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Rechtsprechung Zivilrecht
Werkrecht
Zeitpunkt des Entstehens der Gewährleistungsrechte beim Werkvertrag
Zeitpunkt des Entstehens der Gewährleistungsrechte beim Werkvertrag
3. Juli 2025
20 Kommentare
4,7 ★ (19.967 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

B beauftragt W mit einer Fassadenerneuerung. W führt die Arbeiten aus. B nimmt die Arbeiten nicht ab. Er rügt Mängel und setzt eine Frist zur Mangelbeseitigung. W verneint die Mangelhaftigkeit. Ein Gutachter stellt fest, dass die Arbeiten mangelhaft waren. B begehrt von W einen Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung.
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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Für den Kostenvorschuss kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht.
Genau, so ist das!
2. Der Anspruch auf Kostenvorschuss aus § 637 Abs. 3 BGB setzt grundsätzlich die Abnahme des Werkes voraus.
Ja, in der Tat!
3. Ausnahmsweise können Mängelrechte aber auch ohne Abnahme geltend gemacht werden.
Ja!
4. Unter Anwendung dieser Grundsätze konnte der Kostenerstattungsanspruch ohne vorherige Abnahme geltend gemacht werden.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jana-Kristin
14.8.2020, 18:23:10
Tolle Aufarbeitung der BGH-Entscheidung! Nur eine kleiner Hinweis: Bei der Frage, ob
Mängelrechtein bestimmten Fällen vor Abnahme geltend gemacht werden können, steht in der Lösung, dass dies dann der Fall ist, wenn das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Beispielsweise liegt ein solches vor, wenn der Unternehmer SE geltend macht oder
Minderungerklärt. Richtigerweise muss dies aber der Besteller ggü. den Unternehmer geltend machen bzw. erklären.

Eigentum verpflichtet 🏔️
14.8.2020, 19:29:20
Vielen lieben Dank, Jana-Kristin für das nette Lob :) Und Danke dir für den aufmerksamen Hinweis, wir haben das korrigiert!

Blackpanther
21.3.2022, 20:45:51
Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn B seinen Anpruch nicht auf Selbstvornahme, sondern auf Kleinen
Schadenersatz statt der Leistung stützt? Dann wäre doch der Abrechnungszeitraum eröffnet und die Geltendmachung ohne vorherige Abnahme möglich, während das Ergebnis für B i.E. dasselbe wäre, oder verstehe ich da was falsch?

Lukas_Mengestu
23.3.2022, 14:09:02
Hallo Blackpanther, in der Tat hält der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach bei der Forderung von
Schadensersatz/
Minderungeine Abnahme entbehrlich ist. Hätte B hier also statt dem Kostenvorschuss
Schadensersatz bzw.
Minderungverlangt, so hätte seine Klage Erfolg gehabt. Im Hinblick auf die Forderung des Kostenvorschusses blieb der BGH dagegen dabei, dass es hier im Grundsatz auf eine vorherige Abnahme ankomme. Allein durch die Vorschussforderung gehe das Verhältnis noch nicht in ein Abrechnungsverhältnis über. Dies sei allenfalls dann der Fall, wenn der Besteller ausdrücklich oder
konkludentzum Ausdruck bringe, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertig ange
botenhat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine
Nacherfüllungablehnt (RdNr. 47). Denn auch in diesem Fall, könne der Besteller nicht maher zum (Nach-) Erfüllungsanspruch zurückkehren, weswegen ausschließlich ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis vorliege. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Juraminator
19.4.2025, 17:34:50
Aber aus dem von euch im Vertiefungshinweis aufgeführten Urteil geht hervor, dass der Besteller "...– auch nach Wahl des kleinen
Schadensersatzes – weiterhin Vorschuss verlangen kann..." (NJW 2018, 1463, 1467 Rn. 51). Nach dieser Logik würde ja die Forderung nach
Schadensersatz statt der Leistungdie Abnahme entfallen lassen. Dann wäre ja auch gleichzeitig der Weg zur Vorschussforderung offen, ohne dass man erklären müsse, man wolle nicht mehr mit dem Unternehmer zusammenarbeiten (Kein (Nach-)Erfüllungsanspruch mehr). Vorschuss und
Schadensersatz wären entsprechend nicht in einem Entweder-oder-Verhältnis, sondern kumulativ möglich.
Juraminator
19.4.2025, 17:41:58
Vorausgesetzt natürlich, man verlangt gleichzeitig
Schadensersatz nach §§ 634 Nr. 4, 280, 281 und den Vorschuss nach §§ 634 Nr. 2, 637 Nr. 3 Oder liege ich da falsch?

