Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Erfolgsqualifizierter Versuch - Strafbarkeit bei Straflosigkeit des Versuches des Grunddeliktes 1

Erfolgsqualifizierter Versuch - Strafbarkeit bei Straflosigkeit des Versuches des Grunddeliktes 1

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte die 17-jährige Tochter O den Eltern entziehen und dabei Gewalt anwenden. T setzt gerade zur Gewaltanwendung an, als O freiwillig in seinen Wagen springt. Später verstirbt O aufgrund fehlender elterlicher Fürsorge.

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Einordnung des Falls

Erfolgsqualifizierter Versuch - Strafbarkeit bei Straflosigkeit des Versuches des Grunddeliktes 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch der Entziehung Minderjähriger unter 18 mit Gewalt (§ 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist strafbar.

Nein!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Der Versuch des § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nicht strafbar.
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2. Nach herrschender Meinung hat sich der Täter bei einem Eintritt der schweren Folge dennoch wegen erfolgsqualifizierten Versuches strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Innerhalb der Versuchslösung ist der Umgang umstritten. Die herrschende Meinung lehnt eine Strafbarkeit aber ab, wenn der Versuch des Grunddeliktes straflos ist. Als Begründung wird angeführt, dass § 18 StGB die Strafbarkeit nicht begründen dürfe. Für § 18 StGB werde eine Tat vorausgesetzt, wobei ein strafloser Versuch gerade keine Tat darstelle. Eine Tat setze vielmehr ein strafbares Verhalten voraus. Der Versuch der Entziehung Minderjähriger unter 18 mit Gewalt (§ 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB) stellt das Grunddelikt dar. Der Versuch dieses Delikts ist nicht strafbar, sodass der erfolgsqualifizierte Versuch ausscheidet.

3. Die Begründung der herrschenden Meinung erfährt von Vertretern der Strafschärfungslösung Kritik, da das Ergebnis mit dem Ansatz der herrschenden Meinung nicht begründbar sei.

Ja, in der Tat!

Die Strafschärfungslösung kommt zwar zu dem gleichen Ergebnis, da hier ein strafbarer Versuch vorliegen muss, um im Ergebnis den Strafrahmen der Erfolgsqualifikation anwenden zu können. Nach Vertretern dieser Ansicht geht jedoch die herrschende Meinung widersprüchlich vor, da die Versuchslösung den Versuch der Erfolgsqualifikation annimmt. Der Versuch der Erfolgsqualifikation ist aber auch in den Fällen strafbar, in denen das Grunddelikt selbst nicht strafbar ist. Würde man daran festhalten, dürfe die Versuchsstrafbarkeit des Grunddeliktes nichts an der Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Deliktes ändern.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LEKE

Leyla Keles

18.3.2022, 15:32:15

D.h. die h.M. fordert in den Fällen, in denen der Versuch des Grunddelikts nicht strafbar ist,

Vorsatz

bezüglich der Qualifikation für einen

Versuch der Erfolgsqualifikation

?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.3.2022, 10:45:12

Hallo leybeykel, so ist es. Beim

Versuch der Erfolgsqualifikation

muss - anders als beim erfolgsqualifizierten Versuch -

Vorsatz

im Hinblick auf die Herbeiführung des Zusatz-Erfolges bestehen. In diesem Fall lässt die hM eine Bestrafung auch dann zu, wenn der Versuch des Grunddelikts selbst nicht strafbar ist. Seit der Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit (insb. durch § 223 Abs. 2 StGB) hat der Streit viel an Bedeutung verlorenn, da die Abgrenzung nun primär bei §§ 221 Abs. 2, 3 bzw. § 235 Abs. 5 StGB und § 238 StGB Relevanz hat (vgl. Paeffgen, in: NK-StGB, 5.A. 2017, § 18 RdNr. 112). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

29.8.2023, 13:11:17

Was kann man der Kritik der Strafschärfungslösung an der Versuchslösung (versuchte Erfolgsqualifikation ist nach hM doch strafbar) wiederum entgegenhalten? Man könnte doch auch hier wiederum über die Zurechenbarkeit korrigieren, oder?

ROB

Robinski

2.8.2024, 12:39:34

Wäre hier der T trotzdem strafbar, zB wegen Totschlag durch Unterlassen?

LELEE

Leo Lee

4.8.2024, 11:40:29

Hallo Robinski, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man bzgl. des späteren Sterbens den Totschlag durch Unterlassen anprüfen. In diesem Fall ist der Sachverhalt zu kurz (ein paar Worte im zweiten Satz), um einen Totschlags

vorsatz

herzuleiten; in einer Klausur würde natürlich mehr dazu stehen, falls der Tatbestand geprüft werden soll :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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