vertaner Urlaub

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Anwältin A hat einen 2-wöchigen Skiurlaub gebucht. Am ersten Tag auf der Piste wird sie fahrlässig von Snowboardfahrer S umgefahren und erleidet einen Kreuzbandriss. Die übrigen Urlaubstage verbringt sie im Krankenbett.

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Einordnung des Falls

vertaner Urlaub

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Schaden der A in Form der vertanen Urlaubszeit ist nach § 249 BGB im Wege der Naturalrestitution ersetzbar.

Nein!

Der Geschädigte kann vom Schädiger verlangen, dass dieser den Zustand herstellt, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB, Naturalrestitution). Voraussetzung für die Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 und 2 BGB ist jedoch, dass die Wiederherstellung noch möglich ist. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 251 Abs. 1 BGB, der subsidiär erst bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution einschlägig ist (Vorrang der Naturalrestitution).Die vertane Urlaubszeit kann nicht wiederhergestellt werden, sodass A diesbezüglich nicht Naturalrestitution nach § 249 BGB verlangen kann.
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2. Wenn die vertane Urlaubszeit ein Nichtvermögensschaden ist, kann A diesen von S im Rahmen von § 253 BGB ersetzt verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden (§ 253 Abs. 1 BGB). Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit wird jedoch nur gewährt, wenn durch einen Reisemangel eine Pauschalreise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird (§ 651n Abs. 2 BGB).Weder liegt hier ein Reisemangel vor, noch ist S Reiseanbieter. § 651n Abs. 2 BGB ist also nicht einschlägig.

3. Vertane Urlaubszeit ist unter normativen Gesichtspunkten ein Vermögensschaden, der nach § 251 Abs. 1 ersetzt werden kann.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 651n Abs. 2 BGB regelt den Ersatz für vertane Urlaubszeit bei Pauschalreisen abschließend und hebt nur insoweit die Sperre des § 253 Abs. 1 BGB auf. Damit hat das Gesetz eine bewusste Wertentscheidung gegen die generelle Anerkennung des Urlaubs als vermögenswertes Gut getroffen, sodass es für § 251 BGB an einem Vermögensschaden fehlt. Nach hM ist § 651n Abs. 2 BGB mangels planwidriger Lücke auch nicht analog auf andere Verträge anwendbar (bspw. Vermietung von Ferienwohnungen). Da nach der Wertung des Gesetzes schon die nutzlose Urlaubszeit kein Vermögensschaden ist, gilt dies im Übrigen erst Recht für die verdorbene Freizeit.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

paulmachtexamen

paulmachtexamen

3.3.2024, 22:40:12

Liebe Jurafüchse, ich stehe leider noch ein wenig auf dem Schlauch. Wenngleich die verlorene Urlaubszeit als Lebensfreude keinen (ersatzfähigen) Vermögensschaden darstellen kann, müssen dann gleichwohl die Kosten für das Urlaubshotel, Rückflug etc. vom Schädiger ersetzt werden? Über eine Antwort würde ich mich freuen!

paulmachtexamen

paulmachtexamen

3.3.2024, 22:41:38

oder handelt es sich hierbei um sog. „frustrierte“ Aufwendungen, die bereits vor dem schädigenden Ereignis aufgetreten sind und somit grds keinen ersatzfähigen Schaden darstellen können?

Irina95

Irina95

18.4.2024, 11:02:38

Dies würde mich auch sehr interessieren.

CR7

CR7

18.6.2024, 22:55:16

Hey Paul und Irinia, ich würde sagen, für die frustrierten Aufwendungen nach § 284 BGB fehlt es hier schon am SE statt der Leistung (beachte Wortlaut von § 284 BGB: „Anstelle des SE statt der Leistung…“). A hat einen Schaden an ihrem Körper bzw ihrer Gesundheit erlitten und sie kann die restlichen Tage nun nicht mehr Skifahren. Die Heilbehandlungskosten, sofern welche anfallen, bekommt sie nach § 249 II BGB ersetzt. Ggf. kommt ein Schmerzensgeld nach § 253 II BGB hinzu. Die Kosten für den Rückflug wären ohnehin entstanden, wenn sie denn zurückfliegen müsste (

rechtmäßiges Alternativverhalten

), ebenso wie für das Hotel, die wären ja auch entstanden, wenn sie gesund gewesen wäre. Dass sie diese nun im Bett verbringen muss ist zwar ärgerlich, im Ergebnis aber kein Schaden nach der

Differenzhypothese

. Provozierte Aufwendungen sind es auch nicht, da sie nicht zur Abwehr oder Geringhaltung eines Schadens dienen. Man könnte aber je nach Sachverhalt sicherlich daran denken, etwaige höhere Rückflugkosten geltend zu machen, wobei dann aber meines Erachtens höchstens nur die Differenz zwischen den zwei Flugpreisen zu zahlen wäre und ich mich schon an der Erforderlichkeit beiße, denn eine ärztliche Behandlung wird man sicherlich vor Ort erhalten, außer, man ist irgendwie immunsupprimiert krank und braucht wegen Folgekomplikationen einen dringende Fachärztin, die einen kennt und nur diese einen behandeln kann (wird wohl eher selten sein in Klausuren) Bei der vertanen Freizeit gibt es einen kleinen Meinungsstreit, ob Freizeit kommerzialisiert werden kann. Die h.M lehnt das ab, weil sonst ausufernde und im Einzelfall zu bewertende Bemessungen des Wertes „Freizeit“ angestellt werden müssen. Insbesondere ist Freizeit gesellschaftlich nicht einheitlich einem Wert zuzuordnen (a.A stellt auf darauf ab, wie viel Geld man in der Zeit hätte verdienen können). Der Verlust der Zeit stellt letztlich ein allgemeines Lebensrisiko dar.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

19.6.2024, 00:17:19

Besten Dank für die ausführliche Antwort Christiano, super erklärt!! Keine weiteren Fragen 😃


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