+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A hat unbemerkt eine Kopie der EC-Karte des B erstellt. Mit der gefälschten Karte hebt er am Bankautomaten €100 ab.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A ist wegen Betrugs strafbar (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Betrug setzt tatbestandlich zunächst eine Täuschung voraus, also die intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen Menschen, um bei diesem einen Irrtum zu erzeugen. Weil hier kein anderer Mensch anwesend war, scheidet ein Betrug aus.
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2. Es kommt eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs in Betracht (§ 263a Abs. 1 StGB).

Ja!

Der „Computerbetrug“ (§ 263a Abs. 1 StGB) kann durch vier Tathandlungen begangen werden: (1) Durch unrichtige Gestaltung des Programms, (2) durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, (3) durch unbefugte Verwendung von Daten oder (4) sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf eines Datenverarbeitungsvorgangs. Daneben muss das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst worden und ein Vermögensschaden eingetreten sein. Geschütztes Rechtsgut ist wie beim Betrug das Vermögen. Der Norm kommt (neben § 269 StGB) die zentrale Bedeutung bei der Bekämpfung der sog. Computerkriminalität zu.

3. A hat durch den Einsatz der kopierten EC-Karte unbefugt Daten verwendet.

Genau, so ist das!

Wann Daten unbefugt verwendet werden, ist umstritten. Nach der herrschenden betrugsäquivalenten Auslegung ist die Verwendung unbefugt, wenn sie gegenüber einem Menschen Täuschungscharakter hätte. Nach der subjektiven Auslegung ist die Datenverwendung unbefugt, wenn der erkennbare Wille des Verfügungsberechtigen entgegensteht. Die computerspezifische Auslegung hingegen verlangt, dass auf computerspezische Weise ordnungswidrig auf die Datenverarbeitung eingewirkt wird. Durch Verwenden der gefälschten Karte hat A nach allen Auffassungen unbefugt Daten verwendet.

4. A hat den Ablauf eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst.

Ja, in der Tat!

Die Beeinflussung eines Datenverarbeitungsvorgangs entspricht dem Irrtum und der Vermögensverfügung beim Betrug und liegt vor, wenn das Ergebnis von demjenigen abweicht, das ohne die Tathandlung erzielt worden wäre. Außerdem muss der Datenverarbeitungsvorgang unmittelbar vermögensmindernd wirken (Quasi-Vermögensverfügung).Infolge der Kartenverwendung hat der Automat Geld ausgezahlt, das er sonst nicht ausgezahlt hätte. Folglich liegt ein abweichendens Arbeitsergebnis vor. Der Vorgang hat auch unmittelbar das Vermögen der Bank (vgl. § 675v BGB) gemindert.Es wird teilweise gefordert, der Datenverarbeitungsvorgang müsse bereits laufen (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB). Dem ist entgegenzuhalten, dass das Ingangsetzen die stärkste Form der Ablaufbeeinflussung ist.

5. A hat das Vermögen eines anderen beschädigt.

Ja!

Der Begriff der Vermögensbeschädigung entspricht dem Vermögensschaden beim Betrug. Sie liegt vor, wenn das Ergebnis des Datenverarbeitungsvorgangs unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Opfervermögens führt.Durch Auszahlung der €100 hat sich das Vermögen der Bank in dieser Höhe gemindert, ohne dass ihr (wegen § 675v BGB) ein Ausgleichsanspruch gegen den Kunden aus §§ 675c, 670 BGB zusteht. Folglich hat die Bank einen Vermögensschaden erlitten.Läge der Fall anders, wäre ein Dreieckscomputerbetrug zulasten des Karteninhabers zu prüfen.

6. Im subjektiven Tatbestand genügt direkter Vorsatz.

Nein, das ist nicht der Fall!

Neben dem Vorsatz ist im subjektiven Tatbestand die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen zu prüfen. Direkter Vorsatz reicht nicht aus, es muss Absicht gegeben sein. Der Computerbetrug ist also ein Delikt mit überschießender Innentendenz.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AMA

Amastris

16.1.2024, 21:30:52

Wie ist denn die Abgrenzung direkter Vorsatz und Absicht nochmal zu treffen?

JUL

Julian

20.1.2024, 09:27:53

Absicht oder

dolus directus 1. Grades

liegt dann vor, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, die Rechtsgutsverletzung herbeizuführen bzw. den Umstand zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln vorsieht. Direkter Vorsatz oder

dolus directus 2. Grades

liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, unabhängig davon, ob ihm der Eintritt des Erfolges gewünscht ist. Ich merke es mir immer etwas untechnisch; Absicht (

dolus directus 1. Grades

) = besonderes Wollen, also Dominanz des voluntativen Elements; Direkter Vorsatz (

dolus directus 2. Grades

) = sicheres Wissen, also Dominanz des kognitiven Elements.

AS

as.mzkw

20.9.2024, 17:58:43

Die Frage ist meines Erachtens sehr unglücklich formuliert, weshalb ich auch mit „Ja“ geantwortet habe, denn: Hinsichtlich des Vorsatzes reicht sehr wohl direkter Vorsatz (ja sogar nur bedingter). Lediglich hinsichtlich der

Bereicherungsabsicht

muss der Täter, wie sich aus dem Begriff ja bereits selbst ergibt absichtlich agieren. Insofern weicht § 263a StGB im subjektiven Tatbestand nicht von § 263 StGB.


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