Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Handlungen im Vorfeld der tatbestandlichen Ausführungshandlung / Haustür-Fälle
Handlungen im Vorfeld der tatbestandlichen Ausführungshandlung / Haustür-Fälle
19. April 2025
25 Kommentare
4,8 ★ (16.887 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T möchte O erschießen. Er klingelt bei dessen Haus, in dem dieser alleine wohnt und möchte diesen sofort nach dem Öffnen der Türe erschießen. O erscheint nicht. Nach längerem Warten geht T nach Hause.
Diesen Fall lösen 86,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Handlungen im Vorfeld der tatbestandlichen Ausführungshandlung / Haustür-Fälle
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlags.
Ja!
3. T hat durch das Klingeln „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Pilea
25.6.2023, 11:07:56
Würde hier nicht auch das Mordmerkmal Heimtücke vorliegen?

Nora Mommsen
26.6.2023, 10:41:47
Hallo Pilea, hier wäre - bei einer vollständigen Prüfung defintiv an Mord durch Heimtücke zu denken. In Jurafuchs-Technik konzentrieren wir uns an dieser Stelle aber auf einige Aspekte des Versuchs. Dies illustrieren wir anhand des Totschlags. Aufgrund dessen wird kein anderes in Frage kommendes Delikt angesprochen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Pilea
26.6.2023, 15:33:44
Danke, ja, das finde ich auch sehr gut! Manchmal finde ich es hilfreich, noch so eine Kurz-Vervollständigung nachvollziehen zu können, daher danke für die Antwort.

CR7
15.6.2024, 10:51:53
Genau, dann müsste aber intensiv darauf eingehen, inwieweit der Überraschungsmoment die
Wehrlosigkeiteinschränkt.
pulinho
18.12.2024, 22:25:23
wenn O nicht alleine wohnt oder gar nicht in dem moment zuhause ist läge kein
unmittelbares ansetzenmehr vor?
JuRadler
29.12.2024, 20:00:07
Laut Erklärung nicht, weil die Person, die öffnet, ja ein "Hindernis" wäre, was zu überwinden ist. Der Tathergang geht also nicht ungestört voran.
Sergej Fährlich
6.1.2025, 15:43:28
Wenn er nicht allein wohnt und klar ist, dass Entweder-oder die Tür öffnen kann, würde ich kein
unmittelbares Ansetzenbejahen. Wenn die Person lediglich nicht Zuhause ist schon, solang der Täter das nicht weiß (was auch schwer vorstellbar ist, warum sonst klingeln?).
pulinho
21.1.2025, 15:53:04
Danke für eure guten Antworten!

Charles "Chuck" McGill
25.2.2025, 13:46:24
@[pulinho](208009) Das kommt auf die Vorstellung des Täters an. Wenn der Täter weiß, dass noch andere Personen im Haus sind, und sich deshalb innerlich erst die Prüfung vorbehält, wer denn die Tür öffnet, dann liegt noch kein
unmittelbares Ansetzenvor. Wenn der Täter aber denkt, es wird ganz sicher sein antizipiertes Opfer öffnen, welches er sofort erschießen wird und dann öffnet wider Erwarten jemand anders, dann lag dennoch ein
unmittelbares Ansetzenvor.
Fuchsfrauchen
16.1.2025, 21:41:46
Wenn das Klingeln hier bereits den Tatbestand des versuchten Totschlags erfüllt, würde das doch vermutlich auch bedeuten, dass sich derjenige hinter der Tür in einer
Notwehrlage befände und sich gleichermaßen durch einen Schuss durch die Türe wehren könnte, oder? Wenn es dann doch nur der Postbote war, würde dann ein
ETBIvorliegen und der Schütze wäre dann zumindest nicht wegen einer vorsätzlichen Tat strafbar?
Dominikpolitics
27.1.2025, 12:34:41
Naja, das
Notwehrrecht besteht ja nicht uferlos, sondern unterliegt gewissen Einschränkungen (
Gebotenheit,
Erforderlichkeit). Ein sofortiges Schießen durch die Türe wäre, je nach Einzelfall, vielfach nicht geboten.

Charles "Chuck" McGill
25.2.2025, 13:42:27
@[Fuchsfrauchen](89264) Ein sofortiges, vorwahrnungsloses schießen wird in dem Fall, in dem der Täter an der Tür klingelt und wartet (nicht etwa versucht sie einzutreten) o. Ä. schon nicht erforderlich sein. Hier wird das Opfer problemlos die Polizei rufen können, wenn es aus irgendeinem Grund weiß, dass die Person vor der Tür eine Waffe hat und sie töten möchte.
Fuchsfrauchen
1.3.2025, 16:00:31
Ich glaube, ich komme einfach nicht darauf klar, dass das Klingeln ein
unmittelbares Ansetzenist. Ich verstehe das Bedürfnis, hier zu einer Strafbarkeit zu gelangen, aber ich sehe "im Klingeln" absolut keine Gefährdung. Wenn der Täter die Waffe zumindest geladen in der Halt hielte, ok. So fehlt ja mindestens noch das Tür öffnen, das Waffe ziehen, Zielen und das Abdrücken.

Charles "Chuck" McGill
1.3.2025, 18:29:12
@[Fuchsfrauchen](89264) Nun, genau genommen kommt es darauf ja auch nicht an. Dann wäre ja kein
untauglicher Versuchmöglich. Auch die wesentlichen Zwischenschritte richten sich nach der Vorstellung des Täters. Wenn der Täter sich nach dem Klingeln denkt "Sobald die Tür aufgeht schieße ich los" sind das Ziehen, Anlegen und Abdrücken ein einziger Willensakt, er weniger als eine Sekunde zur Betätigung braucht. Der Erfolgseintritt hängt eigentlich nur noch vom Zufall ab, ob die Tür jetzt aufgeht oder nicht. Anders ist es, wenn er sich denkt "Wenn die Tür aufgeht schaue ich ma wer aufmacht, davon mach ich alles weitere Abhängig", ist die Identifizierung ein wesentlicher Zwischenschritt. Es hängt nicht nur vom Zufall ab, weil der Täter die Tat noch unter einen geistigen Vorbehalt gestellt hat. Ich find es aber auch schwer, das gut zu erklären. Es kann einem schon komisch vorkommen.

sy
31.1.2025, 13:37:12
Hallo an alle, ich frage mich gerade, wenn man diesen Fall in der Klausur hätte, müsste man doch sicherlich noch einen
Rücktrittanprüfen. lch habe gerade Schwierigkeiten dabei, diese gutachterliche
Rücktrittsprüfung durchzugehen. Würde hier bereits vlt ein Fehlschlag zu diskutieren sein ?

MenschlicherBriefkasten
28.2.2025, 16:30:30
@[sy](30718) Gute Frage. Ein Fehlschlag liegt hier mE vor. Würde man dies verneinen, würde man wohl den
Rücktrittam Merkmal der Freiwilligkeit scheitern lassen, je nach dem was der Klausursachverhalt diesbezüglich noch hergeben würde.

M0NAC0
30.3.2025, 14:38:41
Wenn in den Fällen regelmäßig die Veranschaulichung die textliche Ausführung ergänzt, hätte ich gesagt liegt hier noch kein
unmittelbares Ansetzenvor, sondern erst wenn er die Waffe zieht. mMn hat er auch wenn er mit dem öffnen der Tür das Opfer gleich erschießen möchte ohne gezogene Waffe die Schwelle des „jetzt geht es los“ nicht überschritten. Meinungen? :)