+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K und B sind an einer Ampel mit ihren Autos zusammengestoßen. K verlangt klageweise Schadensersatz in voller Höhe. Er behauptet, B sei über Rot gefahren. Zeuge Z bestätigt dies zunächst, räumt jedoch auf Nachfrage ein, dass er erst wegen des Knallgeräusches zur Unfallstelle hinsah. Weitere Beweismittel gibt es nicht.
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Einordnung des Falls
Haftung zwischen Fahrzeughaltern nach § 17 II StVG: Unergiebigkeit der Aussage eines Knallzeugen + Entscheidung nach Beweislast
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K trägt die Beweislast dafür, dass B bei Rot über die Ampel gefahren ist.
Ja, in der Tat!
Grundsätzlich trägt jede Partei die Beweislast für die für sie günstigen Tatsachen (sog. Rosenbergsche Formel).
Wird beim Betrieb eines Kfz ein Mensch getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 7 Abs. 1 StVG). Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte selbst ein am Unfall beteiligter Fahrzeughalter ist. Nach § 17 Abs. II i.V.m. Abs. 1 StVG hängt der Umfang der Ersatzpflicht dann jedoch davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Ein Rotlichtverstoß seitens B würde den Umfang seiner Ersatzpflicht gegenüber K erhöhen. Daher trägt K die Beweislast dafür.
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2. Die Zeugenaussage des Z ist positiv ergiebig.
Nein!
Ein Beweismittel ist ergiebig, wenn es zur Klärung der Beweisfrage etwas beigetragen hat. Es ist positiv ergiebig, wenn es die Beweisfrage bestätigt.
Die Beweisfrage lautet: Ist B bei Rot über die Ampel gefahren? Z bestätigt dies zwar zunächst, räumt jedoch auf Nachfrage ein, dass er erst wegen des Knallgeräusches zur Unfallstelle hinsah. Er weiß also gar nicht, ob er einen Rotlichtverstoß des B gesehen hat bzw. ob ein solcher stattgefunden hat. Seine Aussage ist unergiebig.
Die Aussage eines sog. Knallzeugen, d.h. eines Zeugen, der erst hinsieht, nachdem er etwas gehört hat, ist grundsätzlich unergiebig.
3. Der Rechtsstreit ist nach Beweislast zu entscheiden.
Genau, so ist das!
Wenn dem Beweisbelasteten die Beweisführung nicht gelingt, beispielsweise weil das von ihm angebotene Beweismittel negativ ergiebig oder unergiebig ist, ist der Rechtsstreit nach Beweislast, d.h. zulasten der beweisbelasteten Partei zu entscheiden.
Die Zeugenaussage des Z ist unergiebig, sodass der Rechtsstreit nach Beweislast zu entscheiden ist.
4. Da K den Rotlichtverstoß nicht beweisen konnte, ist die Klage des K vollumfänglich abzuweisen (§ 7 Abs. 1 StVG, §§ 17 Abs. 2 iVm Abs. 1 StVG).
Nein, das trifft nicht zu!
Nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG hängt der Umfang der Ersatzpflicht zwischen Fahrzeughaltern davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Sofern kein über die bloße Betriebsgefahr hinausgehender Verursachungsbeitrag festgestellt werden kann, haften die Halter untereinander grundsätzlich zu gleichen Teilen.
Da K den Rotlichtverstoß des B nicht beweisen kann, ergeht eine Entscheidung nach Beweislast. Dies bedeutet, dass ein möglicher Rotlichtsverstoß des B nicht berücksichtigt wird und K und B zu gleichen Teilen untereinander haften. Da K mit seiner Klage Schadensersatz in voller Höhe begehrt, ist sie nur in Höhe von 50% abzuweisen.Umgekehrt steht aber auch B nur hälftiger Ersatz für seinen Schaden zu.