Blackpanther
22.3.2022, 14:15:16
Ich würde mich freuen, wenn ihr noch etwas klarer darstellen könntet, warum die Ansprüche auf
Nacherfüllungund Vorschuss der Selbstvornahmekosten unproblematisch vor Abnahme und neben dem primären Erfüllungsanspruch geltend gemacht werden können (so wie ich es verstehe, weil sie im Prinzip inhaltsgleich sind). Ich weiß nicht, ob es auch anderen so geht, aber ich habe mich bei der Beantwortung gefragt, warum zunächst gesagt wird, dass für alle Gewährleistungsansprüche grds. die Abnahme erforderlich ist, danach die Ausnahmen genannt werden und als Endergebnis rauskommt, dass keine Ausnahme vorliegt, der B den Vorschuss aber trotzdem ohne Abnahme verlangen kann.

Lukas_Mengestu
23.3.2022, 13:58:31
Hallo Blackpanther, vielen Dank für Deine Nachfrage. Die entsprechende Passage aus dem Urteil ist in der Tat leicht missverständlich. Kurz vorweg: Der Vorschuss kann hier nicht verlangt werden und es kann auch keine Selbstvornahme verlangt werden. Aus diesem Grund muss hier die letzte Antwort auch mit "stimmt nicht" beantwortet werden. Nun aber kurz zum Regel-Ausnahmeverhältnis: Der BGH hat in der Entscheidung klargestellt, dass im Grundsatz sämtliche Mängelgewährleistungsrechte im Werkrecht erst NACH Abnahme geltend gemacht werden können. Vor der Abnahme stehen dem Besteller aber neben dem Erfüllungsanspruch trotzdem die Rechte aus dem allgemeinen
Leistungsstörungsrechtzu (zB Rücktritt /
Schadensersatz). Insoweit macht der BGH eine Ausnahme. Denn durch die Geltendmachung des Rücktritts/
Schadensersatzes erlischt der Primärleistungsanspruch (vgl. § 281 IV BGB). Das Vertragsverhältnis wandelt sich in ein Abrechnungsverhältnis um, weswegen letztlich die Mängelgewährleistungsrecht nach § 634 Nr. 2-4 BGB auch ohne Abnahme anwendbar sein sollen. Anders sei dies dagegen bei dem Anspruch auf Selbstvornahme. Der Anspruch auf Selbstvornahme und der
Nacherfüllungsanspruch bestehen nebeneinander (beide setzen eine Abnahme voraus). Das bedeutet, selbst wenn der Besteller einen Kostenvorschuss verlangt, so kann er von dem Unternehmer weiterhin die
Nacherfüllungverlangen. Kommt der Unternehmer dem nach, so kann er vom Besteller den Vorschuss aber natürlich zurückverlangen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger (bzw. die Rechtsvorgänger) lediglich Vorschuss, nicht aber "kleinen
Schadensersatz" verlangt. Da es für den Vorschussanspruch aber nach Ansicht des BGH der Abnahme und nicht bloß der Herstellung des Werkes bedarf, hat der BGH hier die Klage abgewiesen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Blackpanther
23.3.2022, 15:40:43
Herzlichen Dank für die Ausführliche Antwort! Nach intensiver Lektüre des Urteils habe ich es auch verstanden. Der Aufbau ist wirklich sehr missverständlich.

Im🍑nderabilie
3.1.2023, 12:02:00
Ist es nicht ein Widerspruch, den Vorschuss über den kleinen
SE statt der Leistunglaufen zu lassen, wenn die tatsächliche Erfüllung der
Hauptleistungspflichtnoch möglich ist und bei Vornahme zum letztmöglichen Zeitpunkt die Mangelhaftigkeit entfiele? Ich hadere bei dem Urteil total mit der Abgrenzung von
SE statt und neben der Leistung, könntet ihr mir das nochmal kurz im Zusammenhang erklären?
antonie
14.5.2024, 16:12:04
Ich bin gerade sehr verwirrt: Wo genau ist denn der Unterschied zwischen der Selbstvornahme und dem kleinen
Schadensersatz, zumal beide eine
Fristsetzungvoraussetzen und man im Werkrecht keine fiktiven Beseitigungskosten mehr verlangen kann? Wann prüfe ich welche AGL? Wäre sehr dankbar für Aufklärung!

