fehlgeschlagene Aufwendungen

25. Mai 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Baggerfahrer B erfasst Rocker R mit der Schaufel des Baggers und verletzt R schwer. Durch die Einlieferung ins Krankenhaus verpasst R das Konzert seiner Lieblingsband Metallica am selben Tag. R hatte bereits eine (nicht personengebundene) Karte im Wert von €50 erworben.

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Einordnung des Falls

fehlgeschlagene Aufwendungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kosten der Konzertkarte sind über die Grundsätzen für entgangene private Nutzungsmöglichkeit ersetzbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Rechtsprechung kann die entgangene privaten Nutzungsmöglichkeit nur dann als Vermögensschaden angesehen werden, wenn (1) in den Gegenstand selbst eingegriffen wurde, (2) es sich um ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung handelt und (3) die Nutzungsbeeinträchtigung fühlbar ist.Hier fehlt es schon an einem gegenstandsbezogenen Eingriff: Nicht die Konzertkarte wird beschädigt, sondern die Person verletzt.
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2. Fehlgeschlagene private Aufwendungen sind im Übrigen grundsätzlich nicht iRd §§ 249ff. BGB ersetzbar.

Ja, in der Tat!

Aufwendungen, durch die der Geschädigte bereits vor dem Schadensfall Gebrauchsvorteile erworben hat, die er nach dem schädigenden Ereignis nicht mehr nutzen kann, stellen nach hM grundsätzlich keinen Vermögensschaden dar. Denn es wird nicht die Sache selbst (vorübergehend) unbrauchbar. Lediglich die Person des Berechtigten wird daran gehindert, den in Aussicht genommenen Gebrauch zu machen. Für die allgemeinen Handlungsmöglichkeiten einer Person kann aber keine Entschädigung geleistet werden. Sonst würde der Geschädigte selbst darüber bestimmen, was einen Vermögensschaden darstellt. Etwas anderes kann sich im Vertragsrecht etwa aus § 284 BGB ergeben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jana-Kristin

Jana-Kristin

4.2.2021, 11:54:28

Erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang die Ansicht in der Literatur, dass in dem Ausfall einer bezweckten Nutzung sich gleichsam ein

Geld

wert frustriere (Frustationstheorie) und daher dieser über 251 BGB zu ersetzen wäre.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.12.2021, 10:31:15

Hallo Jana-Kristin, in der Tat wurde vor allem im früheren Schrifttum vertreten, dass

freiwillige Vermögensopfer

, die wegen des

Schaden

sereignisses ihren Zweck verfehlt haben, als

Schaden

über § 251 BGB ersetzt werden können (

Frustrationsgedanke

). Aufgrund der Existenz des

§ 284 BGB

wird dies heutzutage allerdings nicht mehr wirklich vertreten, weswegen wir auch davon abgesehen haben, dies mit aufzunehmen (vgl. Brand, in: BeckOGK-BGB, 1.8.2021, § 251 RdNr. 89 ff. mwN). Nicht verwechseln darf man dies allerdings mit der sog.

Rentabilitätsvermutung

bei Aufwendungen im erwerbswirtschaftlichen Bereich. Werden hier Aufwendungen getätigt, die sich durch das Geschäft wieder amortisieren sollten (zB Kosten für die Einladungen zu einer Verkaufsveranstaltung, die ausfallen muss, weil der Vermieter die Räume überbucht hat), so können die als Grundlage zur Berechnung des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) herangezogen werden. Denn insoweit wird - widerleglich - vermutet, dass die nutzlos gewordenen Aufwendungen bei ordnungsgemäßer Erfülung des Vertrages wieder erwirtschaftet worden wären. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team

TH

Thomfred01

28.9.2022, 10:43:58

Wie wäre der Fall denn zu beurteilen, wenn der R eine personenbezogene Karte hätte? Der R hätte dann ja einen personengebundenen

Erfüllung

sanspruch gegen den Veranstalter des Konzerts. Diese

Erfüllung

wäre dann ja wegen

Unmöglichkeit

der Mitwirkung des R (§ 642 BGB) nicht möglich und wegen §

326 II

1 BGB bliebe R jetzt auf Preiszahlungspflicht sitzen, weil er für die

Unmöglichkeit

in seine Verantwortungssphäre fällt. Dann wäre ja nicht die Gebrauchsmöglichkeit (die er bei einem nicht personenbezogenen Ticket durch die Möglichkeit des Weiterverkaufs hätte) beeinträchtigt, sondern er verliert unmittelbar einen Leistungsanspruch, für den er Gegen

leistungspflicht

ig bleibt. Somit läge doch klarer Vermögens

schaden

vor. Liege ich richtig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.9.2022, 15:59:58

Hallo Thomfred01, wird lediglich die allgemeine Möglichkeit des Lebensgenusses herabgesetzt (zB fehlende Nutzungsmöglichkeit des Wochenendhauses oder des dauerhaft angemieteten Tennisplatzes), so ist höchstrichterlich entschieden, dass hier ein

