Bürgschaft und Grundverhältnis 1

19. Mai 2025

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kanufahrer K möchte sich bei V ein Kanu für €1000 kaufen. K möchte in Raten zahlen und bittet seine Freundin B, für ihn eine Bürgschaft zu übernehmen. Dazu ist sie gerne bereit und erklärt gegenüber V schriftlich, für die Verbindlichkeit des K in Höhe von €1000 bürgen zu wollen. V nimmt das Angebot an.

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Einordnung des Falls

Bürgschaft und Grundverhältnis 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V und B haben einen wirksamen Bürgschaftsvertrag abgeschlossen (§ 765 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein Bürgschaftsvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande (§§ 145ff. BGB). Vertragsinhalt ist die Verpflichtung des Bürgen für die Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Der Vertrag muss alle essentialia negotii enthalten (Vertragsparteien, Person des Hauptschuldners, Hauptschuld und den Willen des Bürgen, eine Bürgschaft zu übernehmen). Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich (§ 766 S. 1 BGB). Bürge B erklärt gegenüber V für die Kaufpreisverbindlichkeit des K (§ 433 Abs. 2 Alt. 2 BGB) in Höhe von €1000 einzustehen. Damit einigen sich B und V über den Inhalt des § 765 Abs. 1 BGB. Im Vertrag sind die essentialia negotii enthalten. Die Bürgschaftserklärung des B erfolgte schriftlich.
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2. Zwischen B und K besteht ein Rechtsgeschäft.

Ja!

Für den Bestand eines Bürgschaftsvertrages ist grundsätzlich ein zugrunde liegendes Rechtsverhältnis nicht erforderlich. Häufig liegt der Erteilung der Bürgschaft jedoch ein Rechtsgeschäft zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner zugrunde, das sogenannte Grundverhältnis. Dieses kann beispielsweise als Auftrag (§ 662 BGB) oder entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) zu qualifizieren sein. K bittet B, eine Bürgschaft zu übernehmen. B ist dazu bereit. Die Übernahme der Bürgschaft gegenüber dem Gläubiger erfolgt damit auf Basis einer Einigung und nicht auf einer Eigeninitiative des B. Ein Rechtsgeschäft ist gegeben.

3. Die Rechtsbeziehung zwischen B und K ist als Auftrag (§ 662 BGB) zu qualifizieren.

Genau, so ist das!

Charakteristisch für den Auftrag ist, dass sich der Beauftragte verpflichtet, ein vom Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen (§ 662 BGB). Ein Auftrag kommt damit insbesondere bei einer unentgeltlichen Bürgschaft im Familien- und Freundeskreis in Betracht. Die Bürgschaft wird vorliegend unentgeltlich im Freundeskreis erteilt. Damit liegt ein Auftrag vor (§ 662 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

1.4.2021, 09:33:33

Warum wird hier allein aGrd. einer Einigung zw. K und B auf ein

Rechtsgeschäft

geschlossen? Bedarf es hierfür nicht auch zmd. eines

Rechtsbindungswillen

s?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.12.2021, 18:16:28

Hallo LEXDEROGANS, in der Tat kommt ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Die Willenserklärungen müssen objektiv von einem

Rechtsbindungswillen

getragen sein. Dass es an dem Willen gefehlt hat, hier ein unentgeltliches Geschäft in Form des Auftrags zu übernehmen, ließ sich dem Sachverhalt nicht entnehmen. Wir haben ihn dennoch jetzt etwas präzisiert um klarzustellen, dass B den Auftrag übernimmt. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

5.9.2023, 11:17:47

Könntet ihr eventuell ein Beispiel dafür geben, wann kein

Rechtsgeschäft

zwischen Bürge und

Schuld

ner vorliegt?

DAN

Daniel

5.2.2024, 14:52:18

Hallo Jurafuchs-Team, dies würde mich auch interessieren. Liebe Grüße!

FL

Flohm

13.3.2024, 13:56:02

Ich glaube (!!), wenn eine GoA vorliegt, z.B. weil der Bürge sich aus Eigeninitiative verbürgt.

NI

Nils

1.7.2024, 14:05:45

Es könnte sich auch um eine reine

Gefälligkeit

handeln.

