Erforderlichkeit bei tödlich wirkenden Verteidigungsmitteln


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T nimmt O in den Schwitzkasten, sodass O keine Luft mehr bekommt. Deshalb versetzt O dem T vier Messerstiche in Oberkörper und Hals. T lässt infolge der Messerstiche - von denen zwei tödlich wirken - von O ab.

Einordnung des Falls

Erforderlichkeit bei tödlich wirkenden Verteidigungsmitteln

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O befand sich in einer Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Eine Notwehrlage setzt einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff voraus. Dabei ist unter einem Angriff jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter und Interessen zu verstehen. Dieser ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch fortdauert. Das Verhalten des T stellte einen Angriff auf Leib und Freiheit des O dar, welcher zum Zeitpunkt der Stiche auch noch nicht beendet war. Da T seinerseits auch nicht gerechtfertigt handelte, liegt eine objektive Notwehrlage vor.

2. Stellen die Stiche des O eine geeignete Notwehrhandlung dar (§ 32 Abs. 2 StGB)?

Ja!

Die Geeignetheit ist aus einer ex-ante Sicht des Angegriffenen zu beurteilen.Die Stiche des O beendeten sofort den Angriff des T und waren somit eine geeignete Notwehrhandlung.

3. Die Stiche des O waren auch das relativ mildeste Mittel.

Genau, so ist das!

Eine geeignete Verteidigungshandlung ist erforderlich, soweit sie das relativ mildeste zur Verfügung stehende Mittel darstellt. Dies beurteilt sich nach einem objektiven ex ante-Urteil, wobei die konkreten Umstände der Kampflage genau zu prüfen sind.Vorliegend kann nicht unterstellt werden, dass Stiche in weniger gefährliche Körperregionen den Angriff zwingend beendet hätten. Zudem wäre in der konkreten Situation des O (Angst, Atemnot, etc.) ein gezielteres Einstechen nicht möglich gewesen. Die Stiche sind trotz ihrer Gefährlichkeit in der konkreten Situation das sicherste und zugleich mildeste Verteidigungsmittel.

4. Os Verteidigung müsste auch eine erforderliche Notwehrhandlung darstellen.

Genau, so ist das!

Eine Notwehrhandlung ist erforderlich (§ 32 Abs. 2 StGB), wenn sie geeignet ist, den Angriff zu unterbrechen und die Art und Maß der Verteidigungshandlung der drohenden Gefahr entsprechen, d.h. die vom Täter gewählte Verteidigung das mildeste der gleich geeigneten Mittel ist (sog. Erforderlichkeit im engeren Sinne).

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TO

Toni22

5.6.2020, 21:51:25

Ich denke es wäre aber nicht erforderlich gewesen alle vier (!) Stiche auszuführen. Daher finde ich es nicht ganz überzeugend dieses Verhalten als relativ mildestes Mittel zu werten.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.6.2020, 15:15:20

Danke für die Anmerkung! Dann müsste aber sicher sein, dass Stiche in weniger gefährliche Körperregionen oder weniger Stiche den Angriff zwingend beendet hätten. Dafür gibt es uE keine Anhaltspunkte.

S.

s.t.

13.9.2021, 16:57:06

Hier denke ich ist es schon geeignet, da dieser keine Luft mehr bekommt und damit auch nicht wirklich zumutbar ist, wo die Stiche schließlich platziert werden... demnach sind 4 Stiche schon geboten, da er sicher auch unwirksame Stichwunden zugefügt hat..

QUIG

QuiGonTim

16.3.2022, 22:35:33

Liebes Jurafuchs-Team, ich habe zwei Anmerkungen zu diesem Fall: In der Antwort zur zweiten Fall frage wird nach der Geeignetheit gefragt, aber zunächst die Erforderlichkeit definiert. Das wirkt ein wenig verwirrend. Eine saubere Trennung wäre an dieser Stelle wünschenswert. In der Antwort zur letzten Fallfrage führt ihr zur Begründung der Erforderlichkeit die Angst des O an. Müsste man dann nicht auch einen möglichen Notwehrexzess ansprechen? Ansonsten wieder einmal ein sehr grr wer gelungener Fall. Danke für eure Arbeit. :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.3.2022, 12:55:08

Lieber QuiGonTim, vielen Dank wieder einmal für Deine Hinweise. Die Trennung haben wir hier nun vorgenommen. Auf den Notwehrexzess kommst Du letztlich nur zu sprechen, wenn Du hier die Erforderlichkeit ablehnst und damit die Rechtfertigung ausscheidet. Dann wäre in der Tat auf Ebene der Schuld der Exzess (§ 33 StGB) zu prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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