mittel

Diesen Fall lösen 64,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

Baggerfahrer B erfasst Rocker R mit der Schaufel des Baggers und verletzt R schwer. Durch die Einlieferung ins Krankenhaus verpasst R das Konzert seiner Lieblingsband Metallica am selben Tag. R hatte bereits eine (nicht personengebundene) Karte im Wert von €50 erworben.

Einordnung des Falls

fehlgeschlagene Aufwendungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kosten der Konzertkarte sind über die Grundsätzen für entgangene private Nutzungsmöglichkeit ersetzbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Rechtsprechung kann die entgangene privaten Nutzungsmöglichkeit nur dann als Vermögensschaden angesehen werden, wenn (1) in den Gegenstand selbst eingegriffen wurde, (2) es sich um ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung handelt und (3) die Nutzungsbeeinträchtigung fühlbar ist.Hier fehlt es schon an einem gegenstandsbezogenen Eingriff: Nicht die Konzertkarte wird beschädigt, sondern die Person verletzt.

2. Fehlgeschlagene private Aufwendungen sind im Übrigen grundsätzlich nicht iRd §§ 249ff. BGB ersetzbar.

Ja, in der Tat!

Aufwendungen, durch die der Geschädigte bereits vor dem Schadensfall Gebrauchsvorteile erworben hat, die er nach dem schädigenden Ereignis nicht mehr nutzen kann, stellen nach hM grundsätzlich keinen Vermögensschaden dar. Denn es wird nicht die Sache selbst (vorübergehend) unbrauchbar. Lediglich die Person des Berechtigten wird daran gehindert, den in Aussicht genommenen Gebrauch zu machen. Für die allgemeinen Handlungsmöglichkeiten einer Person kann aber keine Entschädigung geleistet werden. Sonst würde der Geschädigte selbst darüber bestimmen, was einen Vermögensschaden darstellt. Etwas anderes kann sich im Vertragsrecht etwa aus § 284 BGB ergeben.

Jurafuchs kostenlos testen


Jana-Kristin

Jana-Kristin

4.2.2021, 11:54:28

Erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang die Ansicht in der Literatur, dass in dem Ausfall einer bezweckten Nutzung sich gleichsam ein Geldwert frustriere (Frustationstheorie) und daher dieser über

251 BGB

zu ersetzen wäre.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.12.2021, 10:31:15

Hallo Jana-Kristin, in der Tat wurde vor allem im früheren Schrifttum vertreten, dass freiwillige Vermögensopfer, die wegen des Schadensereignisses ihren Zweck verfehlt haben, als Schaden über §

251 BGB

ersetzt werden können (Frustrationsgedanke). Aufgrund der Existenz des § 284 BGB wird dies heutzutage allerdings nicht mehr wirklich vertreten, weswegen wir auch davon abgesehen haben, dies mit aufzunehmen (vgl. Brand, in: BeckOGK-BGB, 1.8.2021, § 251 RdNr. 89 ff. mwN). Nicht verwechseln darf man dies allerdings mit der sog.

Rentabilitätsvermutung

bei Aufwendungen im erwerbswirtschaftlichen Bereich. Werden hier Aufwendungen getätigt, die sich durch das Geschäft wieder amortisieren sollten (zB Kosten für die Einladungen zu einer Verkaufsveranstaltung, die ausfallen muss, weil der Vermieter die Räume überbucht hat), so können die als Grundlage zur Berechnung des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) herangezogen werden. Denn insoweit wird - widerleglich - vermutet, dass die nutzlos gewordenen Aufwendungen bei ordnungsgemäßer Erfülung des Vertrages wieder erwirtschaftet worden wären. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team

TH

Thomfred01

28.9.2022, 10:43:58

Wie wäre der Fall denn zu beurteilen, wenn der R eine personenbezogene Karte hätte? Der R hätte dann ja einen personengebundenen Erfüllungsanspruch gegen den Veranstalter des Konzerts. Diese Erfüllung wäre dann ja wegen Unmöglichkeit der Mitwirkung des R (§ 642 BGB) nicht möglich und wegen § 326 II 1 BGB bliebe R jetzt auf Preiszahlungspflicht sitzen, weil er für die Unmöglichkeit in seine Verantwortungssphäre fällt. Dann wäre ja nicht die Gebrauchsmöglichkeit (die er bei einem nicht personenbezogenen Ticket durch die Möglichkeit des Weiterverkaufs hätte) beeinträchtigt, sondern er verliert unmittelbar einen Leistungsanspruch, für den er Gegenleistungspflichtig bleibt. Somit läge doch klarer Vermögensschaden vor. Liege ich richtig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.9.2022, 15:59:58

Hallo Thomfred01, wird lediglich die allgemeine Möglichkeit des Lebensgenusses herabgesetzt (zB fehlende Nutzungsmöglichkeit des Wochenendhauses oder des dauerhaft angemieteten Tennisplatzes), so ist höchstrichterlich entschieden, dass hier ein Schaden stets ausscheidet (BGHZ 55, 152). in der Tat wird aber von einigen Instanzgerichten (zB OLG Hamm NJW 1998, 2292) und auch einem Teil der Literatur (vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB; § 249 RdNr. 69) vertreten, dass in Fällen von Aufwendungen auf ein "einmaliges Ereignis" (zB die bezahlte Theaterkarte) ausnahmsweise doch ein Vermögensschaden vorliegt, sofern hierdurch der Wert der Leistung gänzlich entwertet und das Vermögen des Geschädigten entsprechend vermindert wird. Die Nutzungsmöglichkeit (zB Genuss der Aufführung) sei insoweit kommerzialisiert (Wert des Tickets). Dies wäre in der Tat bei einer personengebundenen Konzertkarte der Fall, wenn R das Konzert nicht besuchen kann. Andere halten dem entgegen, dass eine Ersatzpflicht jedenfalls daran scheitere, dass der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit nicht im Schutzbereich der verletzten Norm liegt (vgl. Looschelders, § 49 RdNr. 10; ). Auch bei einmaligen Ereignissen bestünde damit generell keine Ersatzpflicht. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu gibt es bislang nicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2024