Abgrenzung Eventualvorsatz/ bedingte Fahrlässigkeit („Steinwürfe von Autobahnbrücke“)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T und K werfen drei 20-30 kg schwere Steine von einer Brücke auf die Fahrstreifen der B9. A und B überfahren mit 130 km/h die Steine. Bei A wird das Vorderrad herausgerissen, bei B die Vorderachse zerstört. Beide können ihre Autos ohne weitere Kollision zum Stehen bringen.

Einordnung des Falls

Abgrenzung Eventualvorsatz/ bedingte Fahrlässigkeit („Steinwürfe von Autobahnbrücke“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T und K hatten Tatentschluss bzgl. eines versuchten Totschlags (§§ 212 Abs. 1, 2, 22 StGB) in Form von direktem Vorsatz. Die Gefährlichkeit des Verhaltens musste zur sicheren Kenntnis führen, dass der Erfolg eintreten werde.

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Nein, das trifft nicht zu!

Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) handelt. Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass sein Handeln zur Tatbestandsverwirklichung führt (sichere Kenntnis).T und K hatten nicht zwingend sichere Kenntnis davon, dass einer der Autobahnfahrer zu Tode kommen würde. Dafür war das Verhalten nicht objektiv gefährlich genug.

2. T und K hatten Tatentschluss bzgl. eines versuchten Totschlags (§§ 212 Abs. 1, 2, 22 StGB) in Form von bedingtem Vorsatz. Dies gilt auch dann, wenn sie sich vor Gericht einlassen, sie hätten zwar Unfälle hervorrufen wollen, aber keine Sach- und Personenschäden.

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Ja!

Die hM nimmt die Abgrenzung Vorsatz / Fahrlässigkeit anhand des voluntativen Elements vor: Der Täter hat bedingten Vorsatz, wenn er den Erfolg ernsthaft für möglich hält und sich mit ihm abfindet. (Ernstnahmetheorie der hL) bzw. den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt (Billigungstheorie der Rspr.).BGH: Zwar existiere kein Rechtssatz des Inhalts, dass ein Täter, der derart gefährlich vorgehe, deshalb grundsätzlich auch mit tödlichen Folgen für die Verkehrsteilnehmer rechne und diese um den Preis der Fortsetzung seines gefährlichen Tuns innerlich billige. T und K hätten aber gezielt eine hochgradige Gefährdungslage geschaffen, bei der sie auf eine den Unfall vermeidenden Reaktion der betroffenen Kraftfahrer nicht vertrauen konnten. Der Nichteintritt des Erfolgs sei nur glücklicher Zufall.

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