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Klassisches Klausurproblem

Nachbar N hört regelmäßig abends aus der Nachbarwohnung von M und F Schlaggeräusche und Frauenschreie. N erzählt daraufhin Omi O aus dem ersten Stock, dass der M ein Haustyrann sei, der seine Frau schlage. M meint, er trainiere abends am Boxsack, während F Horrorfilme schaue. Was nun stimmt, lässt sich nicht aufklären.

Einordnung des Falls

Grundfall / Behaupten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die üble Nachrede (§ 186 StGB) ist auf die Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen und Werturteilen anwendbar.

Nein, das trifft nicht zu!

Die üble Nachrede (§ 186 StGB) verlangt das Behaupten oder Verbreiten einer Tatsache, die geeignet ist, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die üble Nachrede erfasst daher nur rufschädigende Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten. § 186 StGB stellt damit das unter Strafe, was gerade nicht unter den Anwendungsbereich des § 185 StGB fällt.

2. N hat die Tatsache behauptet.

Ja!

Tatsachen sind Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Behaupten ist das Hinstellen einer Tatsache als wahr. Der Täter verbreitet die Tatsache, wenn er eine bereits von einem anderen aufgestellte Behauptung als Wissen eines anderen weitergibt. Ob M die F schlägt, ist eine dem Beweis zugängliche Tatsache. Diese hat N als wahr hingestellt.

3. Der Täter muss die Tatsache einem Dritten gegenüber äußern.

Genau, so ist das!

Die Behauptung bzw. Verbreitung muss "in Beziehung auf einen anderen" erfolgen, sodass Adressat der Äußerung und von der Äußerung Betroffener personenverschieden sein müssen (Drittbezug). Betroffener der Äußerung ist M, behauptet hat N die Tatsache gegenüber O.

4. Die Tatsache ist ehrenrührig.

Ja, in der Tat!

Die Tatsache muss geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (Ehrenrührigkeit). Erforderlich ist also eine Eignung zu einer Ehrverletzung. Diese liegt vor, wenn die Tatsache Grundlage eines negativen Urteils über die Ehre des Betroffenen sein kann. Die Tatsache, M schlage seine Frau, kann Grundlage des negativen Urteils über M als (krimineller) "Schläger" bzw. "Frauenschläger" oder "Haustyrann" sein.

5. M ist passiv beleidigungsfähig.

Ja!

Die üble Nachrede (§ 186 StGB) setzt die passive Beleidigungsfähigkeit des Tatobjekts voraus. Beleidigungsfähig sind insbesondere alle lebenden natürlichen Personen als Ehrträger. M ist als Mensch eine natürliche Person.

6. N musste vorsätzlich hinsichtlich der Unwahrheit handeln.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der subjektive Tatbestand erfordert bedingten Vorsatz bezüglich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes. Weil die Unwahrheit der Tatsache kein objektives Tatbestandsmerkmal ist, muss sich der Vorsatz hierauf nicht erstrecken. Es genügt, dass der Täter die Eignung zur Verächtlichmachung bzw. Herabwürdigung kennt.N weiß zumindest, dass die Aussage, M sei ein Haustyrann und schlage seine Frau, geeignet ist, ihn herabzuwürdigen.

7. Für die üble Nachrede (§ 186 StGB) muss die Tatsache unwahr sein.

Nein, das trifft nicht zu!

Die üble Nachrede (§ 186 StGB) verlangt, dass die Tatsache nicht erweislich wahr ist. Es handelt sich dabei um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, sodass der Täter diesbezüglich weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln muss. Die Tatsache muss folglich nicht erweislich unwahr sein. Der Täter trägt hierdurch das Risiko für seine Äußerung. Ihm soll die Schutzbehauptung abgeschnitten werden, er habe die Tatsache für wahr gehalten ("Lästern auf eigene Gefahr"). Der Wahrheitsbeweis ist erbracht, wenn der Tatsachenkern als wahr erwiesen ist, der das Ehrverletzende der zu beurteilenden Äußerung begründet. Misslingt der Wahrheitsbeweis, hilft dem Täter sein guter Glaube nicht. Es lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob M seine Frau tatsächlich schlägt. Daher gilt Ns Behauptung als nicht erweislich wahr.

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Eileen 🦊

Eileen 🦊

19.6.2023, 10:30:35

Müsste es im Text nicht eigentlich "nicht erweislich wahr" heißen?

DIAA

Diaa

30.9.2023, 21:57:21

Das frage ich mich auch

Cosmonaut

Cosmonaut

25.1.2024, 16:55:11

Hallo zusammen, Ihr habt recht: Im Gesetz steht in § 186 (sinngemäß): Wer eine Tatsache iSd § 186 behauptet „wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist…bestraft“. Wenn die TS also erweislich wahr ist, dann entfällt mangels tatsächlicher Ehrenrührigkeit die Strafwürdigkeit. Das bedeutet, dass es für § 186 des Folgenden bedarf: (1) zur Rufschädigung geeignete Tatsachen-Behauptung / Verbreitung (2) Nichterweislichkeit der Wahrheit @[Jurafuchs](137809) die Aufgabe (die beiden Lösungskästchen) sollte noch einmal auf Kohärenz überprüft werden.

TUBAT

TubaTheo

1.7.2024, 00:03:38

Dass eine Tatsache nicht erweislich wahr sein muss, schließt nicht, aus dass die Tatsache nicht auch nicht erweislich unwahr sein muss. Das bedingt sich ja beides. Ich denke, da bezieht sich die Lösung auf die Fallfrage, ob die verbreitete Tatsache unwahr sein müsse. Die Lösung sagt nur, dass die Tatsache eben nicht erweislich unwahr sein muss. Das stimmt schon so.


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