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A träumt schon lange davon, Gleitschirm zu fliegen. Er leiht sich bei dem erfahrenen Drachenflieger F einen Schirm. F sagt, die Wetterverhältnisse seien für einen Anfänger zu gefährlich. Er überlässt A gleichwohl den Schirm. A zerschellt nach kurzem Flug an einem Felsen des Berges.

Einordnung des Falls

Gleitschirmflug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F hat den Tod des A kausal verursacht, indem er ihm den Gleitschirm überlassen hat.

Diese Rechtsfrage lösen 85,5 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Genau, so ist das!

Voraussetzung strafrechtlicher Haftung beim Erfolgsdelikt ist, dass der Täter den Erfolg kausal bewirkt hat. Rechtsprechung (Rspr.) und herrschende Lehre (hL) bestimmen die Kausalität überwiegend nach der Äquivalenztheorie (= conditio-sine-qua-non-Formel). Eine Handlung ist danach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Hätte F dem A keinen Schirm geliehen, hätte A den Flug nicht unternommen und wäre nicht am Felsen verunglückt. F hat den Unfalltod des A kausal verursacht.

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SUN

sunny1980

2.11.2019, 10:24:03

Hatte F eine Garantenstellung?

K.

K.

3.11.2019, 23:56:36

Hallo, es kommt zunächst darauf an. Der Fall ist an sich kurz und knapp gehalten. Es geht überwiegend um die Kausalität. Meiner Meinung nach, gibt der Fall zu wenige Informationen her. F ist ein erfahrener Drachenflieger. Er hat erfahrungsgemäß die Gefahr (des Todes) erkannt. Unteranderem hat er dem A explizit darauf hingewiesen, dass die Situation für ihn unpassend sei. Aufgrunddesen würde ich sagen, dass der F keine Garantenstellung gegenüber dem A hatte. A wusste was er tat und wollte sich nicht aufhalten lassen. Es wäre sicherlich anders gewesen, wenn der F das ganze Geschäftlich machen würde (zufällig). Oder aber auch, wenn der A den B als einen Trainer usw. buchen würde. Da ich kein Experte bin, lasse ich mich gerne eines besseren belehren. LG

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

4.11.2019, 13:00:39

Hi Sunny, der Fall prüft nicht abschließend die Strafbarkeit des F. Hier geht es zunächst nur darum, die Kausalität nach der condition sine qua non-Formel zu verdeutlichen. Hier würde die vollständige Prüfung so aussehen: Strafbarkeit des F wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) durch Übergabe des Gleitschirms an A: 1) Kausalität: (+), denn wenn F den Schirm nicht verliehen hätte, wäre A nicht auf diese Weise tödlich verunglückt. 2) Objektive Zurechnung: (-) F hat keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen. Es ist erlaubt, Gleitschirme zu verleihen. Zur Frage der Garantenstellung: Da sehen wir es wie K. - hier müsste man mehr über das Verhältnis von F und A wissen. Zuden Voraussetzungen, unter denen Garantenstellungen entstehen: Fischer, StGB, § 13 RdNr. 8ff.

CAR

Carla

9.8.2020, 08:50:10

handelt es sich hierbei nicht um allgemeines lebensrisiko?

Neel

Neel

17.8.2020, 18:43:08

Das wäre dann unter dem Prüfungspunkt „objektive Zurechnung“ zu erörtern. Wenn wir uns die Handlung, also die Aushändigung des Schirms, wegdenken, dann wäre der Erfolg (Tod) nicht eingetreten. Daher Kausalität (+). Um die sehr weite Äquivalenztheorie, die hier maßgeblich ist, einzuschränken, würde man jetzt i.S.d. objektiven Zurechnung schauen, ob durch die Handlung, das Aushändigen des Schirms, eine konkrete Gefahr geschaffen wurde, die sich dann im Erfolg (Tod) realisiert hat. 🙂

CAR

Carla

17.8.2020, 18:48:05

Ahh na klar! Dank dir :)

Devlin

Devlin

5.11.2021, 13:07:10

Könnten die Angehörigen des A einen Anspruch gegenüber F geltenden machen ?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

5.11.2021, 23:55:03

M. E. kommen insbesondere zivilrechtliche Ansprüche in Betracht. Dazu bedarf es jedoch weiterer Informationen im Sachverhalt. Grundsätzlich würde ich den § 844 BGB anprüfen.

DO

Dominic

20.7.2023, 19:12:46

Streng genommen bedeutet die Äquivalenztheorie nur, dass die Wertungsentscheidung getroffen wurde, dass jede Bedingung des Erfolges auch kausal für den Erfolg ist (egal wie weit entfernt die Bedingung sein mag). Die conditio-Formel baut dann erst auf dieser Wertungsentscheidung auf und sagt: Eine Handlung ist dann Bedingung (und damit kausal) für den Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ... Genauso baut aber auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung auf der Wertungsentscheidung der Äquivalenztheorie auf. Die conditio-Formel ist daher nicht gleichzusetzen mit der Äquivalenztheorie

JURAPR

JURAPROF

15.9.2023, 09:59:42

Wie genau formuliert man im Gutachten die Kausalität, wenn das wie hier unproblematisch ist?

LELEE

Leo Lee

17.9.2023, 14:21:20

Hallo PrädikatKandidat, bei einem unproblematischen Fall wie hier würdest du es wie folgt formulieren: "Da das Verleihen des Schirm nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Tod des A entfiele, war die Handlung des F auch kausal für den Erfolg." :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

JURAPR

JURAPROF

18.9.2023, 16:47:51

Danke! :)


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