Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Dreipersonenverhältnisse

Gesetzliche Privilegierung des Gläubigers erstreckt sich auf Dritten

Gesetzliche Privilegierung des Gläubigers erstreckt sich auf Dritten

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V hat Unternehmerin M ein Lastenrad für Ms Mitarbeiter vermietet. Dieses wird durch Ms Arbeitnehmer A leicht fahrlässig beschädigt. Ein Jahr nach Rückgabe des Rades, verlangt V Schadensersatz für das beschädigte Rad. M und A erwidern dies sei zu spät.

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Einordnung des Falls

Gesetzliche Privilegierung des Gläubigers erstreckt sich auf Dritten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat V gegen M einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 278 BGB?

Genau, so ist das!

Der Schadensersatzanspruch wegen Schutzpflichtverletzung setzt voraus, dass (1) ein (rechtsgeschäftliches oder gesetzliches) Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner eine Schutzpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat, (3) er die Verletzung zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 BGB) und (4) dem Gläubiger ein Schaden entstanden ist.M ist verpflichtet mit dem Mietgegenstand sorgsam umzugehen. Hiergegen hat A fahrlässig verstoßen. Da M ihn mit der Benutzung und damit auch der Obhut betraute, ist A bezüglich Ms Sorgfaltspflicht Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB). Sein Verhalten ist M hinsichtlich Pflichtverletzung und Vertretenmüssen zurechenbar. Durch die Beschädigung ist Vs Vermögen gemindert. Somit liegt auch ein Schaden vor.
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2. Kann V seinen Anspruch durchsetzen?

Nein, das trifft nicht zu!

Mietvertragliche Ansprüche verjähren innerhalb von sechs Monaten nach Rückgabe der Mietsache (§ 548 Abs. 1 S. 1, 2 BGB).V hat das Fahrrad bereits seit einem Jahr wieder zurückerhalten und damit länger als sechs Monate. Der Anspruch ist damit verjährt. Da M die Verjährungseinrede erhoben hat, kann V seinen Anspruch nicht durchsetzen.

3. Hat V gegen M einen durchsetzbaren deliktischen Anspruch auf Schadensersatz?

Nein!

Die im Mietvertragsrecht geltende kurze Verjährung (§ 548 Abs. 1 BGB) dient der beschleunigten Abwicklung des Mietverhältnisses. Aus diesem Grund umfasst sie nicht nur vertragliche Ansprüche, sondern auch konkurrierende Ersatzansprüche, insbesondere aus Delikt.Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen eines deliktischen Anspruchs vorliegen, so wäre dieser Anspruch ebenfalls verjährt.Da M das Fahrrad nicht selbst beschädigt hat, scheidet § 823 Abs. 1 BGB aus. In Betracht gekommen wäre eventuell eine Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB, sofern M sich nicht hätte exkulpieren können.

4. Hat V gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Schadensersatzanspruch wegen Schutzpflichtverletzung setzt voraus, dass (1) ein (rechtsgeschäftliches oder gesetzliches) Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner eine Schutzpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat, (3) er die Verletzung zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 BGB) und (4) dem Gläubiger ein Schaden entstanden ist.Zwischen V und A fehlt es bereits an einem Schuldverhältnis. Ein Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB scheidet somit aus.

5. Hat V gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB?

Ja, in der Tat!

Der haftungsbegründende Tatbestand von § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) einen Verletzungserfolg (2) durch ein zurechenbares Verhalten des Schädigers, der dabei (3) rechtswidrig und (4) schuldhaft gehandelt haben muss.A hat das Fahrrad und damit Vs Eigentum beschädigt. Dies erfolgte rechtswidrig. Da A fahrlässig gehandelt hat, handelte er auch schuldhaft.

6. Vs Anspruch gegenüber A ist verjährt, wenn A in den Mietvertrag zwischen V und M nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) einbezogen wurde.

Ja!

Liegen die Voraussetzungen des VSD vor, so hat dies zunächst zur Folge, dass der Schuldner gegenüber dem Dritten zur Sorgfalt verpflichtet ist. Zugleich kommen dem Dritten nach Auffassung des BGH aber auch bestehende Haftungsprivilegierungen des Gläubigers gegenüber dem Schuldner zugute, wie z.B. eine verkürzte Verjährungsfrist.Nicht nur der Schuldner kann sich also auf Haftungsbeschränkungen gegenüber dem Dritten berufen, sondern umgekehrt auch der Dritte gegen den Schuldner.

