Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Fahrlässigkeit

Geschwindigkeitsbegrenzungen und Fahrlässigkeit nach § 222 StGB

Geschwindigkeitsbegrenzungen und Fahrlässigkeit nach § 222 StGB

22. November 2024

4,7(8.222 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T und O überfahren gleichzeitig die jeweilige Haltelinie an einer Kreuzung. Bei dem Crash stirbt O. T fuhr 65 km/h. Hätte T die erlaubten 50 km/h eingehalten, als O die Linie überfuhr, wäre er 0,7 Sek. später am Unfallort und O hätte bereits die Kreuzung passiert.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Geschwindigkeitsbegrenzungen und Fahrlässigkeit nach § 222 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten (§ 222 StGB).

Ja, in der Tat!

Der einschlägige Sorgfaltsmaßstab ergibt sich vorliegend aus § 3 StVO. Danach ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit einzuhalten. T überschreitet diese indes.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Der Tod des O war auch objektiv vorhersehbar.

Ja!

Die objektive Vorhersehbarkeit setzt voraus, dass der Erfolgseintritt sowie Kausalverlauf für einen Durchschnittsmenschen des jeweiligen Verkehrskreises absehbar gewesen ist. Für einen durchschnittlichen Autofahrer ist es nicht unvorhersehbar, dass beim Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit Unfälle mit mitunter tödlichen Folgen passieren können.

3. T ist der Tod des O objektiv zuzurechnen. Im Unfalltod des O haben sich die Gefahren des Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit verwirklicht, vor denen die Geschwindigkeitsregeln gerade schützen sollen (Schutzzweck der Norm).

Genau, so ist das!

Im Rahmen der objektiven Zurechnung muss ein Schutzzweckzusammenhang bestehen. Dieser ist nur gegeben, wenn der Erfolgseintritt innerhalb des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltspflicht liegt.OLG Hamm: Zwar bezweckten Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht, dass ein Fahrer zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht an einen bestimmten Ort gelangt. Sie bezweckten jedoch, dass andere die Möglichkeit haben, einem Unfall durch Verlassen des Gefahrenbereichs gerade noch zu entgehen. Hier habe T ein Fehlverhalten in der kritischen Verkehrssituation selbst gezeigt. Bei so engem zeitlich-räumlichen Kontext zwischen Geschwindigkeitsverstoß und Unfall sei die objektive Zurechnung zu bejahen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

23.10.2021, 18:17:36

Ist der Fall nicht genauso schon aufgenommen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.10.2021, 18:21:52

Hallo nomamo, an verschiedenen Stellen kommen die Fälle in gleicher oder abgewandelter Form vor. Das kann verschiedene Gründe haben, wie zB andere Aspekte des Falles, die für die Lösung relevant sind oder aber auch eine neue Facette, die durch das Abwandeln des Falles erst sichtbar wird. Dies ist insofern durchaus gewollt :) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

21.5.2022, 09:19:14

Auf dem Bild ist ja zu erkennen dass der O nur mit 30 fährt, dass würde ich entweder in eine Fallfrage verpacken (wie wirkt es sich aus wenn jemand die e erlaubte Geschwindigkeit unterschreitet) oder man nimmt es raus und stellt nur die 65 km/h des T dar

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.5.2022, 13:19:30

Hallo Blotgrim, die Geschwindigkeitsangaben beruhen hier auf dem Ausgangssachverhalt, der dem OLG Hamm zur Entscheidung zugrunde lag. Dass O sich hier noch deutlich unter der zulässigen Geschwindigkeit fortbewegte, hatte im Hinblick auf die Strafbarkeit des T indes keine Rolle gespielt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

14.12.2022, 20:32:35

Mich verwirrt ein wenig, dass ihr den Fall vom BGH (06.11.1984) oben (im Abschnitt über den Pflichtwidrigkeitszshg) gebracht habt, wobei beide Fälle mE dieselbe Problematik haben. Dort wird nicht auf den Schutzzweckzshg, hier nicht auf den Pflichtwidrigkeitszshg eingegangen. Liegt es daran, dass das OLG nur den Schutzzweckzshg und der BGH nur den

Pflichtwidrigkeitszusammenhang

in der Originalentscheidung angesprochen hat oder gibt es dafür einen anderen Grund?

IT

Itsajourney

11.3.2024, 21:53:22

Ich würde mich ebenfalls über eine Aufklärung freuen!

