Einführungsfall

10. Juni 2025

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A hat unbemerkt eine Kopie der EC-Karte der B erstellt. Mit der gefälschten Karte hebt er am Bankautomaten €100 ab.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A ist wegen Betrugs strafbar (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Betrug setzt tatbestandlich zunächst eine Täuschung voraus, also die intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen Menschen, um bei diesem einen Irrtum zu erzeugen. Weil hier kein anderer Mensch anwesend war, scheidet ein Betrug aus.
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2. Es kommt eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs in Betracht (§ 263a Abs. 1 StGB).

Ja!

Der „Computerbetrug“ (§ 263a Abs. 1 StGB) kann durch vier Tathandlungen begangen werden: (1) Durch unrichtige Gestaltung des Programms, (2) durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, (3) durch unbefugte Verwendung von Daten oder (4) sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf eines Datenverarbeitungsvorgangs. Daneben muss das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst worden und ein Vermögensschaden eingetreten sein. Geschütztes Rechtsgut ist wie beim Betrug das Vermögen. Der Norm kommt (neben § 269 StGB) die zentrale Bedeutung bei der Bekämpfung der sog. Computerkriminalität zu.

3. A hat durch den Einsatz der kopierten EC-Karte unbefugt Daten verwendet.

Genau, so ist das!

Wann Daten unbefugt verwendet werden, ist umstritten. Nach der herrschenden betrugsäquivalenten Auslegung ist die Verwendung unbefugt, wenn sie gegenüber einem Menschen Täuschungscharakter hätte. Nach der subjektiven Auslegung ist die Datenverwendung unbefugt, wenn der erkennbare Wille des Verfügungsberechtigen entgegensteht. Die computerspezifische Auslegung hingegen verlangt, dass auf computerspezische Weise ordnungswidrig auf die Datenverarbeitung eingewirkt wird. Durch Verwenden der gefälschten Karte hat A nach allen Auffassungen unbefugt Daten verwendet.

4. A hat den Ablauf eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst.

Ja, in der Tat!

Die Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorgangs entspricht dem Irrtum und der Vermögensverfügung beim Betrug und liegt vor, wenn das Ergebnis von demjenigen abweicht, das ohne die Tathandlung erzielt worden wäre. Außerdem muss der Datenverarbeitungsvorgang unmittelbar vermögensmindernd wirken (Quasi-Vermögensverfügung).Infolge der Kartenverwendung hat der Automat Geld ausgezahlt, das er sonst nicht ausgezahlt hätte. Folglich liegt ein abweichendens Arbeitsergebnis vor. Der Vorgang hat auch unmittelbar das Vermögen der Bank (vgl. § 675v BGB) gemindert.Es wird teilweise gefordert, der Datenverarbeitungsvorgang müsse bereits laufen (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB). Dem ist entgegenzuhalten, dass das Ingangsetzen die stärkste Form der Ablaufbeeinflussung ist.

5. A hat das Vermögen eines anderen beschädigt.

Ja!

Der Begriff der Vermögensbeschädigung entspricht dem Vermögensschaden beim Betrug. Sie liegt vor, wenn das Ergebnis des Datenverarbeitungsvorgangs unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Opfervermögens führt.Durch Auszahlung der €100 hat sich das Vermögen der Bank in dieser Höhe gemindert, ohne dass ihr (wegen § 675v BGB) ein Ausgleichsanspruch gegen den Kunden aus §§ 675c, 670 BGB zusteht. Folglich hat die Bank einen Vermögensschaden erlitten.Läge der Fall anders, wäre ein Dreieckscomputerbetrug zulasten des Karteninhabers zu prüfen.

6. Hinsichtlich seiner Bereicherung genügt eventualvorsätzliches Handeln des A.

Nein, das ist nicht der Fall!

Neben dem Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale ist im subjektiven Tatbestand unter anderem auch die Absicht zu prüfen, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Eventualvorsatz reicht nicht aus, es muss Absicht gegeben sein. Der Computerbetrug ist also ein Delikt mit überschießender Innentendenz.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Amastris

Amastris

16.1.2024, 21:30:52

Wie ist denn die Abgrenzung

direkter Vorsatz

und Absicht nochmal zu treffen?

JUL

Julian

20.1.2024, 09:27:53

Absicht oder

dolus directus 1. Grades

liegt dann vor, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, die Rechtsgutsverletzung herbeizuführen bzw. den Umstand zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln vorsieht.

