Gattungsschuld, Untergang der ganzen Gattung

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Händlerin H hat drei Computer des Typs "HX 5" angekauft. Da Herstellerin Birne die Produktion eingestellt hat, sind dies die letzten auf dem Markt. Gamer G bestellt einen der Computer, H sagt die Lieferung zu. In der Nacht brennt die Lagerhalle der H inklusive der drei Computer ab.

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Einordnung des Falls

Gattungsschuld, Untergang der ganzen Gattung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass H ihm einen Computer des Typs "HX 5" übergibt und übereignet (§ 433 Abs. 1 BGB).

Ja!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). H und G haben einen Kaufvertrag über den Computer des Typs "HX 5" abgeschlossen. H war somit verpflichtet, diesen zu übergeben und zu übereignen.
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2. Ob die Übergabe und Übereignung für H unmöglich ist, bestimmt sich nach der Art der vereinbarten Schuld.

Genau, so ist das!

Bei gegenstandsbezogenen Leistungspflichten hängt der Eintritt der Unmöglichkeit davon ab, ob noch ein geeigneter Leistungsgegenstand vorhanden ist. Dabei unterscheidet man Stück- und Gattungsschulden. Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Steht dieser nicht mehr zur Verfügung, so tritt Unmöglichkeit ein. Bei der Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) bestimmen die Parteien den Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung). Vor der Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) führt nur der Untergang der Gattung hier zur Unmöglichkeit.

3. Vorliegend haben H und G eine Stückschuld vereinbart.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Stückschuld liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand individuell bestimmt wurde, also nur mit einem ganz bestimmten Gegenstand geleistet werden soll. Eine Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1 BGB) liegt vor, wenn der Leistungsgegenstand bloß nach allgemeinen Merkmalen als Teil einer Gruppe von Gegenständen (Gattung) bestimmt ist.Hier haben sich H und G über die Lieferung eines beliebigen Computers des Typs HX 5 geeinigt. Damit haben sie den Leistungsgegenstand nur seiner Gattung nach, nämlich seines Modells "HX 5" nach, festgelegt.

4. Die Leistungspflicht der H ist wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs.1 BGB erloschen.

Ja!

Ist eine Gattungsschuld geschuldet, kommt es vor der Konkretisierung nur zur Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 Abs.1 BGB), wenn die gesamte Gattung untergeht oder auf dem Markt nicht mehr verfügbar ist.Zwar ist H aufgrund der vereinbarten Gattungsschuld verpflichtet, den Computer des Typs "HX 5" zu beschaffen. Da diese aber aufgrund der Einstellung der Produktion nicht mehr lieferbar sind, ist die Beschaffung unmöglich.

5. G kann von H Übergabe und Übereignung eines Computers des Typs "HX 5" verlangen (§ 433 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Durch Abschluss des Kaufvertrages ist zwar der Anspruch auf Übergabe und Übereignung entstanden. Da die Leistung für H unmöglich ist (§ 275 Abs. 1 BGB), ist der Anspruch aber untergegangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Pilea

Pilea

8.12.2022, 11:33:29

Ich weiß, dass es an anderer Stelle besprochen wird, aber ich hab es noch nie im Zusammenhang verstanden: hat in einer solchen Konstellation der Käufer Sekundäransprüche? Wenn ja, dann trägt ja doch die Verkäuferin das Risiko, nochmal "leisten" zu müssen, wenn auch monetär. Also ich verstehe dann immer nicht, bei wem der Schaden dann letztendlich landet.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.12.2022, 17:27:08

Hallo Pilea, das ist genau die Konstellation des § 311a Abs. 2 BGB (bei anfänglicher Unmöglichkeit) oder § 283 BGB (nachträgliche Unmöglichkeit wie hier). Diese Anspruchsgrundlagen begründen einen Anspruch auf Schadensersatz bei Unmöglichkeit. Grundsätzlich hat also zunächst der Verkäufer das Risiko zu tragen, gegebenenfalls nochmal leisten zu müssen. Dies hängt damit zusammen, dass er die Leistung rechtsverbindlich "versprochen" hat. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn eine der besonderen Gefahrtragungsregeln greift - wenn also z.B. der Käufer schon vor Erhalt der Sache das Risiko des Untergangs zu tragen hat. Dann muss er den Kaufpreis trotzdem zahlen, auch wenn er den Gegenstand nicht mehr erhält. Beispiele für Sonderregeln sind die §§ 446, 447 BGB. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Pilea

Pilea

8.12.2022, 22:02:24

Alles klar, vielen Dank!

Snow

Snow

2.1.2024, 19:15:54

Insofern ist die Frage, ob es vorliegend für die Unmöglichkeit der Schuld auf den Typ der Schuld ankommt, genau genommen mit nein zu beantworten, denn es liegt in beiden Fällen Unmöglichkeit vor, dann kommt es doch nicht darauf an.

MaxRaspody

MaxRaspody

3.8.2024, 16:41:50

denke ich auch

LO

Lorenz

16.10.2024, 14:40:37

Das Problem hat man ja regelmäßig im Gutachten. Ich denke, dass es sich aber trotzdem anbietet, im Rahmen der Unmöglichkeit zunächst die vereinbarte Schuld anzusprechen und dann die Unmöglichkeit zu bestimmen. Wenn der Parteiwillen kaum erkennbar ist oder man seitenweise argumentieren müsste, kann man aber definitiv abkürzen und sagen, dass es hier tatsächlich nicht darauf ankommt.


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