Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Entscheidungsgründe

Haftung zwischen Fahrzeughaltern nach § 17 II StVG: Unergiebigkeit der Aussage eines Knallzeugen + Entscheidung nach Beweislast

Haftung zwischen Fahrzeughaltern nach § 17 II StVG: Unergiebigkeit der Aussage eines Knallzeugen + Entscheidung nach Beweislast

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K und B sind an einer Ampel mit ihren Autos zusammengestoßen. K verlangt klageweise Schadensersatz in voller Höhe. Er behauptet, B sei über Rot gefahren. Zeuge Z bestätigt dies zunächst, räumt jedoch auf Nachfrage ein, dass er erst wegen des Knallgeräusches zur Unfallstelle hinsah. Weitere Beweismittel gibt es nicht. ‌

Diesen Fall lösen 85,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Haftung zwischen Fahrzeughaltern nach § 17 II StVG: Unergiebigkeit der Aussage eines Knallzeugen + Entscheidung nach Beweislast

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K trägt die Beweislast dafür, dass B bei Rot über die Ampel gefahren ist.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich trägt jede Partei die Beweislast für die für sie günstigen Tatsachen (sog. Rosenbergsche Formel). Wird beim Betrieb eines Kfz ein Mensch getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 7 Abs. 1 StVG). Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte selbst ein am Unfall beteiligter Fahrzeughalter ist. Nach § 17 Abs. II i.V.m. Abs. 1 StVG hängt der Umfang der Ersatzpflicht dann jedoch davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Ein Rotlichtverstoß seitens B würde den Umfang seiner Ersatzpflicht gegenüber K erhöhen. Daher trägt K die Beweislast dafür.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Zeugenaussage des Z ist positiv ergiebig.

Nein!

Ein Beweismittel ist ergiebig, wenn es zur Klärung der Beweisfrage etwas beigetragen hat. Es ist positiv ergiebig, wenn es die Beweisfrage bestätigt. Die Beweisfrage lautet: Ist B bei Rot über die Ampel gefahren? Z bestätigt dies zwar zunächst, räumt jedoch auf Nachfrage ein, dass er erst wegen des Knallgeräusches zur Unfallstelle hinsah. Er weiß also gar nicht, ob er einen Rotlichtverstoß des B gesehen hat bzw. ob ein solcher stattgefunden hat. Seine Aussage ist unergiebig. Die Aussage eines sog. Knallzeugen, d.h. eines Zeugen, der erst hinsieht, nachdem er etwas gehört hat, ist grundsätzlich unergiebig.

3. Der Rechtsstreit ist nach Beweislast zu entscheiden.

Genau, so ist das!

Wenn dem Beweisbelasteten die Beweisführung nicht gelingt, beispielsweise weil das von ihm angebotene Beweismittel negativ ergiebig oder unergiebig ist, ist der Rechtsstreit nach Beweislast, d.h. zulasten der beweisbelasteten Partei zu entscheiden. Die Zeugenaussage des Z ist unergiebig, sodass der Rechtsstreit nach Beweislast zu entscheiden ist.

4. Da K den Rotlichtverstoß nicht beweisen konnte, ist die Klage des K vollumfänglich abzuweisen (§ 7 Abs. 1 StVG, §§ 17 Abs. 2 iVm Abs. 1 StVG).

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG hängt der Umfang der Ersatzpflicht zwischen Fahrzeughaltern davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Sofern kein über die bloße Betriebsgefahr hinausgehender Verursachungsbeitrag festgestellt werden kann, haften die Halter untereinander grundsätzlich zu gleichen Teilen. Da K den Rotlichtverstoß des B nicht beweisen kann, ergeht eine Entscheidung nach Beweislast. Dies bedeutet, dass ein möglicher Rotlichtsverstoß des B nicht berücksichtigt wird und K und B zu gleichen Teilen untereinander haften. Da K mit seiner Klage Schadensersatz in voller Höhe begehrt, ist sie nur in Höhe von 50% abzuweisen.Umgekehrt steht aber auch B nur hälftiger Ersatz für seinen Schaden zu.
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ADR

Adrian

18.1.2024, 13:27:57

In einem Abschnitt dieser Aufgabe wird zunächst Bezug genommen auf § 17 II StVG und dann schlicht behauptet, dass der B die Beweislast trägt. Könntet ihr hierzu ggfs. eine genauere Erläuterung einbauen? Danke!

LELEE

Leo Lee

20.1.2024, 08:00:11

Hallo Adrian, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat wird im Subsumtionstext nur von der Beweislast – ohne weitere Erklärung – gesprochen. Beachte allerdings, dass hierfür im Maßstabstext der Grund hinterlegt ist: Jeder muss für sich die günstigen Tatsachen darlegen nach der sog. Rosenbergschen Formel. Deshalb muss hier der K den Rotlichtverstoß darlegen, damit er „mehr Kohle“ mit nach Hause nehmen kann :). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von Saenger ZPO 10. Auflage, Saenger § 286 Rn. 58 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.