§ 170 Abs. 2 StPO

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T streckt O mit einem Faustschlag nieder und beschimpft sie dabei. Die Beleidigung kann T nicht nachgewiesen werden, der Faustschlag schon.

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Einordnung des Falls

§ 170 Abs. 2 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Gegenstand einer Teileinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO kann stets nur eine prozessuale Tat nach § 264 StPO sein.

Genau, so ist das!

Da der Gegenstand der Anklage nach § 264 StPO die Tat im strafprozessualen Sinne ist, ist auch die Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO als Teileinstellung an den strafprozessualen Tatbegriff gebunden. Wenn es daher um mehrere Tatvorwürfe gegen einen Beschuldigten geht und der hinreichende Tatverdacht sich bezüglich einzelner Delikte tatsächlich oder rechtlich nicht belegen lässt, kann Gegenstand einer Teileinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO stets nur eine strafprozessuale Tat nach § 264 StPO sein.
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2. Das Geschehen zwischen T und O stellt eine prozessuale Tat nach § 264 StPO dar.

Ja, in der Tat!

Nach allgemeiner Meinung ist eine prozessuale Tat immer dann anzunehmen, wenn der durch die Anklage bezeichnete geschichtliche Vorgang nach der Lebensauffassung eine Einheit darstellt, deren Aburteilung in getrennten Verfahren zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines zusammengehörigen Geschehens führen würde. Es kommt dabei nicht so sehr auf die rechtliche Beurteilung, sondern vielmehr auf das tatsächliche Geschehen an. Maßgebend sind Ort und Zeit der Tat, Tatobjekt und Verhalten des Täters, insbesondere seine Angriffsrichtung.

3. Bezüglich der Beleidigung kann eine Teileinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO seitens der Staatsanwaltschaft erfolgen.

Nein!

Eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO darf und kann es nur geben, wenn wegen einer strafprozessualen Tat nach § 264 StPO in ihrer Gesamtheit der hinreichende Tatverdacht zu verneinen ist. Wenn innerhalb einer prozessualen Tat - wie hier - ein Deliktsvorwurf nicht belegbar ist, ist für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO kein Raum. Angeklagt wird nur die nachweisbare Tat. Der Grund, warum die andere Tat nicht angeklagt wird, kann in Form eines Vermerks festgehalten werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEL

gelöscht

12.4.2022, 13:05:42

Ich finde die Formulierung mit der Teileinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO beim dritten Fall etwas verwirrend. Eine Teileinstellung funktioniert ja gerade nicht nach § 170 Abs. 2 StPO, sondern nach § 154 StPO oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.4.2022, 17:01:15

Hallo Felix, die §§ 153 ff. StPO und § 170 Abs. 2 StPO sind sauber auseinander zu halten. Während es sich bei den §§ 153 ff. StPO um Opportunitätsentscheidungen der Staatsanwaltschaft handelt, so erfolgt die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, weil es an einem hinreichenden Tatverdacht fehlt. Auch wenn die Teileinstellung in § 170 Abs. 2 StPO - anders als in § 154 StPO - nicht explizit normiert ist, so kommt hier ohne weiteres auch eine Teileinstellung in Betracht (zB: T wird der folgenden Taten verdächtigt: Diebstahl am Montag, Betrug am Mittwoch und Raub am Freitag = 3

prozessuale Tat

en. Liegt für eine kein hinreichender Tatverdacht vor, so erfolgt diesbezüglich eine Teileinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lucas Mpunkt

Lucas Mpunkt

3.8.2024, 13:37:42

Das Problem liegt mE darin dass man hier eine Teileinstellung bzgl. mehrerer prozessualer Taten meint und nicht von eine Teileinstellung bzgl. eines Teils einer einzigen prozessualen Tat. Das wäre gem. § 170 II StPO nicht zulässig.

ABI

Abinnabi

10.9.2024, 15:27:28

Wenn genau das gleiche Ergebnis des Falls bei einem Urteil vorliegen würde, dann würde aber eingestellt werden, da der materielle Tatbegriff maßgeblich ist oder?


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