Schaden

stets ausscheidet (BGHZ 55, 152). in der Tat wird aber von einigen Instanzgerichten (zB OLG Hamm NJW 1998, 2292) und auch einem Teil der Literatur (vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB; § 249 RdNr. 69) vertreten, dass in Fällen von Aufwendungen auf ein "einmaliges Ereignis" (zB die bezahlte Theaterkarte) ausnahmsweise doch ein Vermögens

schaden

vorliegt, sofern hierdurch der Wert der Leistung gänzlich entwertet und das Vermögen des Geschädigten entsprechend vermindert wird. Die Nutzungsmöglichkeit (zB Genuss der Aufführung) sei insoweit kommerzialisiert (Wert des Tickets). Dies wäre in der Tat bei einer personengebundenen Konzertkarte der Fall, wenn R das Konzert nicht besuchen kann. Andere halten dem entgegen, dass eine Ersatzpflicht jedenfalls daran scheitere, dass der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit nicht im Schutzbereich der verletzten Norm liegt (vgl. Looschelders, § 49 RdNr. 10; ). Auch bei einmaligen Ereignissen bestünde damit generell keine Ersatzpflicht. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu gibt es bislang nicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

8.9.2024, 18:58:12

Wird also der Betroffene in diesem Fall auf keiner Weise für das Verpassen des Konzertes entschädigt?

TI

Timurso

8.9.2024, 23:09:29

Richtig, ja. Das ist insoweit dann eher allgemeines Lebensrisiko. Außerdem hat er ja auch die Möglichkeit, die Karte weiterzuverkaufen und so keinen materiellen

Schaden

zu erleiden.

LELEE

Leo Lee

9.9.2024, 07:14:00

Hallo Diaa, vielen Dank für die sehr gute Frage! So ist es. Nach dem

Schadensrecht

sagen wir hier, dass eine Entschädigung nicht in Betracht kommt. Nach 284 (kein

Schaden

, sondern Aufwendung) kommt allerdings noch ein Anspruch in Betracht, weshalb diese Norm noch zu prüfen wäre :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

DIAA

Diaa

9.9.2024, 07:33:44

Vielen Dank euch beiden für die Antwort!

TI

Timurso

9.9.2024, 12:44:40

@[Leo Lee](213375) wobei

§ 284 BGB

hier mangels Vertragsverhältnis ziemlich schnell ausscheidet, richtig?

LMA

Lt. Maverick

1.5.2025, 13:13:19

@[Timurso](197555) Ein Anspruch aus § 823 I BGB stellt ein gesetzliches

Schuldverhältnis im engeren Sinne

dar. § 280 I BGB erfasst somit auch § 823 I BGB als gesetzliches

Schuld

verhältnis. Nur kann die

Pflichtverletzung

im Rahmen des § 280 I BGB nicht dieselbe sein, die auch zum Entstehen des gesetzlichen

Schuld

verhältnis geführt hat. Typisches Beispiel wäre: A zerstört die Vase des B (§ 823 I BGB) und kauft ihm dieselbe Vase im Zuge der

Naturalrestitution

. Bei Ablieferung der neuen Vase zerstört A fahrlässig eine weitere Vase des B. Dann hat A aus dem gesetzlichen

Schuld

verhältnis seine Rücksichtnahmepflicht verletzt, sodass ein Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB möglich ist und netterweise hierbei gleich mal das Vertretenmüssen, anders als bei einem deliktischen Anspruch, vermutet wird.

TI

Timurso

1.5.2025, 14:48:58

@[Lt. Maverick](229751) Aber ich verstehe dich jetzt schon richtig, dass du auch der Meinung bist, dass hier im Fall eine Haftung nicht in Betracht kommt?

LMA

Lt. Maverick

1.5.2025, 14:56:19

@[Timurso](197555) Korrekt, nur wollte ich darauf hinweisen, dass für einen Anspruch aus § 280 BGB sehr wohl ein

Schuld

verhältnis aus § 823 I BGB bestehen kann. Lediglich die

Pflichtverletzung

müsste eine andere als die zum Entstehen des gesetzlichen

Schuld

verhältnisses sein. Das ist hier gerade nicht gegeben. Der

Schaden

beruht auf ein und derselben

Pflichtverletzung

.

TI

Timurso

1.5.2025, 16:30:16

@[Lt. Maverick](229751) das stimmt, ich hätte hier richtigerweise von "

Schuld

verhältnis" sprechen sollen, nicht von "Vertragsverhältnis".

HAN

hansphilipp

6.5.2025, 10:56:28

Im Grüneberg steht der Fall, dass der Geschädigte verletzungsbedingt einen Theaterbesuch ausfallen lassen muss und ihm dann aber ein ErsAnspr in Höhe des Wertes der Theaterkarte zusteht (h.M.). Das trifft doch auch auf diesen Fall zu oder verstehe ich da was falsch ? [GrB § 249 Rn. 69]


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