Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Fahrlässigkeit
Begrenzung der Sorgfaltspflicht durch den "Grundsatz des erlaubten Risikos": Fahrlässigkeit bei autonomen Systemen, „Aschaffenburger Fall“
Begrenzung der Sorgfaltspflicht durch den "Grundsatz des erlaubten Risikos": Fahrlässigkeit bei autonomen Systemen, „Aschaffenburger Fall“
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die F fährt ihr Auto mit einem Spurhalteassistenten der Herstellerin H, als sie einen Schlaganfall erleidet und das Lenkrad nach rechts verreißt. Der Spurhalteassistent führt das Auto allerdings wieder auf die Straße, auf der es weiter fährt und später den O tödlich erfasst.
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Einordnung des Falls
Begrenzung der Sorgfaltspflicht durch den "Grundsatz des erlaubten Risikos": Fahrlässigkeit bei autonomen Systemen, „Aschaffenburger Fall“
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die F ist taugliche Täterin (§ 222 StGB).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Allerdings hat auch die Herstellerin H den Tod des O kausal herbeigeführt (§ 222 StGB).
Genau, so ist das!
3. Eine Strafbarkeit der Herstellerin H setzt eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung voraus (§ 222 StGB).
Ja, in der Tat!
4. H hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten, indem sie ein zwar ordnungsgemäß funktionierenden, mangels weiterer Schutzvorrichtungen aber nicht hinreichend sicheren Spurhalteassistenten einbaute.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
chuck lawris
23.2.2022, 22:48:01
Könnte man nicht dort ansetzen: Spurhalteassistenten sind darauf angelegt, zu reagieren, wenn der Mensch nicht reagiert. Sie sind dafür gemacht, falls Menschen einschlafen o.ä. Es liegt doch auf der Hand, dass das Auto geisterhaft weiterfährt, wenn die Fahrzeugführ. einschlafen. In Einzelfällen liegt also auch eine Erhöhung der Gefahr für Dritte vor. Wäre es dann nicht logische Konsequenz, den Assistent so einzustellen, dass das Auto aufhört zu fahren, wenn der Assisten ggfs gleich mehrmals aktiv wird? Dann weiß der Assistent ja, dass keiner das Steuer hat und dementsprechend auch keiner bremst. Alles Zumutbare hätte der Hersteller damit mE nicht unternommen.
Lukas_Mengestu
25.2.2022, 16:42:23
Hallo chuck lawris, spannender Punkt. Zentraler Dreh- und Angelpunkt bei der Bestimmung des erlaubten Risikos ist in der Tat der Umfang der zumutbaren Maßnahmen. Mit den von dir angeführten Argumenten kann man sich hier durchaus auch anders entscheiden. Letztlich bräuchte es hierfür aber Informationen über die technischen Möglichkeiten und dem damit verbundenen Aufwand. Mangels weiterer Sachverhaltsangaben würden wir hier aber zugunsten des H unterstellen, dass er alles Zumutbare unternommen hat (in dubio pro reo). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Blotgrim
21.5.2022, 11:41:28
Das Ding ist halt auch das der Spurhalte-Assistent sehr oft aktiv wird wenn man normal fährt, da er ja heutzutage auch kleine Fehler korrigiert.
Jan Ludwig
18.8.2024, 13:04:06
Ggf. kann man auch darauf abstellen, dass der Spurhalte-Assistent ja gerade, wie der Name schon sagt, für das Halten der Spur ein Assistent ist. Meiner Meinung nach ist es dann schwer zu argumentieren, der Hersteller müsste dann auch gleichzeitig einen Bremsassistenzen oder Ähnliches einbauen, da sich der Autoführer ja gerade für den Spurhalte-Assistenten entschieden hat, denn dieser lässt sich idR. auch ein- und ausschalten.
🦊²
6.7.2022, 17:29:01
Hi, als kurze Verständnisfrage: Die Herstellerin H ist hier als eine natürliche Person zu verstehen? (In der Praxis sind dies ja regelmäßig juristische Personen und damit würden ggf. weitere Zurechnungsprobleme auftreten) Liebe Grüße 🦊 2
Nora Mommsen
20.7.2022, 15:32:30
Hallo Fuchs², ganz genau! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Jan Ludwig
18.8.2024, 13:05:13
Naja, ggf. müsste man dann über eine Zurechnung an den Geschäftsführer/die Vertretungsorgane nachdenken.
Jan Ludwig
18.8.2024, 13:06:55
Man sollte vllt die erste Frage etwas abändern. Gefragt ist dort, ob die Fahrerin ein tauglicher Täter einer fahrlässigen Tötung ist. Die Täterqualität ist i.E. nur bei Sonderdelikten, wie z.B. bei der Amtsträgerschaft zu problematisieren. Meiner Meinung nach sollte die Frage eher lauten: Stellt die Handlung eine solche im strafrechtlichen Sinne nach.