7. Wurde A in den Mietvertrag zwischen M und V nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter einbezogen?

Genau, so ist das!

Die Einbeziehung nach dem VSD setzt (1) Leistungsnähe des Dritten, (2) Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, (3) Erkennbarkeit für den Schuldner und (4) Schutzbedürftigkeit des Dritten voraus.Das Rad sollte ausweislich des Mietvertrages von den Mitarbeitern genutzt werden, insoweit besteht Leistungsnähe des A. Auch hat M ein berechtigtes Interesse an As Einbeziehung, da sie diesbezüglich arbeitsrechtliche Schutzpflichten treffen. Beides war für V erkennbar. Mangels eigener vertraglicher Ansprüche gegen V ist A schutzbedürftig.

8. Hat V gegen A einen durchsetzbaren Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Anspruch ist nicht durchsetzbar, wenn ihm Einreden entgegenstehen.Da A wirksam in den Vertrag zwischen V und M nach den Grundsätzen des VSD einbezogen wurde, kann sich auch A auf die kurze mietvertragliche Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB berufen. Diese erstreckt sich aufgrund ihres Schutzzwecks auch auf deliktische Ansprüche.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

3.9.2023, 01:03:00

Kann mir jemand erklären, wieso hier mur einen deliktischen Anspruch iVm VZD geprüft und aufgrund der Verjährung abgelehnt wird, aber keinen Anspruch aus §§ 280 I, 241 II iVm VZD ?

REUS04

Reus04

6.9.2023, 19:47:41

Würde mich auch interessieren. Liegt es vielleicht daran, dass ein solcher Anspruch „iVm VSD“ nur dem Dritten (hier A) zusteht?

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

20.11.2023, 07:17:40

Das dürfte daran liegen, dass ein Anspruch der V gegen A aus VzD voraussetzt, dass sie in den Schutzumfang des Vertragses zwischen Arbeitgeberin und A (Arbeitsvertrag) einbezogen wurde, in dessen Folge das Eigentum (Fahrrad) geschützt würde. Aber da fehlt es an allen Voraussetzungen.

QUIG

QuiGonTim

17.3.2024, 14:24:05

Würde man den A über VzD in das Mietverhältnis zwischen V und M einbeziehen und daraus dann einen Schadenersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB des V gegen A herleiten, würde die Einbeziehung nicht mehr ZUGUNSTEN des Dritten, also A erfolgen. Wie @[Rick-energie🦦](174760) bereits ausgeführt hat, wäre ein solcher Anspruch des V gegen A allenfalls denkbar, wenn man den V als Dritten in das Arbeitsverhältnis zwischen M und A einbezieht. Dies liegt aber aufgrund des offenkundigen Fehlens der Voraussetzungen des VzD völlig fern.

Kai

Kai

9.1.2024, 22:39:55

Wie prüfe ich in diesem Fall die Schutzbedürftigkeit des A? In den Fällen, in denen es um Schutzpflichten ging, habe ich ja immer geprüft, ob dem Verletzten andere gleichwertige Ansprüche zustehen. Da hier der A aber ja nicht Verletzter, sondern Verletzender ist, erscheint das widersinnig. Prüfe ich also stattdessen, ob A im dem Fall, dass er durch das Lastenrad geschädigt worden wäre, einen solchen Anspruch gehabt hätte? Und damit stelle ich dann fest, dass er als Dritter in den Vertrag zwischen Vermieterin und Arbeitgeberin einbezogen wurde und dieser damit VsD ist? Und infolgedessen greift dann die Haftungspriviligierung aus § 548 I auch für A?

QUIG

QuiGonTim

17.3.2024, 14:12:20

Wenn ich den Aufbau der Falllösung richtig verstanden habe, wird die Einbeziehung des A in der Mietvertrag innerhalb der Prüfung desdeliktischen Anspruchs des V gegen A geprüft. Nach meinem Verständnis zielt die Schutzwürdigkeit des A nicht auf andere ihm zustehende Ansprüche gegen V, sondern auf die Möglichkeit den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB anderweitig abzuwehren ab.

LS2024

LS2024

6.6.2024, 10:57:33

Also aus einem anderen Jurafuchs Fall habe ich mir notiert, dass die Schutzbedürftigkeit des Dritten in einem Fall wie hier gar nicht zu prüfen ist. Keine Ahnung was jetzt stimmt.


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