DI

Dini2010

2.8.2023, 22:50:46

Was mich hier eher verwirrt: wie kann es überhaupt sein, dass zwei PKW gleichzeitig in eine Kreuzung einfahren. Da wäre doch ein vorfahrtsverstoß viel naheliegender als die bloße Geschwindigkeit. Es kann ja nicht sein, dass beide fahren durften, einer muss ja Vorfahrt gehabt haben Ich weiß, steht im SV nichts von drin, daher für den SV irrelevant. Es irritiert mich trotzdem total, v.a., wenn es ein echter Fall sein soll

LELEE

Leo Lee

5.8.2023, 10:36:49

Hallo Dini2010, in der Tat werden es in der Praxis multiple Aspekte sein, die zu einem Unfallgeschehen führen. Insofern ist es natürlich völlig richtig, dass i.d.R. auch die Vorfahrt (wenn es eine entsprechende Beschilderung gab) missachtet wird. Hier hat sich das OLG freilich nur darauf konzentriert, inwiefern bei einer "kritischen Verkehrssituation" (also hier und jetzt) das Überschreiten der vorgegebenen Geschwindigkeit vom

Schutzzweck der Norm

(§§ 222,

229 StGB

) erfasst ist. Jedoch wäre es selbstverständlich nicht völlig abwegig, i.R.d. Schutzzwecks auch die Vorfahrtsregel zu erwähnen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

JI

Jimmy105

11.7.2024, 22:09:19

Hallo, wie ist denn zu berücksichtigen, dass das Opfer mit nur 30kmh fuhr? wird das in der strafzumessung relevant? zu langsam fahren ist ja ebenso unerwünscht wie zu schnell fahren (wobei letzteres wohl stärker missbilligt ist).

TI

Timurso

12.7.2024, 10:24:05

Woraus schlussfolgerst du, dass an der konkreten Stelle eine Richtgeschwindigkeit angeordnet war? Im Kreuzungsbereich langsamer zu fahren dürfte hier selbst wenn es eine Richtgeschwindigkeit gäbe keine Auswirkungen in der Strafzumessung haben, da es sicherer ist mit 30 kmh als mit 50 kmh zu fahren. Insbesondere auch im Hinblick auf die geringere kinetische Energie beim Zusammenstoß. Etwas anderes könnte allerhöchstens gelten, wenn der langsam Fahrende einen Auffahrunfall provoziert, wobei auch dann der Fehler eigentlich beim Hintermann liegt, der ausreichend Abstand halten muss.

JI

Jimmy105

12.7.2024, 11:13:57

Kenne das so zb aus § 3 abs. 2 StVO. Man soll sich grds. an die Höchstgeschwindkeit halten, sofern keine Gründe entgegen stehen. ich seh das so: wenn ich dem zuschnell fahrenden einen vorwurf machen kann, weil er zu früh an einem ort ist und dort ein unfall geschieht, dann wohl auch dem zulangsam fahrenden, der schon längst hätte weg sein müssen. natürlich macht es einen kinetischen Unterschied, weshalb schneller fahren abstrakt gedährlicher ist als zu langsam fahren. Aber auch das zu langsam fahren kann etwa wegen auffahrunfällen, aber auch wegen solchen Konstellationen wie in diesem Fall (wie ich finde) gefährlich sein. Die Gefahrensituation verlängert sich dadurch schließlich. anderes beispiel: passant läuft über eine rote ampel, nichts passiert. passant schleicht langsam und wird von einem KFZ erfasst. beides gefährlich, letzteres aber wohl gefährlicher. soll das jetzt allein dem (zuschnell) fahrenden vorgeworfen werden? irgendwo muss es berücksichtigt werden

TI

Timurso

12.7.2024, 11:22:13

Aber in dem Fall ist doch gerade erläutert, dass dem zu schnell fahrenden kein Vorwurf gemacht wird weil er zu früh an irgendeinem Ort ist, sondern nur, weil er zu schnell war und deshalb beide Verkehrsteilnehmer nicht mehr angemessen reagieren konnten.

JI

Jimmy105

12.7.2024, 11:35:16

ja, deswegen ist es auch eine abstrakte und generelle Frage, die ich übrigens auch an anderer Stelle schonmal gestellt hatte. Kausal sind beide Handlungen. Danke für deine bisherigen Anregungen


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen