Gattungsschuld, Beschaffung möglich

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Händler H hat drei neue Computer des Typs "HX 5" der Herstellerin Birne günstig angekauft. Gamerin G bestellt einen der Computer, H sagt die Lieferung zu. In der folgenden Nacht brennt die Lagerhalle des H inklusive der drei Computer ab.

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Einordnung des Falls

Gattungsschuld, Beschaffung möglich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass H ihr einen Computer des Typs "HX 5" übergibt und übereignet (§ 433 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). V und K haben einen Kaufvertrag über den Computer des Typs "HX 5" abgeschlossen. V war somit verpflichtet, dieses zu übergeben und zu übereignen.
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2. Ob die Übergabe und Übereignung für V unmöglich ist, bestimmt sich nach der Art der vereinbarten Schuld.

Ja, in der Tat!

Bei gegenstandsbezogenen Leistungspflichten hängt der Eintritt der Unmöglichkeit davon ab, ob noch ein geeigneter Leistungsgegenstand vorhanden ist. Dabei unterscheidet man Stück- und Gattungsschulden.Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Steht dieser nicht mehr zur Verfügung, so tritt Unmöglichkeit ein. Bei der Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) bestimmen die Parteien den Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung). Vor der Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) führt nur der Untergang der Gattung hier zur Unmöglichkeit.

3. Vorliegend haben H und G eine Stückschuld vereinbart.

Nein!

Eine Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Eine Gattungsschuld (§ 243 BGB) liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung) bestimmt ist.Hier haben sich H und G über die Lieferung eines beliebigen Computers des Typs HX 5 geeinigt. Damit haben sie den Leistungsgegenstand nur seiner Gattung nach, nämlich seines Modells "HX 5" nach, festgelegt.

4. Die Leistungspflicht des H ist wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs.1 BGB erloschen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist eine Gattungsschuld geschuldet, kommt es vor der Konkretisierung nur zur Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 Abs.1 BGB), wenn die gesamte Gattung untergeht oder auf dem Markt nicht mehr verfügbar ist.Zwar sind die PCs im Lager des H abgebrannt. H ist aber insoweit verpflichtet, den Computer des Typs "HX 5" zu beschaffen, indem er ihn vom Hersteller Birne erneut bestellt.In Abgrenzung zur marktbezogenen Gattungsschuld, kann der Verkäufer seine Beschaffungspflicht auch auf seinen Vorrat beschränken (beschränkte Gattungsschuld / Vorratsschuld). Dies muss sich aber aus der Parteivereinbarung ergeben.

5. G kann von H Übergabe und Übereignung eines Computers des Typs "HX 5" verlangen (§ 433 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Durch Abschluss des Kaufvertrages ist der Anspruch auf Übergabe und Übereignung entstanden. Da die Leistung für H nicht unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB), ist der Anspruch auch nicht untergegangen und G kann weiterhin Übergabe und Übereignung verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FML

FML

6.12.2021, 19:06:38

Wenn H die Computer hier lokal lagert fehlen mir aber Ausführungen zur beschränkten Gattungsschuld/

Vorratsschuld

.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.12.2021, 09:37:50

Danke FML, wir haben nun einen entsprechenden Vertiefungshinweis mit aufgenommen, in dem wir die

Vorratsschuld

schon einmal anteasern. Da es hier an Anhaltspunkten dafür fehlte, dass die Beschaffungspflicht auf den Vorrat begrenzt sein sollte, wäre im Ergebnis die Begrenzung auf den Vorrat hier aber eher abzulehnen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JUL

Julian

13.1.2022, 14:08:18

Hi Lukas, was für Anhaltspunkte müssten vorliegen um eine Vorratsbegrenzung anzunehmen? Reicht es nicht aus, wenn der Vorrat des Verkäufers zerstört wird, jedoch nicht ersichtlich ist, dass er diese Ware erneut/häufiger im Angebot hat?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.1.2022, 17:41:07

Hallo Julian, vielen Dank für Deine Nachfrage. Maßgeblich für eine Vorratsbegrenzung ist die Vereinbarung der Parteien. Ausweislich des Sachverhaltes und der Illustration einigen sich H und G lediglich über den Kauf eines Computers des Typ HX5. Eine weitere Eingrenzung auf Computer, die sich im Lager des H befinden, haben sie nicht vorgenommen (z.B. nur solange der Vorrat reicht). Aus objektiver Sicht ist es nicht ersichtlich, dass H seine Leistung auf sein Lager beschränken wollte. Insofern schuldet er die Beschaffung auf dem Markt. Ich hoffe dadurch wird es jetzt klarer :-) Beste Grüße, Lukas


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