Öffentliches Recht

Kommunalrecht

Grundlagen

Grenze der "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) - "Friede mit Skandiland I"

Grenze der "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) - "Friede mit Skandiland I"

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das autoritär regierte Skandiland überfällt seinen Nachbarstaat Makronesien. Der Gemeinderat von Zoffenhausen beschließt, „die Bundesregierung darüber zu informieren, dass das Rathaus von Zoffenhausen für sofortige Friedensgespräche zwischen Skandiland und Makronesien zur Verfügung steht“.

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Einordnung des Falls

Grenze der "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) - "Friede mit Skandiland I"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Gemeinden die Verbandskompetenz zur Regelung örtlicher Angelegenheiten verschaffen?

Genau, so ist das!

Dies setzt aber voraus, dass es sich auch tatsächlich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt. Die Organzuständigkeit liegt hingegen grundsätzlich beim Rat (Grundsatz der Allzuständigkeit des Rats, vgl. § 32 Abs. 1 S. 2 GemO RP; § 22 Abs. 3 S. 1 KO TH; § 24 Abs. 1 S. 2 GemO BW).
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2. Die Gemeinde kann sich auf eine Verbandskompetenz aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG berufen, wenn sie zu einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft politisch äußert.

Ja, in der Tat!

Staatliches Verhalten bedarf regelmäßig einer Rechtsgrundlage. Durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG haben die Gemeinden das Recht, Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu regeln. Von dieser Regelungskompetenz ist auch die Befugnis umfasst, sich zu örtlichen Angelegenheiten politisch zu äußern. Die Gemeinden haben also ein kommunalpolitisches Mandat.

3. Kann sich die Gemeinde aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein allgemein-politisches Mandat herleiten, das über die Kommunalpolitik hinausgeht?

Nein!

Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG haben die Gemeinden die Verbandskompetenz zur Regelung örtlicher Angelegenheiten. Die allgemeine politische Betätigung der Gemeinde ist davon nicht erfasst. Gemeinden sollen sich daher grundsätzlich nicht mit überörtlichen (und damit staatlichen) Angelegenheiten befassen. So darf sich die Gemeinde insbesondere nicht in außenpolitische Angelegenheiten des Bundes einmischen. Ein Graubereich sind Städtepartnerschaften. Hierbei ist im Einzelfall zu prüfen, ob diese Partnerschaft einen hinreichenden Bezug zu den Bedürfnissen und Interessen der örtlichen Gemeinschaft aufweist. Bei herkömmlichen Städtepartnerschaften wird dies regelmäßig der Fall sein.

4. Die Friedensverhandlungen zwischen Skandiland und Makronesien sind eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG.

Nein, das ist nicht der Fall!

Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben. Dies ist der Fall, wenn sie den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der politischen Gemeinde betreffen. Davon ausgenommen sind insbesondere Angelegenheiten, für die der Bund oder die Länder zuständig sind, wie die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten (Art. 32 Abs. 1 GG). Ausnahmsweise darf sich eine Gemeinde auch mit den Auswirkungen überörtlicher Angelegenheiten auf die Gemeinde befassen, wenn die Gemeinde durch die Angelegenheit konkret betroffen ist („konkrete Realisierungsbetroffenheit“). Die Friedensverhandlungen von auswärtigen Staaten weisen kaum einen Bezug zu den Bedürfnissen und Interessen der örtlichen Gemeinschaft auf. Vielmehr kommt dem Bund die Zuständigkeit für diese Angelegenheit zu (Art. 32 Abs. 1 GG). Eine konkrete Realisierungsbetroffenheit von Zoffenhausen durch den militärischen Konflikt ist auch nicht ersichtlich.

5. Der Beschluss des Gemeinderats kann nicht beanstandet werden, weil er keine Rechtswirkung entfaltet.

Nein, das trifft nicht zu!

Auch Hoheitsakte, die nur symbolischen, appellativen oder informatischen Charakter haben, müssen sich grundsätzlich auf eine Rechtsgrundlage stützen. Bereits die Befassung mit überörtlichen (und damit staatlichen) Angelegenheiten ist der Gemeinde untersagt. Durch den Beschluss wird die Bundesregierung lediglich darüber informiert, dass das Rathaus für Friedensverhandlungen zur Verfügung stehe. Unabhängig vom rein informatorischen Charakter des Beschlusses ist Zoffenhausen bereits die Befassung mit der überörtlichen Angelegenheit der Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten (vgl. Art. 32 Abs. 1 GG) untersagt.

6. Der Beschluss des Gemeinderats ist rechtswidrig.

Ja!

Die Gemeinde war für den Beschluss nicht zuständig. Der Gemeinderatsbeschluss befasst sich mit einer überörtlichen Angelegenheit. Der Beschluss überschreitet daher die Grenzen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG). Die Verbandskompetenz der Gemeinde aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist deshalb nicht einschlägig. Weitere Normen, die die Verbandszuständigkeit der Gemeinde begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
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