Erfolgsqualifizierter Versuch - Vollendungslösung


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte O schlagen, ohne ihn zu töten. T möchte gerade zuschlagen, als O flieht, wobei er auf der Flucht stolpert, sich das Genick bricht und verstirbt.

Einordnung des Falls

Erfolgsqualifizierter Versuch - Vollendungslösung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch einer Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Genau, so ist das!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). § 223 Abs. 2 StGB ordnet die Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich an.

2. T hatte Tatentschluss und unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja, in der Tat!

Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. Das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. T wollte eine Körperverletzung begehen und auch gerade zuschlagen. Es waren keine weiteren Zwischenschritte mehr erforderlich.

3. Lehnt man die Letalitätslehre ab, dann ist die Todesfolge zurechenbar eingetreten.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja!

Nach der Letalitätslehre liegt der Tatbestand der Erfolgsqualifikation dann vor, wenn die schwere Folge gerade auf dem Erfolg des Grunddeliktes basiert (z.B. wenn die Todesfolge gerade auf dem Körperverletzungserfolg beruht). Die Letalitätslehre ist bei § 227 StGB herrschende Lehre. Die Rechtsprechung lehnt diese jedoch ab. Es bestehen aber auch weitere Möglichkeiten der Einschränkung der Zurechenbarkeit. Je nach Fall liegt eine Zurechnung näher oder eher fern, was im Einzelfall zu bewerten ist. Es kommt eine Zurechenbarkeit in Betracht, da die Verletzung auf der Flucht bereits in der Gefahr einer Körperverletzung liegt, insbesondere da die Angst zu gefährlichen und irrationalen Manövern führt sowie die Kontrolle über den Körper einschränkt und ein Stolpern dabei wahrscheinlich ist. Das Stolpern und der Tod beruhen also gerade auf dem Versuch der Körperverletzung.

4. Nach der Vollendungslösung ist T wegen vollendeter Körperverletzung mit Todesfolge zu bestrafen.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Genau, so ist das!

Nach der Vollendungslösung ist der tatbestandliche Erfolg eingetreten, sodass eine Versuchsstrafbarkeit ausscheidet. Der Täter ist immer wegen vollendeter Erfolgsqualifikation zu bestrafen. § 23 Abs. 2 StGB kommt nicht zur Anwendung. Nach dieser Ansicht ist dann insbesondere auch ein Rücktritt ausgeschlossen. Dagegen spricht, dass jede Erfolgsqualifikation, um vollendet zu sein, auch die Vollendung des Grunddeliktes voraussetzt. Ein Raub mit Todesfolge setzt zwingend einen Raub voraus. Ein anderes Vorgehen verstößt gegen die Wortlautgrenze (Art. 103 Abs. 2 GG).

Jurafuchs kostenlos testen

© Jurafuchs 2024