Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Rechtfertigungsgründe
Erforderlichkeit bei tödlich wirkenden Verteidigungsmitteln
Erforderlichkeit bei tödlich wirkenden Verteidigungsmitteln
18. April 2025
7 Kommentare
4,7 ★ (36.180 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T nimmt O in den Schwitzkasten, sodass O keine Luft mehr bekommt. Deshalb versetzt O dem T vier Messerstiche in Oberkörper und Hals. T lässt infolge der Messerstiche - von denen zwei tödlich wirken - von O ab.
Diesen Fall lösen 88,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Erforderlichkeit bei tödlich wirkenden Verteidigungsmitteln
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. O befand sich in einer Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Stellen die Stiche des O eine geeignete Notwehrhandlung dar (§ 32 Abs. 2 StGB)?
Ja!
3. Die Stiche des O waren auch das relativ mildeste Mittel.
Genau, so ist das!
4. Os Verteidigung müsste auch eine erforderliche Notwehrhandlung darstellen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Toni22
5.6.2020, 21:51:25
Ich denke es wäre aber nicht erforderlich gewesen alle vier (!) Stiche auszuführen. Daher finde ich es nicht ganz überzeugend dieses Verhalten als relativ mildestes Mittel zu werten.

Christian Leupold-Wendling
22.6.2020, 15:15:20
Danke für die Anmerkung! Dann müsste aber sicher sein, dass Stiche in weniger gefährliche Körperregionen oder weniger Stiche den Angriff zwingend beendet hätten. Dafür gibt es uE keine Anhaltspunkte.
s.t.
13.9.2021, 16:57:06
Hier denke ich ist es schon geeignet, da dieser keine Luft mehr bekommt und damit auch nicht wirklich zumutbar ist, wo die Stiche schließlich platziert werden... demnach sind 4 Stiche schon geboten, da er sicher auch unwirksame Stichwunden zugefügt hat..

Lukas_Dunkel
21.1.2025, 12:11:16
Vor allem mal aus der Sicht des Verteidigenden… er hat ja nicht auf den Täter weiter eingestochen, während dieser am Boden lag. Von einem Schreibtisch aus ist immer alles so leicht zu beurteilen.

Charles "Chuck" McGill
13.2.2025, 11:45:46
Die Effektivität eines Stiches oder Schusses lässt sich vorab nicht sicher bestimmen. Je nachdem wo genau getroffen wird kann die Wirkung extrem schwanken. Zweifel an der Effektivität eines Mittels gehen zu Lasten des Angreifers. Der Verteidiger muss sich auf einen Kampf mit ungewissen Ausgang nicht einlassen. Er muss insbesondere nicht aus Rücksicht auf den Angreifer zulassen, in eine schlechtere Verteidigungsposition gedrängt zu werden. Viel mehr darf er sich des Mittels bedienen, das geeignet ist den Angriff *sofort und endgültig* zu beenden. Nur unter diesen muss er das mildeste wählen. Aus diesem Grund muss er nicht erst einmal zustechen, einen Effekt oder dessen ausbleiben abwarten und dann ggf. nochmal zustechen, sondern kann zustechen, bis der Angriff erkennbar abgewehrt ist. Offenbar ließ der Angreifer hier nach den Stichen 1-3 noch nicht von ihm ab. Entsprechend durfte er auch einen vierten Stich setzen. Der Verteidiger muss nicht abwarten und hoffen, dass ein Stich genügt, das
Notwehrrisiko liegt beim Angreifer. Das kann kaum genug betont werden. Anders läge es, wenn der Angreifer nach dem ersten Stich losgelassen und sich abgewand hätte. Dann wären weiter Stiche nicht erforderlich. Solange der Angriff aber fortdauert, ist das
Notwehrrecht nunmal extrem scharf. Aus diesem Grund ist es auch zeitlich so extrem begrenzt.
QuiGonTim
16.3.2022, 22:35:33
Liebes Jurafuchs-Team, ich habe zwei Anmerkungen zu diesem Fall: In der Antwort zur zweiten Fall frage wird nach der Geeignetheit gefragt, aber zunächst die
Erforderlichkeitdefiniert. Das wirkt ein wenig verwirrend. Eine saubere Trennung wäre an dieser Stelle wünschenswert. In der Antwort zur letzten Fallfrage führt ihr zur Begründung der
Erforderlichkeitdie Angst des O an. Müsste man dann nicht auch einen möglichen
Notwehrexzess ansprechen? Ansonsten wieder einmal ein sehr grr wer gelungener Fall. Danke für eure Arbeit. :)

Lukas_Mengestu
17.3.2022, 12:55:08
Lieber QuiGonTim, vielen Dank wieder einmal für Deine Hinweise. Die Trennung haben wir hier nun vorgenommen. Auf den
Notwehrexzess kommst Du letztlich nur zu sprechen, wenn Du hier die
Erforderlichkeitablehnst und damit die Rechtfertigung ausscheidet. Dann wäre in der Tat auf Ebene der Schuld der Exzess (§ 33 StGB) zu prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team