Teilnehmer an der Tat eines Kindes (§ 29 StGB)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M bringt ihre 13-jährige Tochter T auf die Idee, im KaDeWe eine ungesicherte Burberry-Maske einzustecken um damit auf T's Instagram-Account besonders viele Likes einzufahren. Begeistert nimmt T die Maske mit. Insgeheim hofft M, sich die Maske ausleihen und bei der Arbeit als Taxifahrerin tragen zu können, um Fahrgäste zu beeindrucken.

Einordnung des Falls

Teilnehmer an der Tat eines Kindes (§ 29 StGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat schuldhaft gehandelt.

Nein!

Schuldhaftes Handeln setzt Schuldfähigkeit voraus. Nach der unwiderleglichen Vermutung des § 19 StGB sind alle Kinder, die bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt sind (Berechnung nach § 187 Abs. 2 S. 2 BGB, der Tag der Geburt ist mitzurechnen), schuldunfähig. Auf den möglicherweise späteren Eintritt des Taterfolgs kommt es nicht an. Die absolute Schuldunfähigkeit wirkt sich als Prozesshindernis aus.T verwirklicht den objektiven Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB). Sie handelt auch vorsätzlich und rechtswidrig. Da sie unter 14 Jahre alt ist, ist sie jedoch absolut schuldunfähig.Gegen Strafunmündige dürfen auch keine Maßregeln verhängt werden. In Betracht kommen lediglich Maßnahmen nach §§ 1631 Abs. 3, 1666 BGB oder dem SGB VIII.

2. M hat sich wegen Anstiftung zum Diebstahl strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 1, 26 StGB). Sie wird ohne Rücksicht auf die Schuld der T nach ihrer eigenen Schuld bestraft.

Genau, so ist das!

Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft (§ 29 StGB). Die Vorschrift bestätigt den Grundsatz der limitierten Akzessorietät. Für eine Bestrafung als Anstifter oder Gehilfe genügt, dass der Haupttäter eine vorsätzliche rechtswidrige Tat begeht. Ist diese Tat dem Haupttäter aus irgendwelchen Gründen nicht persönlich vorwerfbar und damit von ihm nicht schuldhaft begangen, bleibt eine Bestrafung eines Dritten wegen Teilnahme an dieser rechtswidrigen Tat trotzdem möglich.Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt hier vor. M hat auch in T den Tatentschluss hervorgerufen und sie somit zur Haupttat bestimmt. M hatte auch Vorsatz bezüglich der Haupttat und des Hervorrufes des Tatentschlusses (doppelter Anstiftervorsatz). M hat auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

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CAJE

Cajetan

9.5.2021, 23:14:25

Würde man hier nicht zuerst über eine mittelbare Täterschaft nachdenken?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

10.5.2021, 00:48:04

ME könnte man hier über eine mittelbare Täterschaft ernsthaft nachdenken: Werden strafunmündige Kinder (§ 19 StGB) als Tatmittler eingesetzt, so ist der Hintermann stets mittelbarer Täter. Die Tatherrschaft des Hintermannes ergibt sich daraus, dass er einen ihm konstitutionell unterlegenen Tatmittler vorsätzlich zur

Tatbestandsverwirklichung

instrumentalisiert (vgl. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), StGB, 30. Aufl. 2019, § 25 Rn. 44). A priori könnte man deshalb andenken, dass M in mittelbarer Täterschaft strafbar wäre. Ich vermute jedoch, dass der vorliegende „Knackpunkt“ ist, dass M die T lediglich auf die Idee bringen will und hofft, „ab und zu“ den Schal nutzen zu dürfen. In Abgrenzung Täter/Teilnehmer: M will die Tat nicht (primär) „als eigene“ und hat auch nicht die Tatherrschaft (T kann sich frei entscheiden, ob sie stiehlt oder nicht). Insofern dürfte M „nur“ Anstifterin sein. Vom Strafrahmen änderte sich nichts: Anstifter werden gleich dem Täter bestraft, § 26 StGB.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

10.5.2021, 01:07:12

Nach meiner Recherche gibt es bislang keine BGH-Rechtsprechung zu der Thematik, sondern lediglich Schrifttum und eine (differenzierende) Entscheidung des RG. 1) Literatur Wie bereits oben ausgeführt, ist bei Taten strafunmündiger Kinder - nach Ansicht von Teilen des Schrifttums - der veranlassende Hintermann „in jedem Fall“ mittelbarer Täter. „Die bloße Unterstützung begründet eine mittelbare Täterschaft, wenn die mangelnde Verantwortlichkeit des Handelnden auf fehlende Einsichtsfähigkeit beruht. Geht dem Unglück behandelnden nicht das Unrechtsverständnis ab, sondern die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, so liegt mittelbare Täterschaft des Unterstützenden nur dann vor, wenn er dem Ausführenden die Tat ermöglicht.“ (Vgl. Schünemann/Greco, in: Laufhütte u.a. (Hrsg.), StGB Leipziger Kommentar, 13.Aufl. 2021, § 25 Rn. 134). 2) RG, U. v. 17.03.1927 - AZ.: II 170/27 Nach Ansicht des RG ist der konkrete Einzelfall maßgeblich, ob eine mittelbare Täterschaft oder Teilnahme anzunehmen ist. Demnach sei eine Teilnahme auch dann möglich, wenn die Tat eines Verantwortungsunfähigen veranlasst oder ermöglicht werde. In dem vom RG entschiedenen Fall hatte der Angeklagte seinen 13jährigen Enkel zu einer Brandstiftung veranlasst. Das RG nahm lediglich eine Anstiftung an, da das Kind für die Bedeutung seines Tuns zwar „nicht volles, so doch hinreichendes Verständnis“ gehabt habe. Auf unseren App-Fall übertragen, kann man demnach argumentieren, dass T die Einsicht haben dürfte, dass ein Diebstahl nicht „erlaubt“ ist.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

