Zivilrecht

Werkrecht

Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel

Ausnahme: Abnahme notwendig und nicht erfolgt - dennoch Anwendung der Gewährleistungsrechte (Minderung) (+)

Ausnahme: Abnahme notwendig und nicht erfolgt - dennoch Anwendung der Gewährleistungsrechte (Minderung) (+)

20. Mai 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B beauftragt U, die Wände seines Hauses zu streichen. Nachdem U fertig ist, verweigert B die Abnahme, weil U unsauber gearbeitet hat. B setzt U eine Frist zur Nachbesserung. U lässt diese verstreichen. B streicht kurzerhand selbst nach und möchte den Lohn des U mindern.

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Einordnung des Falls

Ausnahme: Abnahme notwendig und nicht erfolgt - dennoch Anwendung der Gewährleistungsrechte (Minderung) (+)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B und U schlossen einen Werkvertrag (§ 631 BGB).

Genau, so ist das!

Der Vertragsschluss richtet sich nach den allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145ff. BGB). Bei dem Werkvertrag wird ein bestimmter Erfolg geschuldet (§ 631 Abs. 2 BGB). Dies grenzt ihn vom Dienstvertrag ab, bei dem das bloße Tätigwerden geschuldet wird. B und U vereinbarten, dass U die Wände des Hauses des B streichen soll.
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2. Das Werk ist mangelfrei (§ 633 Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Das Werk ist mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang aufweist (§ 633 Abs. 2 BGB). Der Gefahrübergang beim Werkvertrag richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Abnahme (§ 644 Abs. 1 BGB). B und U vereinbarten, dass U die Wände des Hauses des B streichen soll. U hat unsauber und damit nicht fachgerecht gearbeitet.

3. B hat das Werk abgenommen (§ 640 BGB).

Nein!

Eine Abnahme kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden. Sie verdeutlicht, dass der Besteller das Werk als vertragsgemäß erbracht anerkennt. Maßgeblich ist die Entgegennahme des Werkes und die Billigung als vertragsgemäß erbrachte Leistung. B verweigerte explizit die Abnahme.

4. Können Gewährleistungsrechte ausnahmsweise auch ohne Abnahme geltend gemacht werden?

Genau, so ist das!

Nach dem BGH könne der Besteller die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2-4 BGB auch vor der Abnahme geltend machen, wenn ein Abrechnungsverhältnis entstanden ist. Dieses entstehe, wenn (1) der Unternehmer seine Leistung als Erfüllung anbiete und (2) der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrages verlangen könne. Dies könne er nicht mehr, wenn er gegenüber dem Unternehmer Schadensersatz statt der Leistung geltend macht (§ 281 Abs. 4 BGB) oder er die Minderung des Werklohns erklärt.

5. Kann B trotz Verweigerung der Abnahme Gewährleistungsrechte in Form der Minderung geltend machen?

Ja, in der Tat!

BGH: Es müsste ein Abrechnungsverhältnis entstanden sein. (1) Der Unternehmer müsste seine Leistung als Erfüllung angeboten haben und (2) der Besteller dürfte die Erfüllung des Vertrages nicht mehr verlangen können. Er kann die Erfüllung nicht verlangen, wenn er Schadensersatz statt der Leistung geltend macht (§ 281 Abs. 4 BGB) oder die Minderung des Werklohns erklärt hat. Beseitigt der Besteller den Mangel nach abgelaufener Frist selbst, kann er ebenfalls Erfüllung nicht mehr verlangen (§ 275 BGB). U bot sein Werk als Erfüllung an. B hat nach Fristablauf selbst gestrichen, sodass er keine (Nach-)Erfüllung mehr verlangen kann.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SPA

sparfüchsin

17.4.2025, 09:44:12

Kann B hier neben der Minderung auch 634 Nr. 2 geltend machen? Also sagen, er möchte Ersatz der

erforderlich

en Aufwendungen gaben, dafür, dass er es selbst gemacht hat? und dafür ggf sogar Vorschuss gem. 637 III verlangen? Geht das auch ohne die Abnahme?

Peter im Pech

Peter im Pech

19.4.2025, 15:55:00

"Nichts anderes gilt, wenn der Besteller im Wege der Minderung nur noch eine Herabsetzung des Werklohns erreichen will. Auch in diesem Fall geht es ihm nicht mehr um den Anspruch auf die Leistung und damit um die

Erfüllung

des Vertrags. Verlangt dagegen der Besteller einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels im Wege der

Selbstvornahme

erforderlich

en Aufwendungen, erlischt der

Erfüllung

sanspruch des Bestellers nicht. Denn das Recht zur

Selbstvornahme

und der Anspruch auf Kostenvorschuss lassen den

Erfüllung

sanspruch und den

Nacherfüllungsanspruch

unberührt. Der Besteller ist berechtigt, auch nach einem Kostenvorschussverlangen den (Nach-)

