Beleidigung - Drittbezug

22. November 2024

4,7(7.579 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte sich an seiner Ex-Frau F rächen und gibt daher folgende Anzeige in der In Touch, der Lieblingszeitung der F, auf: "Callgirl F. Die Frau für erotische Stunden. Ruf mich an." Dahinter setzt T die Telefonnummer der F. F liest dies und ist empört. Anschließend erhält F ständig unangenehme Anrufe mit sexuellen Nachfragen.

Diesen Fall lösen 64,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Beleidigung - Drittbezug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat eine Tatsache behauptet.

Genau, so ist das!

Tatsachen sind Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Behaupten ist das Hinstellen einer Tatsache als wahr. Der Täter verbreitet die Tatsache, wenn er eine bereits von einem anderen aufgestellte Behauptung als Wissen eines anderen weitergibt. Ob F Prostituierte ist, ist eine dem Beweis zugängliche Tatsache. Diese hat T durch die Anzeige als wahr hingestellt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. T hat die Tatsache auch "in Beziehung auf einen anderen" behauptet.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Behauptung bzw. Verbreitung muss "in Beziehung auf einen anderen" erfolgen, sodass Adressat der Äußerung und von der Äußerung Betroffener personenverschieden sein müssen (Drittbezug). Der Drittbezug liegt nur vor, wenn erkennbar wird, dass hinter der Äußerung ein anderer als der Betroffene als – angeblicher oder wirklicher – Urheber steht. Eine solche "scheinbare Selbstmissachtung" wird durch §§ 186, 187 StGB nicht erfasst. T hat bei den Lesern des Inserats den Eindruck hervorgerufen, Urheberin sei die F selbst.

3. T hat die F durch die Anzeige beleidigt (§ 185 StGB).

Ja!

Eine Beleidigung ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe eigener Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung. Sie hat vier Bestandteile: Es wird (1) eine Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen bzw. ein Werturteil gegenüber dem Betroffenen oder einem Dritten (2) kundgegeben, (3) die Äußerung hat ehrverletzenden Inhalt und (4) wird vom Adressaten wahrgenommen. Ein Drittbezug ist hierfür im Gegensatz zu § 186 StGB nicht erforderlich. Durch Aufgabe der Anzeige hat A gegenüber der F die unwahre Tatsache geäußert, sie sei als Callgirl zur Vornahme sexueller Handlungen bereit. T hatte auch Vorsatz, was sich bereits daraus ergibt, dass er sich an der F rächen wollte.

4. T hat die F auch durch die Anrufe der Freier beleidigt.

Genau, so ist das!

Durch die sexuellen Nachfragen haben die Anrufer die unwahre Tatsache behauptet, die F sei Prostituierte. T hat diese Behauptung nicht selbst aufgestellt, sondern die Anrufer als vorsatzlose Werkzeuge benutzt. T handelte auch vorsätzlich und mit dem Willen zur Tatherrschaft (§§ 185, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

6.6.2021, 21:28:43

Ich finde hier auch die Gegenansicht, die § 186 bzw. § 187 bejaht, durchaus vertretbar. "In Beziehung auf einen anderen" kann mE auch so interpretiert werden, dass ganz allgemein eine Dreipersonenkonstellation vorliegen soll (die nicht notwendigerweise nach außen hin erkennbar sein muss). Ein solche hätten wir auch hier: T, der die Annonce schaltet, die Freier, die diese lesen, und die F als

Tatobjekt

.

Simon

Simon

6.6.2021, 21:29:14

Das oben genannte TBM kann man auch (nur) dahingehend lesen, dass

Tatobjekt

und Empfänger der verbreiteten Tatsache personenverschieden sein müssen. Auch im Hinblick auf den Unrechtsgehalt halte ich das für geboten, da die Schaffung einer kompromittierenden Sachlage oft noch ehrverletzender wirken kann als das "normale" Lästern.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen