Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

§ 107 BGB, nur wirtschaftlicher Vorteil und konkludente Einwilligung

§ 107 BGB, nur wirtschaftlicher Vorteil und konkludente Einwilligung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 12-jährige K will ihr Fahrrad für €50 verkaufen, womit ihre Eltern einverstanden sind. Das erzählen Ks Eltern auch Nachbar N, der ein Rad für seine Tochter sucht. Am nächsten Tag trifft N die K im Treppenhaus. Da er das Rad braucht, bietet er K €200. Das Rad ist nur €50 wert.

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Einordnung des Falls

§ 107 BGB, nur wirtschaftlicher Vorteil und konkludente Einwilligung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wäre ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) mit N für K lediglich rechtlich vorteilhaft?

Nein, das ist nicht der Fall!

Lediglich rechtlich vorteilhaft ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es die Rechtsstellung des Minderjährigen ausschließlich verbessert. Unerheblich für die Betrachtung ist, ob das Rechtsgeschäft wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Ein Kaufvertrag würde für K zwar einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung begründen (§ 433 Abs. 2 BGB), sie jedoch gleichzeitig auch zur Übereignung des Rads verpflichten (§ 433 Abs. 1 BGB). Der Umstand, dass sie für das Rad €200 bekäme, obwohl es nur €50 wert ist, ist ein rein wirtschaftlicher Vorteil.
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2. Benötigt K die Einwilligung ihrer Eltern, um mit N einen wirksamen Kaufvertrag schließen zu können?

Ja, in der Tat!

Ein beschränkt Geschäftsfähiger bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB). K ist beschränkt geschäftsfähig und der Verkauf des Fahrrads ist für sie rechtlich nachteilig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

5.9.2021, 23:58:06

Ich würde in der Mitteilung der Eltern gegenüber N nicht zwingend eine Einwilligung in den Abschluss des konkreten Kaufvertrages sehen. (Konkludent) eingewilligt haben sie ja lediglich in den Abschluss eines Kaufvertrages über das Fahrrad in Höhe von 50€. Darin muss man nicht unbedingt auch die Zustimmung zu einem Vertrag über 200€ sehen.

Simon

Simon

5.9.2021, 23:59:06

Andersherum wird es deutlicher: Wenn die Eltern N erzählen, ihr Kind wolle das Rad für 200€ verkaufen, willigen sie damit nicht in einen Verkauf für 50€ ein. Natürlich liegt es nahe, dass sie mit einem wirtschaftlich besseren Geschäft erst recht einverstanden sind. Dies ist jedoch bloß ihr mutmaßlicher Wille und nicht ihre konkret vorliegende Einwilligung. Freilich werden sie das Geschäft höchstwahrscheinlich genehmigen. (Gebe aber zu, dass meine Argumentation vielleicht etwas weit hergeholt ist:)

Tekkie

Tekkie

17.9.2021, 15:39:26

Sehe das genauso. Etwas schwammig formuliert. Die Aussage der Eltern klingt im ersten Moment eher wie eine Absichtserklärung das Rad (irgendwann) zu verkaufen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.10.2021, 10:20:21

Hallo ihr beiden, wir haben die Zustimmung nun noch etwas deutlicher im Sachverhalt angelegt. Danke euch für den Hinweis :-). @Simon: sehr interessanter Gedanke bzgl. der Frage, was von der Einwilligung umfasst ist. Ich würde im vorliegenden Fall allerdings durchaus die Einwilligung dahingehend auslegen, dass sich die Eltern damit automatisch auch mit einem "besseren" Verkauf einverstanden erklären. Denn der Nachteil der K besteht ja letztlich in der Verpflichtung ihr Fahrrad zu übereignen. Dieser wird aber sowohl durch die Zahlung von 50€ als auch von 200€ vollständig kompensiert. Anders in dem von dir gebildeten Beispiel, in dem das Fahrrad objektiv 200€ wert wäre. In diesem Fall wäre ein Verkauf für 50€ gänzlich ungenügend und insofern nicht von der Einwilligung umfasst. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team


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