Strafrecht
BT 5: Verkehrsdelikte
Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c StGB
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB: Keine Kausalität
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB: Keine Kausalität
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T, der eine BAK von 2,97‰ aufweist, beschließt während einer Autobahnfahrt, sich und seine Beifahrerin B zu töten. Daher lenkt er den Pkw ruckartig von der Fahrbahn. Beide überleben schwer verletzt.
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Einordnung des Falls
§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB: Keine Kausalität
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit geführt (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es bestand eine „konkrete Gefahr“ (§ 315c Abs. 1 StGB) für B als taugliches Gefährdungsopfer.
Ja!
3. Auch der „tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang“ ist gewahrt.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Johnny
23.7.2020, 16:10:34
Im geschilderten Fall handelte es sich zwar bei der Unglücksursache nicht um einen alkoholbedingten Fahrfehler, jedoch wäre bei einer Alkoholisierung von 3 Promille doch wohl zu prüfen, ob der plötzliche Tötungs
vorsatzdes T nicht eine psychische Ausfallerscheinung darstellt, oder nicht?
Fahrradfischlein
10.11.2020, 14:15:14
Das hätte ich jetzt spontan auch gesagt. Allerdings scheinen sehr viele Menschen auch ohne Alkohol grundsätzlich nicht nachvollziehbare und gestörte Taten zu begehen, wenn man sich anschaut was täglich vor Gericht landet bzw. bis zum BGH geht.
Lukas_Mengestu
28.10.2021, 13:03:28
Hi Johnny, im Rahmen der Prüfung des versuchten Totschlags (bzw. das Landgericht hat sogar versuchten Mord angenommen - "
gemeingefährliches Mittel) wäre durchaus im Rahmen der Schuldfähigkeit auf die Alkoholisierung einzugehen. Da wir bei §
315c StGBaber bereits auf der Tatbestandsebene rausfliegen, sind an dieser Stelle keine Ausführungen zu machen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
justlaw
7.8.2023, 15:52:22
Kann man hier nicht auch argumentieren, dass T nur aufgrund der alkoholbedingten Enthemmung den Tötungs
vorsatzgebildet hat? Also dass er im nüchternen Zustand diesen nicht gefasst hätte und somit die konkrete Gefährdung der Beifahrerin innerhalb des spezifischen Gefahrzusammenhangs liegt?
Leo Lee
11.8.2023, 13:29:53
Hallo justlaw, das könnte man tatsächlich meinen. Beachte jedoch, dass wir den Sachverhalt immer so nehmen, wie er ist. Das bedeutet: Wenn im SV etwa nicht steht, dass der T im nüchternen Zustand den Entschluss nicht gefasst hätte, dann würden wir in der Tat den Zsmhang verneinen. Weil jedoch der Sachverhalt hierzu nichts sagt, ist der Zsmhang gewahrt:). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
ZMou
8.12.2023, 20:21:50
Hallo Leo Lee, ich bin etwas verwirrt. Ich habe auch so gedacht wie justlaw und verstehe deinen Einwand mit dem „nichts in den Sachverhalt hineininterpretieren“, da muss man tatsächlich vorsichtig sein, aber hier besteht doch dann gerade KEIN Gefahrzusammenhang oder? Bei dir liest es sich so, dass einer besteht oder? Korrigiert mich bitte wenn ich falsch liege, vllt habe ich auch gerade einen Denkfehler.
MLena
23.3.2024, 08:56:28
Hey ZMou, du hast nichts falsch verstanden, der Zusammenhang besteht hier gerade nicht. Ich glaube, dass der Moderator bei seiner Antwort durcheinandergekommen ist, kann ja mal vorkommen ;)
benjaminmeister
28.3.2024, 07:56:40
Ich glaube man muss hier besonders darauf achten, dass die alkoholbedingte
Fahruntüchtigkeitzu der konkreten Gefahr führen muss. Im vorliegenden Fall führt aber nicht die alkoholbedingte
Fahruntüchtigkeit(also ein Fahrfehler!) zur konkreten Gefahr, sondern die davon unabhängige Tötungsabsicht. Diese mag zwar auch alkoholbedingt gefasst sein, aber das ist nicht erheblich für den Kausalzusammenhang zwischen alkoholbedingter
Fahruntüchtigkeit/Fahrfehler und konkreter Gefahr.
L.Goldstyn
1.8.2024, 16:42:36
Hallo benjaminmeister, vielen Dank für diesen sehr wichtigen Hinweis! Genau darum geht es. Um es noch einmal auf die Spitze zu treiben: Auch im folgenden Beispiel wäre der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang zu verneinen: Der normalerweise völlig friedfertige T, der niemals auch nur einer Fliege etwas zu Leide tun könnte, trinkt an einem Abend zu viel Alkohol. Mit einer BAK von 2,98 Promille tritt er gemeinsam mit seiner Beifahrerin B, die dessen Alkoholisierung nicht erkennt, die Heimfahrt an. Aufgrund der starken Alkoholisierung wird der T zum ersten Mal in seinem Leben und völlig unvermittelt aggressiv und beschließt, sich und B zu töten. Daraufhin lenkt er das Auto präzise an einen Baum. Auch in diesem Fall fehlt es an dem tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang, denn der Gefahrerfolg beruht nicht auf der alkoholbedingten
Fahruntüchtigkeit, sondern auf der Alkoholisierung. Viele Grüße!