Erfüllung

sanspruch geltend zu machen. Ausnahmsweise kann die Forderung des Bestellers, ihm einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels

erforderlich

en Aufwendungen zu zahlen, zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn der Besteller den (Nach-)

Erfüllung

sanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann. Das ist etwa der Fall, wenn der Besteller ausdrücklich oder

konkludent

zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)

Erfüllung

durch ihn ablehnt. In dieser Konstellation kann der Besteller nicht mehr zum (Nach-)

Erfüllung

sanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren. Weil die verbleibenden Rechte des Bestellers damit ausschließlich auf

Geld

gerichtet sind, entsteht ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis, in dessen Rahmen die Rechte aus § BGB § 634 Nr. BGB § 634 Nummer 2–BGB § 634 Nummer 4 BGB ohne Abnahme geltend gemacht werden können." Wörtlich übernommen aus: Schwenker, Keine Mängelrechte vor Abnahme (NJW 2017, 1579, 1580)

Peter im Pech

Peter im Pech

19.4.2025, 16:05:57

"Zur Erläuterung dieser möglichen Ausnahmefälle verweist der Senat auf die beiden parallelen Urteile vom 19.1.2017, in denen die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelrechten ohne Abnahme vorlagen. Wenn der Besteller nach §§ BGB § 634 Nr. BGB § 634 Absatz 1 Nummer 2, BGB § 637 BGB § 637 Absatz I, BGB § 637 Absatz III BGB einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels im Wege der

Selbstvornahme

erforderlich

en Aufwendungen verlange, erlösche der

Erfüllung

sanspruch des Bestellers dagegen nicht. Denn das Recht zur

Selbstvornahme

und der Anspruch auf Kostenvorschuss würden den

Erfüllung

sanspruch (§ BGB § 6

31 BGB

) und den

Nacherfüllungsanspruch

(§ BGB § 634 Nr. BGB § 634 Nummer 1 BGB) unberührt lassen. Der Besteller sei also auch nach einem Kostenvorschussverlangen noch berechtigt, den (Nach-)

Erfüllung

sanspruch geltend zu machen. Ausnahmsweise soll die Forderung des Bestellers, ihm einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels

erforderlich

en Aufwendungen zu zahlen, aber doch zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn der Besteller den (Nach-)

Erfüllung

sanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen könne. Dies sei der Fall, wenn der Besteller ausdrücklich oder

konkludent

zum Ausdruck bringe, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)

Erfüllung

ablehne. In dieser Konstellation könne der Besteller nicht mehr zum (Nach-)

Erfüllung

sanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren. Da die verbleibenden Ansprüche ausschließlich auf

Geld

gerichtet seien, entstehe ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis, in dessen Rahmen die Rechte aus § BGB § 634 Nr. BGB § 634 Nummer 2–BGB § 634 Nummer 4 BGB ohne Abnahme geltend gemacht werden könnten." Wörtlich aus: Looschelders, Geltendmachung von Mängelrechten ohne Abnahme des Werks, JA 2017, 708, 710.

JES

Jessica

16.5.2025, 10:55:01

Weißt du nach Welcher Vorschrift hier die Minderung stattfindet?

Peter im Pech

Peter im Pech

19.4.2025, 15:48:20

Mängelrechte nach § 634 Nr. 2-4 können ohne Abnahme geltend gemacht werden, wenn (1) der WUN das Werk als fertiggestellt zur Annahme anbietet und (2) das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist Zu (2): - Bei einem Abrechnungsverhältnis verlangt der Besteller nicht mehr die

Erfüllung

, sondern einen auf

Geld

gerichteten Anspruch - Er KANN die

Erfüllung

auch gar nicht mehr verlangen. Warum? Weil der Besteller (a) nach erfolgloser

Fristsetzung

oder bei

Entbehrlichkeit der Fristsetzung

den KLEINEN

Schadensersatz statt der Leistung

geltend macht oder (b) die Minderung erklärt. In beiden Fällen bringt der Besteller zum Ausdruck, dass er seinen

Erfüllung

sanspruch nicht mehr verfolgt, sondern das Werk behalten will (deshalb

KLEINER Schadensersatz statt der Leistung

). Es handelt sich um eine berechtigte Annahmeverweigerung. Es kommt daher auf die Abnahme nicht mehr an. Brox/Walker, Besonderes

Schuld

recht 47. Auflage 2023 Rn. 26b; Schwenker, NJW 2017, 1579; NJW 2017, 1607

Peter im Pech

Peter im Pech

19.4.2025, 15:50:02

*berechtigte

Erfüllung

sablehnung

Peter im Pech

Peter im Pech

19.4.2025, 15:50:22

im vorletzten Absatz

Peter im Pech

Peter im Pech

19.4.2025, 15:56:56

* Brox/Walker, Besonderes

Schuld

recht 47. Auflage 2023, § 24 Rn. 26b


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