fehlgeschlagene Aufwendungen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Baggerfahrer B erfasst Rocker R mit der Schaufel des Baggers und verletzt R schwer. Durch die Einlieferung ins Krankenhaus verpasst R das Konzert seiner Lieblingsband Metallica am selben Tag. R hatte bereits eine (nicht personengebundene) Karte im Wert von €50 erworben.
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Einordnung des Falls
fehlgeschlagene Aufwendungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Kosten der Konzertkarte sind über die Grundsätzen für entgangene private Nutzungsmöglichkeit ersetzbar.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Fehlgeschlagene private Aufwendungen sind im Übrigen grundsätzlich nicht iRd §§ 249ff. BGB ersetzbar.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jana-Kristin
4.2.2021, 11:54:28
Erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang die Ansicht in der Literatur, dass in dem Ausfall einer bezweckten Nutzung sich gleichsam ein Geldwert frustriere (Frustationstheorie) und daher dieser über 251 BGB zu ersetzen wäre.
Lukas_Mengestu
9.12.2021, 10:31:15
Hallo Jana-Kristin, in der Tat wurde vor allem im früheren Schrifttum vertreten, dass freiwillige Vermögensopfer, die wegen des Schadensereignisses ihren Zweck verfehlt haben, als Schaden über § 251 BGB ersetzt werden können (Frustrationsgedanke). Aufgrund der Existenz des § 284 BGB wird dies heutzutage allerdings nicht mehr wirklich vertreten, weswegen wir auch davon abgesehen haben, dies mit aufzunehmen (vgl. Brand, in: BeckOGK-BGB, 1.8.2021, § 251 RdNr. 89 ff. mwN). Nicht verwechseln darf man dies allerdings mit der sog.
Rentabilitätsvermutungbei Aufwendungen im erwerbswirtschaftlichen Bereich. Werden hier Aufwendungen getätigt, die sich durch das Geschäft wieder amortisieren sollten (zB Kosten für die Einladungen zu einer Verkaufsveranstaltung, die ausfallen muss, weil der Vermieter die Räume überbucht hat), so können die als Grundlage zur Berechnung des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) herangezogen werden. Denn insoweit wird - widerleglich - vermutet, dass die nutzlos gewordenen Aufwendungen bei ordnungsgemäßer Erfülung des Vertrages wieder erwirtschaftet worden wären. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team
Thomfred01
28.9.2022, 10:43:58
Wie wäre der Fall denn zu beurteilen, wenn der R eine personenbezogene Karte hätte? Der R hätte dann ja einen personengebundenen Erfüllungsanspruch gegen den Veranstalter des Konzerts. Diese Erfüllung wäre dann ja wegen Unmöglichkeit der Mitwirkung des R (§ 642 BGB) nicht möglich und wegen § 326 II 1 BGB bliebe R jetzt auf Preiszahlungspflicht sitzen, weil er für die Unmöglichkeit in seine Verantwortungssphäre fällt. Dann wäre ja nicht die Gebrauchsmöglichkeit (die er bei einem nicht personenbezogenen Ticket durch die Möglichkeit des Weiterverkaufs hätte) beeinträchtigt, sondern er verliert unmittelbar einen Leistungsanspruch, für den er Gegen
leistungspflichtig bleibt. Somit läge doch klarer Vermögensschaden vor. Liege ich richtig?
Lukas_Mengestu
28.9.2022, 15:59:58
Hallo Thomfred01, wird lediglich die allgemeine Möglichkeit des Lebensgenusses herabgesetzt (zB fehlende Nutzungsmöglichkeit des Wochenendhauses oder des dauerhaft angemieteten Tennisplatzes), so ist höchstrichterlich entschieden, dass hier ein Schaden stets ausscheidet (BGHZ 55, 152). in der Tat wird aber von einigen Instanzgerichten (zB OLG Hamm NJW 1998, 2292) und auch einem Teil der Literatur (vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB; § 249 RdNr. 69) vertreten, dass in Fällen von Aufwendungen auf ein "einmaliges Ereignis" (zB die bezahlte Theaterkarte) ausnahmsweise doch ein Vermögensschaden vorliegt, sofern hierdurch der Wert der Leistung gänzlich entwertet und das Vermögen des Geschädigten entsprechend vermindert wird. Die Nutzungsmöglichkeit (zB Genuss der Aufführung) sei insoweit kommerzialisiert (Wert des Tickets). Dies wäre in der Tat bei einer personengebundenen Konzertkarte der Fall, wenn R das Konzert nicht besuchen kann. Andere halten dem entgegen, dass eine Ersatzpflicht jedenfalls daran scheitere, dass der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit nicht im Schutzbereich der verletzten Norm liegt (vgl. Looschelders, § 49 RdNr. 10; ). Auch bei einmaligen Ereignissen bestünde damit generell keine Ersatzpflicht. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu gibt es bislang nicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Diaa
8.9.2024, 18:58:12
Wird also der Betroffene in diesem Fall auf keiner Weise für das Verpassen des Konzertes entschädigt?
Timurso
8.9.2024, 23:09:29
Richtig, ja. Das ist insoweit dann eher allgemeines Lebensrisiko. Außerdem hat er ja auch die Möglichkeit, die Karte weiterzuverkaufen und so keinen materiellen Schaden zu erleiden.
Leo Lee
9.9.2024, 07:14:00
Hallo Diaa, vielen Dank für die sehr gute Frage! So ist es. Nach dem Schadensrecht sagen wir hier, dass eine Entschädigung nicht in Betracht kommt. Nach 284 (kein Schaden, sondern Aufwendung) kommt allerdings noch ein Anspruch in Betracht, weshalb diese Norm noch zu prüfen wäre :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Diaa
9.9.2024, 07:33:44
Vielen Dank euch beiden für die Antwort!
Timurso
9.9.2024, 12:44:40
@[Leo Lee](213375) wobei § 284 BGB hier mangels Vertragsverhältnis ziemlich schnell ausscheidet, richtig?