Einführungsfall: Rückabwicklung gegenseitiger Verträge (positives Saldo)


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Klassisches Klausurproblem

K hat von V für €4.000 ein E-Bike gekauft (Wert: €3.500). Kurz nach der Übereignung wird es K in der Freiburger Studentensiedlung von Unbekannten entwendet. K hatte vergessen das Rad anzuschließen. Später stellt sich heraus, dass der Kaufvertrag zwischen K und V nichtig war.

Einordnung des Falls

Einführungsfall: Rückabwicklung gegenseitiger Verträge (positives Saldo)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K steht bezüglich des gezahlten Kaufpreises dem Grunde nach ein Anspruch aus Leistungskondiktion zu (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus Leistungskondiktion besteht, wenn der Bereicherungsschuldner (1) etwas (2) durch Leistung des Bereicherungsgläubigers (3) ohne rechtlichen Grund erlangt hat.K hat V bewusst und zweckgerichtet Eigentum und Besitz an dem Kaufpreis verschafft. Da der Kaufvertrag nichtig ist, fehlt hierfür ein Rechtsgrund. Die Anspruchsvoraussetzungen der Leistungskondiktion liegen vor.

2. Der Umfang des Bereicherungsanspruches bei nichtigen Verträgen unterliegt gewissen Besonderheiten.

Ja, in der Tat!

Muss ein nichtiger Vertrag rückabgewickelt werden, so stehen an sich beiden Parteien Kondiktionsansprüche zu. Schwierigkeiten ergeben sich dabei, wenn - wie hier - (1) einer der Bereicherungsgegenstände untergegangen ist und (2) sich der Bereicherungsschuldner auf Entreicherung berufen kann (§ 818 Abs. 3 BGB). Zur Behandlung dieser Thematik haben sich verschiedene Lösungsansätze entwickelt, die wir Dir im Folgenden vorstellen.

3. Nach der strengen Zweikondiktionentheorie kann K die Rückzahlung der vollen €4.000 verlangen.

Ja!

Nach der früher herrschenden strengen Zweikondiktionentheorie steht jedem Vertragspartner ein eigenständiger Bereicherungsanspruch zu. Der Bestand der Kondiktionsansprüche ist danach grundsätzlich unabhängig voneinander. Sie sind lediglich Zug um Zug zu erfüllen (§§273, 274 BGB).Folgt man der strengen Zweikondiktionentheorie, so steht K der Rückforderungsanspruch in voller Höhe zu. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass sie sich gegen den ebenfalls bestehenden Rückforderungsanspruch der V auf die Unmöglichkeit der Herausgabe (§ 275 Abs. 1 BGB) sowie im Hinblick auf den Wertersatzanspruch auf Entreicherung818 Abs. 3 BGB) berufen kann.

4. Wird die strenge Zweikondiktionentheorie noch vertreten?

Nein, das ist nicht der Fall!

Heutzutage ist von der h.M. anerkannt, dass die strenge Zweikondiktionentheorie regelmäßig zu unangemessenen Ergebnissen führt, wenn (1) einer der Leistungsgegenstände weggefallen ist und (2) sich eine Partei deshalb auf Entreicherung berufen kann. Der Entreicherte dürfe bei der Rückabwicklung eines Vertrages grundsätzlich nicht besser stehen als bei dessen regulärer Durchführung. Denn § 818 BGB schütze nur das Vertrauen in die Beständigkeit des Erwerbs. Ohne die Rückabwicklung wäre der Verlust des Bereicherungsgegenstands aber regelmäßig zulasten des Entreicherten (zB des Käufers) gegangen.Zur Korrektur des Ergebnisses der strengen Zweikondiktionentheorie werden zwei Ansätze vertreten: (1) die Saldotheorie (h.M.) und (2) eingeschränkte Zweikondiktionentheorie.

5. Nach der Saldotheorie (Rspr.) kann K die Rückzahlung der vollen €4.000 verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der von der Rechtsprechung vertretenen Saldotheorie sind bei Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages die gegenseitigen Kondiktionsansprüche zunächst zu verrechnen (saldieren). Ist ein Bereicherungsgegenstand weggefallen, so ist dessen Wert in Ansatz zu bringen. Verbleibt für die entreicherte Partei ein positives Saldo, so steht ihr ein entsprechender Bereicherungsanspruch zu. Nach der Saldotheorie wird vom Anspruch der K auf Rückzahlung des Kaufpreises (€4.000) der Wert des gestohlenen E-Bikes (3.500 EUR) abgezogen. K kann daher von V nur Zahlung von €500 verlangen.

6. Nach der eingeschränkten Zweikondiktionentheorie (h.L.) steht K zunächst ein Anspruch auf Rückzahlung der vollen €4.000 zu.

Ja!

Der überwiegende Teil der Literatur vertritt die eingeschränkte Zweikondiktionentheorie. Diese geht im Grundsatz auch von zwei selbstständigen Kondiktionsansprüchen aus (wie die strenge Zweikondiktionentheorie). Anders als die Zweikondiktionentheorie schränkt sie die Berufung auf den Entreicherungseinwand in Fällen ein, in denen der Untergang in die Risikosphäre des Entreicherten fällt.Ungeachtet des eigenen Verschuldens für den Untergang des E-Bikes bleibt Ks eigener Bereicherungsanspruch nach der Zweikondiktionenlehre zunächst in voller Höhe bestehen.

7. Nach der eingeschränkten Zweikondiktionentheorie kann V von K aber €3.500 Wertersatz verlangen (§§ 818 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Nach der eingeschränkten Zweikondiktionentheorie wird der Einwand des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) normativ eingeschränkt, wenn der Entreicherte für das Risiko der Entreicherung verantwortlich ist.Auch V steht dem Grunde nach ein Bereicherungsanspruch gegen K zu (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das E-Bike wurde K zwar gestohlen, weshalb sie eigentlich entreichert wäre (§ 818 Abs. 3 BGB). Der Untergang ist indes ihrer Risikosphäre zuzuordnen, weshalb sie sich nicht auf den Einwand berufen kann.

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