Zivilrecht
Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse
Bürgschaft, §§ 765ff. BGB
Bürgschaft und Grundverhältnis 1
Bürgschaft und Grundverhältnis 1
19. Mai 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Kanufahrer K möchte sich bei V ein Kanu für €1000 kaufen. K möchte in Raten zahlen und bittet seine Freundin B, für ihn eine Bürgschaft zu übernehmen. Dazu ist sie gerne bereit und erklärt gegenüber V schriftlich, für die Verbindlichkeit des K in Höhe von €1000 bürgen zu wollen. V nimmt das Angebot an.
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Einordnung des Falls
Bürgschaft und Grundverhältnis 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V und B haben einen wirksamen Bürgschaftsvertrag abgeschlossen (§ 765 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen B und K besteht ein Rechtsgeschäft.
Ja!
3. Die Rechtsbeziehung zwischen B und K ist als Auftrag (§ 662 BGB) zu qualifizieren.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
1.4.2021, 09:33:33
Warum wird hier allein aGrd. einer Einigung zw. K und B auf ein
Rechtsgeschäftgeschlossen? Bedarf es hierfür nicht auch zmd. eines
Rechtsbindungswillens?

Lukas_Mengestu
17.12.2021, 18:16:28
Hallo LEXDEROGANS, in der Tat kommt ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Die Willenserklärungen müssen objektiv von einem
Rechtsbindungswillengetragen sein. Dass es an dem Willen gefehlt hat, hier ein unentgeltliches Geschäft in Form des Auftrags zu übernehmen, ließ sich dem Sachverhalt nicht entnehmen. Wir haben ihn dennoch jetzt etwas präzisiert um klarzustellen, dass B den Auftrag übernimmt. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
evanici
5.9.2023, 11:17:47
Könntet ihr eventuell ein Beispiel dafür geben, wann kein
Rechtsgeschäftzwischen Bürge und
Schuldner vorliegt?
Daniel
5.2.2024, 14:52:18
Hallo Jurafuchs-Team, dies würde mich auch interessieren. Liebe Grüße!
Flohm
13.3.2024, 13:56:02
Ich glaube (!!), wenn eine GoA vorliegt, z.B. weil der Bürge sich aus Eigeninitiative verbürgt.
Nils
1.7.2024, 14:05:45
Tinki
25.3.2025, 20:06:18
Ich wäre auch dankbar für ein Beispiel! LG :)

FW
8.11.2024, 12:46:25
Hi, Könnte man auch einen Schenkungsvertrag annehmen? Letztendlich ist der Auftrag ja eher ein weisungsgebundenes Verhältnis, was ich hier nicht unbedingt bejahen würde. Die Eltern übernehmen die
Schuldja eher freiwillig aus sozialen Gründen - ähnlich wie bei den Fällen der Auflassung - und somit passt m.E. eher die Schenkung. Ferner ist dadurch auch der
Schuldner besser geschützt, da man
konkludentden gesetzlichen Forderungsübergang entweder ausschließt oder einen
konkludenten Erlass vereinbart. Dadurch besteht nicht die Gefahr von Aufwendungsersatzansprüchen der Eltern gegen den Minderjährigen. Und bei Fehlverhalten des Minderjährigen könnte man davon die Rückforderung wegen groben Undanks in Betracht ziehen.

Sege
19.2.2025, 15:27:13
Woran erkennt man hier, dass ein Auftrag vorliegt? Ich hätte intuitiv nur eine
Gefälligkeitangenommen.

Christine
6.4.2025, 21:41:18
@[Sege](241995) ging mir ähnlich, denke es liegt daran, dass man ja primär eine
Gefälligkeitvon einem
Rechtsgeschäftabgrenzt, indem man feststellt, ob ein Rechtsbindungwille vorliegt. Und damit dieser vorliegt, kommt es darauf an, dass das Ziel ist eine Rechtsfolge herbeizuführen. Hier ist es ja so, dass die Bürgin mit Einwilligung in die Bürgschaftsübernahme bezwecken wollte, dass die
Schuldnerin einen Kaufvertrag abschließen kann, sodass ja eine Rechtsfolge herbeigeführt werden sollte. Keine gewähr, dass das hinhaut, aber so habe ich mir das nach ein bisschen Recherche hergeleitet :)

Simon
22.4.2025, 14:08:15
Die Frage, ob ein
Rechtsbindungswille(RBW) vorliegt, bestimmt sich nach einer Auslegung analog
§§ 133, 157 BGBanhand aller Umstände des Einzelfalls. Bedeutsam sind insoweit v.a. Grund, Art und Zweck der Vereinbarung, die wirtschaftlichen Risiken, ein berechtigtes Vertrauen des jeweils anderen Teils und der Kontext der Absprache. Zwar könnte das Freundschaftsverhältnis gegen das Vorliegen eines RBW sprechen. Allerdings ist K auf die Bürgschaft der B angewiesen, um das Kanu von V erwerben zu können und verlässt sich daher erkennbar auf Bs Zusage. V.a. aber bestünden im Falle einer
GefälligkeitRückgriffsansprüche der B nur über §§ 774 I 1, 433 II Alt. 1 BGB. Bei Annahme eines Auftrags ergäbe sich zusätzlich noch ein Anspruch der B gegen K aus § 670 BGB, was für sie vorteilhafter ist, da sich diese Rückgriffsansprüche (z.B. mit Blick auf die Verjährung) unterschiedlich entwickeln können. Daher dürfte hier vom Vorliegen eines RBW auszugehen sein. Dazu auch BGH, WM 2000, 910 (911): "Daß eine Bürgschaft 'aus Freundschaft' übernommen wurde, schließt das Bestehen eines Auftragsverhältnisses usw. nicht aus. Den Vortrag des Klägers so zu verstehen, daß er sich '
gefälligkeitshalber' - und nicht aufgrund eines Auftrags oder
Geschäftsbesorgungsvertrags - verbürgt habe und im Falle seiner Inanspruchnahme als Bürge keinen Rückgriff gegen die Beklagten habe nehmen wollen, wäre nicht interessengerecht. Wer eine Bürgschaft übernimmt und damit für einen anderen
Schuldhilfe leistet, kann dies von der Zahlung einer Vergütung (Avalprovision) durch den Haupt
schuldner abhängig machen. Sieht er davon ab, kann man bereits die Annahme des Auftrags zur Übernahme der Bürgschaft als einen 'Freundschaftsdienst' auffassen. Die Freundschaft muß aber nicht so weit gehen, daß der Bürge im Falle seiner Inanspruchnahme beim Haupt
schuldner keinen Regreß nimmt. Für einen entsprechenden
Verzichtmüssen besondere Anhaltspunkte vorliegen. Solche haben die Beklagten nicht vorgetragen." Mit dem Herbeiführen der Rechtsfolge des Kaufvertragsabschlusses wäre ich hier dagegen vorsichtig, da dies nicht unmittelbare Folge der Vereinbarung zwischen B und K ist. Die unmittelbaren Rechtsfolgen ergeben sich vielmehr aus §§ 662 ff. BGB aus denen man Rückschlüsse auf den RBW ziehen kann, je nachdem, ob diese Folgen den Interessen von K und B entsprechen.