eine

mittelbare Täterschaft

wäre theoretisch gegeben, würde jedoch zurücktreten, da die un

mittelbare Täterschaft

erfüllt ist. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage, Scheinfeld § 25 Rn. 43 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

JES

Jessica

2.4.2025, 12:57:28

Aber ab dem Punkt an dem die Tatherrschaft des Jugendlichen ausfällt könnte man doch eine

mittelbare Täterschaft

des Gastwirts in Form des Opfers als

Werkzeug gegen sich selbst

annehmen? Da stimme ich Artimes zu

LI

Linitus

25.11.2024, 15:06:01

Gehen wir in diesem Fall davon aus, dass B um die Minderjährigkeit des A wusste? Wenn ja, wäre es ja eigentlich noch ein zusätzliches Argument, dass in Bs Verantwortungsbereich fällt, dass er A als Minderjährigem ohnehin keinen hochprozentigen Alkohol ausschenken durfte oder nicht?

LELEE

Leo Lee

3.2.2025, 10:52:15

Hallo Linitus, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Vorab: Du hast völlig Recht damit, dass der B dadurch eine Gefahr schafft, dass er einem Minderjährigen Hochprozentiges ausschenkt. Das steht außer Frage. Beachte allerdings, dass bei der obj. Zurechnung neben der Schaffung der Gefahr - hier klar gegeben - auch erörterungsbedürftig ist, ob sich diese Gefahr auch tatbestandsm. im Erfolg - also dem Tod - niedergeschlagen hat. Das bedeutet, fiel der Minderjährige auch der Gefahr geschaffen durch den B anheim, oder ist hat er diese Gefahr letztlich sich selbst zu verdanken, da er mglw. hierauf eingegangen ist? Diese Fragen hängen eng miteinander zusammen, weshalb es genauso richtig ist, auf beide Aspekte abzustellen. Allerdings wollten wir mit dieser Aufgabe insb. die fehlende Einsichtsfähigkeit von Opfern als Ausschlussgrund für eine

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

nehmen, weshalb wir uns des Beispiels des Minderjährigen (extreme beliebt in der Juristerei) bedient haben. Als "Parallelfall" unter Erwachsene gibt es etwa den Täter, der einem Drogensüchtigen, der nicht mehr klar denken kann, trotzdem Drogen rausgibt. Eine sehr tolle und lehrreiche Einheit rund um die

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

findest du u.a. hier: https://applink.jurafuchs.de/l5tj3j3iFQb :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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