TI

Tinki

25.3.2025, 20:06:18

Ich wäre auch dankbar für ein Beispiel! LG :)

FW

FW

8.11.2024, 12:46:25

Hi, Könnte man auch einen Schenkungsvertrag annehmen? Letztendlich ist der Auftrag ja eher ein weisungsgebundenes Verhältnis, was ich hier nicht unbedingt bejahen würde. Die Eltern übernehmen die

Schuld

ja eher freiwillig aus sozialen Gründen - ähnlich wie bei den Fällen der Auflassung - und somit passt m.E. eher die Schenkung. Ferner ist dadurch auch der

Schuld

ner besser geschützt, da man

konkludent

den gesetzlichen Forderungsübergang entweder ausschließt oder einen

konkludent

en Erlass vereinbart. Dadurch besteht nicht die Gefahr von Aufwendungsersatzansprüchen der Eltern gegen den Minderjährigen. Und bei Fehlverhalten des Minderjährigen könnte man davon die Rückforderung wegen groben Undanks in Betracht ziehen.

Sege

Sege

19.2.2025, 15:27:13

Woran erkennt man hier, dass ein Auftrag vorliegt? Ich hätte intuitiv nur eine

Gefälligkeit

angenommen.

Christine

Christine

6.4.2025, 21:41:18

@[Sege](241995) ging mir ähnlich, denke es liegt daran, dass man ja primär eine

Gefälligkeit

von einem

Rechtsgeschäft

abgrenzt, indem man feststellt, ob ein Rechtsbindungwille vorliegt. Und damit dieser vorliegt, kommt es darauf an, dass das Ziel ist eine Rechtsfolge herbeizuführen. Hier ist es ja so, dass die Bürgin mit Einwilligung in die Bürgschaftsübernahme bezwecken wollte, dass die

Schuld

nerin einen Kaufvertrag abschließen kann, sodass ja eine Rechtsfolge herbeigeführt werden sollte. Keine gewähr, dass das hinhaut, aber so habe ich mir das nach ein bisschen Recherche hergeleitet :)

Simon

Simon

22.4.2025, 14:08:15

Die Frage, ob ein

Rechtsbindungswille

(RBW) vorliegt, bestimmt sich nach einer Auslegung analog

§§ 133, 157 BGB

anhand aller Umstände des Einzelfalls. Bedeutsam sind insoweit v.a. Grund, Art und Zweck der Vereinbarung, die wirtschaftlichen Risiken, ein berechtigtes Vertrauen des jeweils anderen Teils und der Kontext der Absprache. Zwar könnte das Freundschaftsverhältnis gegen das Vorliegen eines RBW sprechen. Allerdings ist K auf die Bürgschaft der B angewiesen, um das Kanu von V erwerben zu können und verlässt sich daher erkennbar auf Bs Zusage. V.a. aber bestünden im Falle einer

Gefälligkeit

Rückgriffsansprüche der B nur über §§ 774 I 1, 433 II Alt. 1 BGB. Bei Annahme eines Auftrags ergäbe sich zusätzlich noch ein Anspruch der B gegen K aus § 670 BGB, was für sie vorteilhafter ist, da sich diese Rückgriffsansprüche (z.B. mit Blick auf die Verjährung) unterschiedlich entwickeln können. Daher dürfte hier vom Vorliegen eines RBW auszugehen sein. Dazu auch BGH, WM 2000, 910 (911): "Daß eine Bürgschaft 'aus Freundschaft' übernommen wurde, schließt das Bestehen eines Auftragsverhältnisses usw. nicht aus. Den Vortrag des Klägers so zu verstehen, daß er sich '

gefälligkeit

shalber' - und nicht aufgrund eines Auftrags oder

Geschäftsbesorgungsvertrag

s - verbürgt habe und im Falle seiner Inanspruchnahme als Bürge keinen Rückgriff gegen die Beklagten habe nehmen wollen, wäre nicht interessengerecht. Wer eine Bürgschaft übernimmt und damit für einen anderen

Schuld

hilfe leistet, kann dies von der Zahlung einer Vergütung (Avalprovision) durch den Haupt

schuld

ner abhängig machen. Sieht er davon ab, kann man bereits die Annahme des Auftrags zur Übernahme der Bürgschaft als einen 'Freundschaftsdienst' auffassen. Die Freundschaft muß aber nicht so weit gehen, daß der Bürge im Falle seiner Inanspruchnahme beim Haupt

schuld

ner keinen Regreß nimmt. Für einen entsprechenden

Verzicht

müssen besondere Anhaltspunkte vorliegen. Solche haben die Beklagten nicht vorgetragen." Mit dem Herbeiführen der Rechtsfolge des Kaufvertragsabschlusses wäre ich hier dagegen vorsichtig, da dies nicht unmittelbare Folge der Vereinbarung zwischen B und K ist. Die unmittelbaren Rechtsfolgen ergeben sich vielmehr aus §§ 662 ff. BGB aus denen man Rückschlüsse auf den RBW ziehen kann, je nachdem, ob diese Folgen den Interessen von K und B entsprechen.


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