Festnahmerechte gemäß § 127 StPO
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sieht, wie A das gekippte Fenster einer Wohnung öffnet, um in diese einzusteigen. Sofort stürmt er auf A zu und nimmt ihn in einen Polizeigriff. T übergibt den A anschließend der Polizei. Es stellt sich heraus, dass A der Mieter der Wohnung ist.
Einordnung des Falls
Festnahmerechte gemäß § 127 StPO
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T den A bis zum Eintreffen der Polizei festhält, erfüllt er den Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).
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Ja, in der Tat!
2. Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.
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Ja!
3. Nach der materiell-rechtlichen Lösung muss die Tat tatsächlich begangen worden sein.
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Genau, so ist das!
4. Nach der prozessualen Lösung genügt dringender Tatverdacht.
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Ja, in der Tat!
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frausummer
13.4.2022, 07:53:41
Im vorherigen Fall sind wir von einer Nötigung ausgegangen. Wo liegt denn hier in der Festnahmehandlung der Unterschied?
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Lukas_Mengestu
21.4.2022, 11:09:16
Hallo frausummer, es besteht insoweit kein Unterschied hinsichtlich der Festnahmehandlung. Es sind beide Delikte tatbestandlich erfüllt. Letztlich ist § 239 StGB allerdings lex specialis zu § 240 StGB, solange die Gewalt lediglich dazu eingesetzt wird, die Freiheitsberaubung zu verwirklichen (Wieck-Noodt, in: MüKo-StGB, 4.A. 2021, § 239 RdNr. 60). Auf Ebene der Konkurrenzen würde die Nötigung hier also hinter der Freiheitsberaubung zurücktreten, wenn diese Taten nicht beide durch das Festnahmerecht nach § 127 StPO gerechtfertigt wären. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
tonys
12.2.2024, 11:34:01
Könntet ihr das dann bitte beim anderen Fall anpassen? War auch etwas verwirrt.
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Lukas_Mengestu
14.2.2024, 09:38:21
Hallo tonys, danke für den Hinweis! Das haben wir angeglichen :-) Beste Grüße, Lukas
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Annabelle
16.10.2022, 21:58:31
Wieso wird hier die prozessuale Lösung als h.M. im Antworttext bezeichnet, wo doch die besseren Argumente - gerade Wortlaut und Systematik - für die materiell-rechtliche Lösung streiten?
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
17.10.2022, 15:53:12
Hallo Annabelle, die prozessuale Lösung entspricht laut Kommentierung der herrschenden Meinung (so zB MüKoStPO/Böhm/Werner, 1. Aufl. 2014, StPO § 127 Rn. 8), was für Dich aber in der KLausur letztlich nicht entscheidend ist. Vielmehr kommt es in der Tat auf die Argumente an. Aber zugunsten der prozessualen Lösung kann man noch ins Feld führen, dass sonst der privat Handelnde schlechter gestellt würde, als ein Polizist, der ja auch bereits aufgrund des bloßen Tatverdachts agieren kann, was den Schutzzweck der Norm (Telos) unterlaufen würde. Insofern sprechen hier durchaus gute Gründe dafür, der prozessualen Lösung zu folgen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
![Sambadi](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__9zthocue3hsolyhsd75r62jf4.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Sambadi
16.3.2024, 17:04:21
Finde das Argument mit der „Schlechterstellung“ eines Privat-Handelnden ziemlich absurd. Ein Polizist ist ja gerade dazu ausgebildet die Rechtsordnung zu schützen und bestimmte Situationen besser einschätzen zu können (in der Theorie jedenfalls) & strahlt auch mit der Uniform, Waffe usw. die zugehörige Autorität aus. Deswegen unterscheidet das Gesetzt ja ganz klar, was ein Polizist darf und was der Normalsterbliche darf.