Direkter Vorsatz

oder

dolus directus 2. Grades

liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, unabhängig davon, ob ihm der Eintritt des Erfolges gewünscht ist. Ich merke es mir immer etwas untechnisch; Absicht (

dolus directus 1. Grades

) = besonderes Wollen, also Dominanz des voluntativen Elements;

Direkter Vorsatz

(

dolus directus 2. Grades

) = sicheres Wissen, also Dominanz des kognitiven Elements.

OKA

okalinkk

24.2.2025, 23:45:30

inwiefern prüft denn der Computer, ob die Karte gefälscht ist? es könnte genauer unter die einzelnen Theorien subsumiert werden. ich finde das hier nicht ganz trivial.

lexspecialia

lexspecialia

31.3.2025, 17:30:28

Ich hätte gesagt, dass der Täter durch die Fälschung der Karte, dem gedachten Kasseangestellten vor spiegelt, dass er der Berechtigte ist. (Betrugsorientierte Auslegung der

unbefugt

en

Verwendung

von Daten )

Nadim Sarfraz

Nadim Sarfraz

17.5.2025, 16:28:42

Hallo okalinkk, vielen Dank für Deine Nachfrage. Du hast Recht, dass das hier nicht ganz trivial ist. Ob das Computerprogramm tatsächlich prüft, ob die Karte gefälscht ist, ist hier zumindest nach der herrschenden betrugsspezifischen Auslegung nicht von Relevanz: a. Subjektive Theorie Mit der weiten subjektiven Theorie, welche die Rspr. früher vertrat (siehe etwa BGHSt 40, 331, 334) läge eine

unbefugte Verwendung von Daten

vor, wenn gegen den erkennbaren, ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des über die Daten Verfügungsberechtigten gehandelt wird. Nach dieser Theorie widerspräche es zumindest dem mutmaßlichen Willen des tatsächlich Berechtigten, dass dessen Daten - auch mittels einer Fälschung - dazu verwendet werden, über dessen Konto zu verfügen. b. hM: Betrugsspezifische Auslegung Mit der auch schon von @[lexspecialia](213087) erwähnten hM, der betrugsspezifischen Auslegung (zB BGH NStZ 2013, 281), müsste die

Verwendung

der Daten äquivalent zu einer Täuschung iSd § 263 StGB gegenüber einer Person sein, die man sich anstelle des Computers vorstellt. Hier würde der Täter mit Vorlage der Bankkarte eine:n imaginierte:n Mitarbeiter:in der Bank

konkludent

vorspiegeln, dass er 1. die Berechtigung zur

Verwendung

der in der Karte verkörperten Daten innehat, 2. die vorgelegte Karte eine seitens der Bank ausgestellte Berechtigung zur Verfügung über das Konto verkörpert (was angesichts der Fälschung nicht der Fall ist). Im Sinne dieser Theorie wäre das also ebenfalls eine

unbefugt

e

Verwendung

der Daten. c.

Computerspezifische Auslegung

Mit der eher exotischen computerspezifischen Auslegung (OLG Celle, NStZ 1989, 367) ist die

Verwendung

als

unbefugt

zu bewerten, wenn sie nicht in Übereinstimmung mit der Funktion des Programmes erfolgt. Hier könnte man tatsächlich Deinen Punkt aufgreifen, und problematisieren, ob, wenn der Datenverarbeitungsvorgang eine Überprüfung der Echtheit der Karte gar nicht vorsieht, überhaupt eine

unbefugt

e

Verwendung

gegeben ist. Diese Theorie lehnt die hM insbesondere deshalb ab, da sie den Anwendungsbereich von § 263a StGB deutlich verengt - was auch an diesem Fall anschaulich wird - und den gesetzgeberischen Willen missachtet, ein technisches Äquivalent mit den Grundwertungen des § 263 StGB zu schaffen (vertiefend dazu Schmidt in: BeckOK-StGB, § 263a StGB, Rn. 22 f.). Ich hoffe, ich konnte Dir etwas weiterhelfen. Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

24.2.2025, 23:50:58

Der Schaden der Bank liegt darin, dass sie wegen 675v Abs 2 keinen Anspruch gegen den Kontoinhaber hat?

indubioprokrastinieren

indubioprokrastinieren

8.4.2025, 15:49:33

Ich verstehe nicht den Unterschied zum Fall mit dem Schokoriegelautomaten wo jemand eine Falsche Münze einwirft und dann sagen wir es ist 242?

OKA

okalinkk

16.4.2025, 14:46:32

?


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