Cosmonaut
17.2.2025, 11:39:55
@[antonie](223803) Ich probiere mich mal: Der Unterschied zwischen der Selbstvornahme nach § 637 BGB und dem kleinen
Schadensersatz nach §§ 634, 280 Abs. 1, Abs. 3,
281 BGBliegt vor allem in der Art der Rechtsfolge und den Voraussetzungen. 1. Selbstvornahme nach § 637 BGB Gilt nur für das Werkvertragsrecht. Voraussetzung: - Ein mangelhaftes Werk liegt vor (§ 634 Nr. 2 BGB). - Eine
angemessene Frist zur Nacherfüllungwurde gesetzt oder ist entbehrlich. - NE vom Unternehmer nicht (ausreichend) vorgenommen bzw. entbehrlich. Rechtsfolge: - Der Besteller kann den Mangel selbst beseitigen oder durch einen Dritten beseitigen lassen. Er kann vom Unternehmer Ersatz der erforderlichen, tatsächlich angefallenen Aufwendungen (!) verlangen. ➡️ Ergebnis: Der Besteller erhält
AUFWENDUNGSERSATZ, aber keinen (!)
Schadensersatz für weitere Folgeschäden. beachte: Neben dem Recht zur Selbstvornahme besteht ggf. auch ein SE-Anspruch des Bestellers wg. erlittener Folgeschäden / Nutzungsausfälle. 2.
Kleiner Schadensersatznach §§ 634, 280 Abs. 1, Abs. 3,
281 BGBGilt auch für das Werkvertragsrecht, und generell im
Leistungsstörungsrecht. Voraussetzung (insb.): - Ein mangelhaftes Werk liegt vor (§ 634 Nr. 4 BGB). - Eine
angemessene Frist zur Nacherfüllungwurde gesetzt oder ist entbehrlich. - Der Unternehmer hat die Pflichtverletzung zu vertreten (Ver
schulden erforderlich). Rechtsfolge: - Der Besteller kann die Leistung behalten, aber die Kosten der Mangelbeseitigung als
Schadensersatz fordern. Er ersetzt den Mangel also nicht selbst, sondern verlangt
GELDALS ERSATZ. ➡️ Ergebnis: Der Besteller erhält einen echten
Schadensersatz, der auch Folgeschäden umfassen kann. Hauptunterschiede zusammengefasst Selbstvornahme (§ 637 BGB) - RF: Ersatz der Aufwendungen für Mangelbeseitigung - Ver
schulden erforderlich? ❌ Nein -
Fristsetzungerforderlich? ✅ Ja (außer entbehrlich) - Besteller beseitigt Mangel selbst? ✅ Ja
Kleiner Schadensersatz(§§ 634, 280,
281 BGB) - RF:
Geldersatz für Mangelbeseitigungskosten + evtl. weitere Schäden - Ver
schulden erforderlich? ✅ Ja -
Fristsetzungerforderlich? ✅ Ja (außer entbehrlich) - Besteller beseitigt Mangel selbst? ❌ Nein 👉 Zusammenfassung: Selbstvornahme: Besteller repariert selbst / lässt reparieren und verlangt (nur) dafür
Aufwendungsersatz.
Kleiner Schadensersatz: Besteller verlangt
Geldfür (alle) entstandenen Schäden und beauftragt davon etwa (auch) eine Reparatur;(Mangel-)Folgeschäden / Nutzungsaufälle sind jdf. mitumfasst.

mkrg
24.2.2025, 15:06:52
@[Cosmonaut](188718) mega Übersicht! Danke dir! :)
Juraminator
21.4.2025, 14:18:54
Kann die Fälligkeit nach dem Parteiwillen auch zu einem anderem Zeitpunkt als dem der Abnahme vereinbart werden? Handelt es sich bei dem Erfordernis der Abnahme um dispositves Recht?
Juraminator
21.4.2025, 14:19:38
(Die Fälligkeit der Vergütung des Werkunternehmers)
P K
21.4.2025, 23:02:45
Kann man grundsätzlich anders vereinbaren. In AGB muss man ggf. aufpassen, weil die Vor
leistungspflichtdes Unternehmers zu den Grundzügen der gesetzlichen Regelung zählen dürfte. Die Vor
leistungspflichtkomplett zulasten des Bestellers umzukehren, dürfte in AGB daher schwierig sein. Wenn aber schon § 632a BGB dem Unternehmer ermöglicht, ohne eine ausdrückliche
Abrede, Abschlagszahlungen für einen der bisherigen Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung zu verlangen, kann man derartige Regeln erst recht auch in AGB vereinbaren, wenn man wie gesagt die Vor
leistungspflichtnicht komplett umkehrt.