10.5.2021, 01:08:21

* nicht Schal, sondern Maske 😇

Tigerwitsch

Tigerwitsch

10.5.2021, 01:12:47

*oben im Literaturzitat hat die Auto-Korrektur aus „unmittelbar Handelnden“ fälschlich „Unglück behandelnden“ gemacht 😇

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2021, 16:51:51

Hallo Cajetan, das ist in der Tat eine sehr berechtigte Frage. Ein sehr lesenswerter Artikel findet sich hierzu auch in der Zeitschrift "Juristische Ausbildung" (Exner, Minderjährige im StGB, Jura 2013, 103-110). Wie Tigerwitsch schon mustergültig herausgearbeitet hat, ist es letztlich auch hier wieder eine Frage des Einzelfalls. Sofern es in der Literatur teilweise heißt, Minderjährige im Schulunfähigkeitsalter seien grundsätzlich "Werkzeug" des Hintermannes, so ist dies als grober Maßstab sicher ganz brauchbar. Im Einzelfall muss man aber noch einmal nachjustieren. Denn sowohl nach der von der Rechtsprechung verwendeten Abgrenzung nach der subjektiven Sicht des Täters (animus socii/animus auctoris), als auch nach der in der Literatur vorherrschenden Tatherrschaftslehre

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2021, 16:56:25

sollte das Maß der Einwirkung Berücksichtigung finden, welches unmittelbar mit der Einsichtsfähigkeit des schuldunfähigen Kindes zusammenhängt. In einem Fall wie hier, wo das Kind kurz vor der Schwelle zur Strafmündigkeit steht und durchaus weiß, dass es sich um ein strafbares Verhalten handelt, sprechen die besseren Argumente nach mE hier für die Bejahung der Anstiftung (Achtung: nichtsdestotrotz bleibt das Kind selbst natürlich straffrei! Insoweit ist § 19 StGB eindeutig). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2021, 16:56:27

sollte das Maß der Einwirkung Berücksichtigung finden, welches unmittelbar mit der Einsichtsfähigkeit des schuldunfähigen Kindes zusammenhängt. In einem Fall wie hier, wo das Kind kurz vor der Schwelle zur Strafmündigkeit steht und durchaus weiß, dass es sich um ein strafbares Verhalten handelt, sprechen die besseren Argumente nach mE hier für die Bejahung der Anstiftung (Achtung: nichtsdestotrotz bleibt das Kind selbst natürlich straffrei! Insoweit ist § 19 StGB eindeutig). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2021, 16:56:27

sollte das Maß der Einwirkung Berücksichtigung finden, welches unmittelbar mit der Einsichtsfähigkeit des schuldunfähigen Kindes zusammenhängt. In einem Fall wie hier, wo das Kind kurz vor der Schwelle zur Strafmündigkeit steht und durchaus weiß, dass es sich um ein strafbares Verhalten handelt, sprechen die besseren Argumente nach mE hier für die Bejahung der Anstiftung (Achtung: nichtsdestotrotz bleibt das Kind selbst natürlich straffrei! Insoweit ist § 19 StGB eindeutig). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2021, 16:56:36

sollte das Maß der Einwirkung Berücksichtigung finden, welches unmittelbar mit der Einsichtsfähigkeit des schuldunfähigen Kindes zusammenhängt. In einem Fall wie hier, wo das Kind kurz vor der Schwelle zur Strafmündigkeit steht und durchaus weiß, dass es sich um ein strafbares Verhalten handelt, sprechen die besseren Argumente nach mE hier für die Bejahung der Anstiftung (Achtung: nichtsdestotrotz bleibt das Kind selbst natürlich straffrei! Insoweit ist § 19 StGB eindeutig). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2021, 16:59:51

*entschuldigt bitte die zusätzlichen 3 Kommentare. Die waren der Internetleitung geschuldet...

CAJE

Cajetan

11.5.2021, 10:42:51

Vielen Dank an euch zwei! Die Abgrenzung leuchtet mir, auch im konkreten Fall, auf jeden Fall ein. Und Tigerwitsch: Wirst du dafür eigentlich bezahlt, hier so umfassende Antworten zu schreiben? Weil wenn nicht, solltest du das mal anpeilen 😄

Tigerwitsch

Tigerwitsch

11.5.2021, 10:54:52

@Cajetan: Danke Dir für das Lob 😊 Ich bin gerade kurz vor den Klausuren fürs 2. Examen. Das Nachdenken und Nachschauen hilft mir auch, um mir noch einiges klarer zu machen 😇 Deshalb finde ich diese Forumsfunktion mega!

CAJE

Cajetan

11.5.2021, 10:56:37

Finde ich auch! Und ich wünsche dir viel Erfolg für deine Klausuren!!

SvzW

SvzW

19.1.2024, 18:19:01

die Verlinkungen von § 29 StGB ist hier fehlerhaft.

LELEE

Leo Lee

20.1.2024, 10:17:02

Hallo SvzW, vielen Dank für den Hinweis! Magst du uns vielleicht mitteilen, ob die Verlinkung immer noch nicht funktioniert und wenn ja: Auf welchem Betriebssystem das der Fall ist? Bei mir (Mac OS) scheint alles noch zu funktionieren :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Subsumtionsgott

Subsumtionsgott

15.7.2024, 20:06:40

Hallo, §26 lässt sich in der Normenkette bei „M hat sich wegen Anstiftung zum Diebstahl strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 1, 26 StGB)...“ nicht anklicken. (Apple iPhone)


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