Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Fahrlässigkeit

Begrenzung der Sorgfaltspflichten durch Vertrauensgrundsatz – Ausnahme/Abwandlung

Begrenzung der Sorgfaltspflichten durch Vertrauensgrundsatz – Ausnahme/Abwandlung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K fährt unter Einhaltung der Verkehrsregeln auf einer wenig befahrenen Straße. Er sieht, dass die sechsjährige M und der fünfjährige J am Straßenrand unbeaufsichtigt und ungestüm Ball spielen. Als K auf Höhe der beiden ist, rollt der Ball unvermittelt auf die Fahrbahn und J läuft blindlings hinterher. K erfasst J tödlich.

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Einordnung des Falls

Begrenzung der Sorgfaltspflichten durch Vertrauensgrundsatz – Ausnahme/Abwandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Strafbarkeit des K wegen fahrlässiger Tötung des J setzt eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung voraus (§ 222 StGB).

Ja, in der Tat!

Nach der Rspr. und hL setzt die Verwirklichung eines Fahrlässigkeitsdelikts zentral voraus, dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht verletzt. Wann eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, ergibt sich allerdings nicht aus der verletzten Strafnorm selbst, sondern muss aus externen Quellen bestimmt werden. Als Quellen in Betracht kommen sog. Sondernormen, Standards und Gepflogenheiten bestimmter Verkehrskreise sowie der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des Durchschnittsbürgers.
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2. Der Maßstab der anzuwendenden Sorgfaltspflichten wird grundsätzlich durch den Vertrauensgrundsatz begrenzt.

Ja!

Die Sorgfaltspflichten werden grundsätzlich durch den sog. Vertrauensgrundsatz begrenzt. Danach darf derjenige, der sich selbst sorgfaltsgemäß verhält, grundsätzlich darauf vertrauen, dass auch andere dies tun. Dieser Grundsatz kommt vor allem im Straßenverkehr zur Anwendung.

3. K durfte darauf vertrauen, dass J nicht unvermittelt und blindlings auf die Straße läuft.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Vertrauensgrundsatz ist seinerseits begrenzt, wenn ein triftiger Grund zum Nichtvertrauen vorliegt. Das ist der Fall bei konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der andere Teil sich unsorgfältig verhalten wird. Höhere Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr werden so etwa dann "reaktiviert", wenn erkennbar ist, dass der andere Teil die Situation nicht überschauen oder bewältigen kann (z.B. Kinder, Betrunkene). K hätte im Hinblick auf die Kinder und ihr ungestümes Spielverhalten höhere Sorgfaltsmaßstäbe anlegen und z.B. langsamer fahren müssen. Ferner kann sich auch der selbst verkehrswidrig Verhaltende nicht darauf verlassen, dass von ihm heraufbeschworene Gefahren von anderen gemeistert werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Linda

Linda

11.12.2021, 19:43:54

Warum steht in der Vertiefung, dass sich K rechtswidrig verhalten hat, wenn der SV angibt, dass er sich an die Verkehrsregeln gehalten hat?

Jen:ny

Jen:ny

12.12.2021, 18:40:45

Hallo Linda, der Vertiefungshinweis ist m.E. nicht auf den Fall hier bzw. auf K bezogen, sondern lediglich als weiterführendes Wissen gedacht in punkto mögliche weitere Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes.

AN

anni0910

30.11.2022, 11:47:11

Könnte man hier auch einfach auf eine Sorgfaltspflichtverletzung wegen §3 Abs. 2a StVO abstellen, statt es über den Vertrauensgrundsatz zu lösen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

1.12.2022, 12:21:47

Hallo anni0910, die Sorgfaltspflichtverletuzng kann sich aus allgemeinen Ma´ßstäben und natürlich speziellen Rechtsnormen ergeben. Der Vertrauensgrundsatz stellt aber keinen eigenen Sorgfaltmaßstab auf, sondern modifiziert die bestehenden Sorgfaltspflichten. So ist auch hier die Sorgfaltspflichtverletzung nicht aus dem Vertrauensgrundsatz abzuleiten sondern dem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Staßenverkehr. Anwendung findet der Vertrauensgrundsatz auf allgemeine Sorgfaltspflichten wie auf spezielle. Dies gilt aber nicht, wo die Sorgfaltspflicht gerade darin besteht Dritte zu überwachen oder bei Kindern. Auch bei einer Statuierung der Sorgfaltspflicht aus § 3 Abs. 2 a StVO wäre der Vertrauensgrundsatz daher anzusprechen aber abzulehnen, da er gegenüber Kindern keine uneingeschränkte Anwendung findet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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