Einwilligungsfähigkeit 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S schenkt sich zu ihrem 15jährigen Geburtstag ein Bauchnabelpiercing, das P vornimmt. P hat S vor ihrer Zustimmung aufgeklärt. P weiß, dass die Eltern der S nicht zugestimmt haben.
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Einordnung des Falls
Einwilligungsfähigkeit 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB). Er könnte hier aufgrund einer Einwilligung der S gerechtfertigt sein.
Genau, so ist das!
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2. Das körperliche Unversehrtheit ist als Individual-Rechtsgut disponibel.
Ja, in der Tat!
3. S besitzt hinreichende Einwilligungsfähigkeit und ist als Inhaberin des Rechtsguts verfügungsbefugt.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Faby
25.4.2023, 22:20:09
Die fehlende Zustimmung der Eltern würde man nicht thematisieren? Also in der Lösung wird dazu ja nichts gesagt.
Elias Von der Brelie
17.5.2023, 17:30:40
Naja das Thema hat sich ja schon mit der bejahten Einwilligungsfähigkeit von S geklärt.
Friedrich-Schiller-Universität Jena
17.12.2023, 08:39:30
Ist in dem Fall nicht schon der Tatbestand ausgeschlossen, indem die Situation gleich gesehen wird wie eine ärztliche Behandlung (zumindest nach einer Ansicht)?
Nico
26.5.2024, 11:22:50
Also ich meine gehört zu haben dass ein ärztlicher heilangriff unstreitig eine vollendete Körperverletzung darstellt die im Wege der Einwilligung gerechtfertigt ist und so wird es wahrscheinlich auch hier sein
Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat
17.6.2024, 14:37:58
Ein ärztlicher Heileingriff erfüllt nach dem BGH den Tatbestand der Körperverletzung, selbst wenn er lege artis durchgeführt wird. Nach Teilen der Literatur hingegen entfällt bei lege artis durchgeführten ärztlichen Heileingriffen die Tatbestandsmäßigkeit, sodass dies nicht unumstritten ist. Ich denke hier wird jedoch auch nach der Literaturansicht der Tatbestand unzweifelhaft erfüllt sein, denn es handelt sich gerade nicht um einen ärztlichen Heileingriff. Mangels medizinischer Ausbildung des Piercers halte ich die Fälle auch nicht für vergleichbar, sodass in diesem Fall meines Erachtens unstreitig die Körperverletzung vollendet sein sollte.
Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat
17.6.2024, 15:06:56
Zudem ist nach der Literaturansicht weitere Voraussetzung für ein Entfallen des Tatbestandes, dass der lege artis durchgeführte Heileingriff auch medizinisch indiziert war, sodass das Piercen auch insofern nach dieser Ansicht den Tatbestand erfüllt.