Handlungen im Vorfeld der tatbestandlichen Ausführungshandlung / Auflauer-Fälle 2


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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O hat ihren Mann T rausgeworfen. T möchte O nun töten. Als diese abends nach Hause kommt, versteckt er sich hinter der Tür mit einem Küchenmesser, um diese zu erstechen. Als O gerade die Wohnungstür öffnen möchte, lässt sie davon ab und geht zu ihren Eltern.

Einordnung des Falls

Handlungen im Vorfeld der tatbestandlichen Ausführungshandlung / Auflauer-Fälle 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

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Genau, so ist das!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen, da die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 5 Jahre beträgt (§§ 12 Abs. 1, 212 Abs. 1 StGB).

2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlags.

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Ja, in der Tat!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist fest entschlossen seine Frau zu töten.

3. Der BGH hat entschieden, dass T durch das Auflauern hinter der Türe „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“ hat.

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Ja!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Der BGH hat ein unmittelbares Ansetzen bejaht, da T die O wahrgenommen hat und davon ausging, dass diese die Tür öffnen werde. Dadurch war nach der Vorstellung des T eine unmittelbare Gefährdung gegeben, da sein Auflauern unmittelbar in die Tötungshandlung münden sollte und nach seiner Vorstellung keine wesentlichen Zwischenschritte erforderlich gewesen sind.

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BL

Blotgrim

5.5.2022, 19:28:43

Uns wurde gesagt dass ein unmittelbares Ansetzen eher dann anzunehmen ist, wenn zum Beispiel die Waffe gezogen/ausgerichtet wird. Wäre hier deshalb nicht eher erst ein Versuch anzunehmen wenn

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.5.2022, 10:58:22

Hallo Blotgrim, vielen Dank für Deine Frage. Hier musst Du mir vielleicht noch ein wenig auf die Sprünge helfen. Im vorliegenden Fall prüfen wir gerade, ob ein versuchter Totschlag vorliegt, da O ja überlebt hat und nicht von T getötet wurde. Spannend ist nun die Frage, ob O bereits in das Versuchsstadium eingetreten ist oder sich noch im Bereich der strafbaren Vorbereitungshandlung befindet. Dies prüft man im Tatbestand unter dem Punkt des "unmittelbaren Ansetzens". Der BGH ist hier zu dem Ergebnis gekommen, dass ein unmittelbares Ansetzen vorlag. T hatte hier das Messer in der Hand (s. Skizze), nahm die O auch zumindest akustisch wahr und war bereit sie zu erstechen, sobald sie zur Tür hereinkommt. Aus diesem Grund hat der BGH angenommen, dass der Täter hier subjektiv bereits die Schwelle zum Jetzt-geht es los überschritten hat und objektiv keine wesentlichen Zwischenschritte mehr gefehlt haben. Damit kommt man hier zu einer Versuchsstrafbarkeit (man müsste natürlich noch zu Ende prüfen und insb. beim Rücktritt thematisieren, dass hier ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Gustav

Gustav

6.7.2022, 15:51:05

In der Lösung wird u. a. darauf abgestellt, dass der T die O bemerkt hat. Das wird allerdings nicht im Sachverhalt erwähnt und die Zeichnung suggeriert m. E. eher Gegenteiliges

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 16:32:44

Hallo Gustav, wieso gibt der Sachverhalt und die Skizze nicht her, dass T die O bemerkt hat als sie Nachhause kommt? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

EB

Elias Von der Brelie

28.5.2023, 16:19:00

Also für mich wird durch die Formulierung "Als die O nach Hause kommt, versteckt der T sich hinter der Tür" deutlich, dass dieser dort nicht schon die ganze Zeit gestanden hat, sondern sich erst als die O kam bereit machte. Dafür müsste er die O natürlich bemerkt haben.


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