Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB
Bloßes Ausnutzen des Überraschungsmomentes
Bloßes Ausnutzen des Überraschungsmomentes
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sieht zufällig seinen Rivalen O vor ihm an der Supermarktkasse stehen. Er entschließt sich spontan, O einen Denkzettel zu verpassen. Dazu schlägt er O von hinten nieder.
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Einordnung des Falls
Bloßes Ausnutzen des Überraschungsmomentes
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat die Körperverletzung zum Nachteil des O "mittels eines hinterlistigen Überfalls" (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Machegenga
25.5.2021, 21:56:17
Was ich nicht verstehe, ist der Zweck der Vorschrift: Warum wird die Gefährlichkeit der Handlung für das Rechtsgut der Gesundheit besonders durch den
Überfallbei „planmäßigem Verdecken der wahren Absicht“ erhöht, nicht aber wenn ich jemanden hinterrücks niederschlage, der vorher auch nicht mit einem Angriff gerechnet hatte, somit lediglich ein Überraschungsmoment ausnutzt? Für mich deutet diese Abgrenzung eher darauf hin, dass hier besonders un
ehrenhafte Gesinnung bestraft wird?
Tigerwitsch
25.5.2021, 23:15:58
Ein plötzlicher Angriff von hinten ist zwar ein
Überfall, aber nicht hinterlistig, wenn nur ein Überraschungsmoment ausgenutzt wird (siehe nur Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 224 Rn. 22; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder [Hrsg.], StGB, 30. Aufl. 2019, § 224 Rn. 10). Oder anders formuliert: Das Überraschungsmoment alleine reicht nicht aus, um einen hinterlistigen
Überfallanzunehmen (Umkehrschluss: Treten weitere Umstände hinzu, kann § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht werden.) Hinterlist setzt voraus, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (siehe nur BGH, U. v. 09.09.2004 - AZ.: 4 StR 199/04). Zweck ist es denjenigen Täter zu sanktionieren, dessen Absicht sich nach außen manifestiert, die Verteidigung des Opfers zu erschweren, in dem er planmäßig berechnend vorgeht, zu sanktionieren (BGH, B. v. 21.10.2008 - AZ.: 3 StR 401/08; U. v. 15.12.2020 - AZ.: 3 StR 386/20). Es kommt also auf die besonders
verwerfliche Vorgehensweise des Täters an. Strafgrund des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist nach h.M. allein eine generell erhöhte Gefährlichkeit, die in der Begehungsweise des hinterlistigen
Überfalls begründet liegt (Grünewald, in: Laufhütte u. a. [Hrsg.], Leipziger Kommentar StGB, 12. Aufl. 2018, § 224 Rn. 27 m.w.N.). Eine solche liegt eben nicht vor, wenn der Täter lediglich die Überraschung ausnutzt - unabhängig davon, ob der Angriff von hinten oder vorne geschieht. Denn dann hat sich die Absicht des Täters bzgl Hinterlist nicht nach außen manifestiert (vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder [Hrsg.], StGB, 30. Aufl. 2019, § 224 Rn. 1b).
Machegenga
26.5.2021, 12:13:54
Maschine! Wo nimmst du immer so schnell diese detaillierten und kleinteiligst belegten Erklärungen her?
Tigerwitsch
26.5.2021, 13:29:36
Dankeschön! 😎 Naja, aus Kommentaren und den typischen juristischen Datenbanken. Das hilft mir ja auch selbst für die Vorbereitung auf die Klausuren, um mir bestimmte Sachen nochmal genauer zu vergegenwärtigen. Insofern finde ich die Forumsfunktion mega, auch um selbst Fragen stellen zu können 👍🏻
Tin
12.7.2023, 12:34:10
Ich finde die Subsumtion etwas irreführend. Meiner Meinung nach müsste es heißen, dass zwar ein
Überfallvorliegt, dieser aufgrund der fehlenden planmäßigkeit jedoch nicht hinterlistig ist.